Hertha BSC verliert beim Tabellenletzten und lässt dabei alles vermissen, was nur für einen Punkt erforderlich gewesen wäre. Der Abwärtstrend bei der Hertha scheint nicht aufhören zu wollen.

Die „Alte Dame“ findet keinen Weg aus der Inkonstanz – das ist das zwangsläufige Fazit aus der 0:2-Niederlage beim Schlusslicht Jahn Regensburg am vergangenen Sonnabend. Denn nach dem Aufbruchssignal des Siegs von Hertha BSC in Paderborn zum Jahresauftakt folgte zwar eine Niederlage gegen den Hamburger SV – aber mit der dort gezeigten Leistung hätte der für den Erhalt der Hoffnungen notwendige Dreier in Regensburg auf jeden Fall drin sein sollen. Die Mannschaft enttäuschte dann jedoch auf ganzer Linie und verlor verdient beim Jahn, der den Berlinern mit viel Einsatzbereitschaft schlicht den Schneid abkaufte. Selbst die Hereinnahme des über die volle Spielzeit noch nicht einsatzbereiten Fabian Reese ging im allgemeinen Larifari des Auftritts beinahe unbemerkt unter. Nicht zu Unrecht überboten sich die handelnden Personen deshalb nach Abpfiff in der (Selbst-)Kritik: „Ich war erschrocken von unserer Gegenwehr, ehrlich gesagt“, bekannte etwa Torwart Marius Gersbeck nach Abpfiff. Oder: „Es geht um unsere Leistung, und die war heute von der ersten bis zur letzten Minute nicht vorhanden“, sagt Sportdirektor Benjamin Weber. Auch Trainer Cristian Fiél schlug besonders tief in diese Kerbe: „Ich brauche heute gar nicht auf inhaltliche Dinge eingehen, weil Fußball in allererster Linie Herz, Leidenschaft, Wille, Gier ist. Es sind viele Dinge, bevor wir über fußballerische Dinge sprechen, und die haben wir heute alle vermissen lassen.“ Das eigentliche Problem daran aber ist, dass die Akteure – und das auch nicht erst seit vergangenem Wochenende – über sich selbst sprechen und damit nun den Tiefpunkt ihrer Verunsicherung offenbaren, der wenig Hoffnung auf Besserung verbreitet. Spätestens seit Regensburg ist der Aufstieg jedenfalls kein Thema mehr – doch das ist längst noch nicht alles: Das Projekt der Entwicklung eines Teams mit einer modernen Spielidee unter dem neuen Trainer Cristian Fiél steht mehr denn je auf der Kippe – außer zeitweisen guten Ansätzen hat sich inzwischen sogar der Eindruck eingestellt, dass die Darbietungen auch auf spielerisch-taktischer Ebene immer dürftiger werden. Neben dem Coach rückt dazu zwangsläufig auch die Verantwortungsebene um Sportdirektor Weber immer mehr ins Zentrum der Kritik.
In der Woche nach der 2:3-Heimniederlage gegen den Hamburger SV hatte bereits die Verpflichtung von Armin Reutershahn als neuer Co-Trainer für Verwirrung gesorgt. Die Frage, weshalb der zuvor vereinslose 64-Jährige nicht schon in der Winterpause verpflichtet worden war, um sich intensiv einarbeiten zu können, blieb jedenfalls ungeklärt. So sah man sich in diesem Zusammenhang sogar zu der Klarstellung genötigt, dass die Maßnahme keineswegs als indirektes Misstrauensvotum der Verantwortlichen gegenüber Cristian Fiél zu verstehen sei. Vielmehr war Reutershahn sogar auf Wunsch des Hertha-Trainers unter Vertrag genommen worden. „Es geht immer darum, wie wir uns kontinuierlich verbessern können – daher ist bereits in der Hinrunde bei mir der Wunsch entstanden, das Trainerteam mit einem Profil zu erweitern, welches wir in dieser Form bisher noch nicht im Staff haben“, erklärte Fiél zu der Personalie. „Armin erfüllt mit seiner Expertise und seinem riesigen Erfahrungsschatz genau dieses Profil, und ich bin sehr froh und dankbar, dass es möglich war, ihn für diese Aufgabe zu gewinnen.“ Der Assistenzcoach, der zuletzt bis Dezember 2023 bei Borussia Dortmund an der Seite von Edin Terzić gearbeitet hatte, bringt es in seiner Laufbahn jedenfalls auf über 1000 Spiele an der Seitenlinie – der Großteil davon in der Bundesliga. Neben dem BVB stehen dabei Borussia Mönchengladbach, Eintracht Frankfurt, TSG Hoffenheim, VfB Stuttgart, 1. FC Nürnberg, Hamburger SV sowie KFC Uerdingen in seiner Vita. „Armin hat schon so viel erlebt und auf so vielen verschiedenen Stationen erfolgreich gearbeitet – seine Erfahrungen aus über 30 Jahren Profifußball werden uns sehr helfen“, betonte auch Sportdirektor Benjamin Weber den Wert dieser Maßnahme. In der Tat war das Trainerteam bislang mit Fiél, der seit drei Jahren im Profifußball arbeitet, sowie den Assistenten Jaime Monroy (Analyse) oder Patrick Ebert (Individualtraining) – beide Neulinge in ihrer Aufgabe – eher unerfahren aufgestellt. Reutershahn durfte sich dabei sogleich der Baustelle Standardsituationen widmen – die bis dahin Ebert zu verantworten hatte, die Schwächen in diesem Punkt allerdings nicht beheben konnte. So wurde die Verpflichtung sogar als eine Vertrauensmaßnahme für Fiél interpretiert – der allerdings eine Woche darauf schon mehr denn je zur Disposition steht.
Unerwartetes Ende bei Kenny-Wechsel

Ein vorerst unerwartetes Ende nahm auch der Wechsel von Jonjoe Kenny – denn der Transfer zum englischen Zweitligisten Sheffield United kam letztlich doch nicht zustande. Der 27-jährige Rechtsverteidiger hatte dabei seinen sofortigen Wechsel in die Heimat forciert, fehlte deshalb sogar gegen den HSV – doch beide Parteien fanden letztlich am Verhandlungstisch nicht zusammen. Eine Situation, die nun alle Beteiligten als Verlierer dastehen lässt: Sheffield beziehungsweise Kenny bekommen ihren Willen nicht, Hertha BSC wird hingegen für seinen Spieler, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft, keine Ablösesumme kassieren. Dazu bleibt die Frage, ob der Engländer– in Regensburg wieder im Einsatz – nach dieser Entwicklung noch mit voller Konzentration und Motivation für den Rest der Spielzeit bei der Sache ist– und wie sein Ansehen vor allem bei den Fans nach den Abwanderungsbekundungen sein wird. In eine ähnliche Richtung könnte sich auch der Wechsel auf der Torwartposition auswirken. Spätestens mit Gersbecks drittem Einsatz in Folge steht jedenfalls endgültig fest, dass der bisherige Stammkeeper Tjark Ernst nur noch die Nummer zwei in der Torwarthierarchie einnimmt. Daraufhin meldete sich dessen Berater zu Wort und bezeichnete die Entscheidung als „aus dem Nichts“ gekommen und „nicht in Ordnung“, sogar ein kurzfristiger Abgang des 21-Jährigen schien bei Redaktionsschluss noch möglich. So steht die im Sommer 2024 vorgenommene, durchaus vielversprechende Neuausrichtung durch die verschiedenen Krisenherde bereits kurz vor dem Zusammenbruch – deutlichstes Anzeichen dafür: In Regensburg verweigerten die Unentwegten im blau-weißen Anhang ihrer Mannschaft zeitweise sogar ihre Unterstützung.