Der vor 25 Jahren verstorbene Friedensreich Hundertwasser polarisierte als früher Öko-Aktivist und mit seinen Architektur-Manifesten stark. Doch inzwischen ist das Pendel Richtung „Weltverbesserer“ ausgeschlagen. Seine dekorativ-spiralige Malerei ist ebenso ein Publikumsmagnet wie seine kunterbunten Gebäude.

Für einen kosmopolitischen Künstler, der das Reisen in Flugzeugen nie gemocht hatte, war Neuseeland fraglos nicht gerade die ideale Wahlheimat. Dort hatte Friedensreich Hundertwasser seit 1976 seinen Hauptwohnsitz und hatte 1986 auch die Staatsbürgerschaft erhalten. Daneben besaß der gebürtige Wiener aber auch noch ein Bauernhaus in der Normandie, eine Villa samt prächtigem Garten in Venedig oder ein Domizil im niederösterreichischen Waldviertel, wo er bei seinen zahlreichen Aufenthalten in Europa wohnte.
Die weiten Fahrtstrecken pflegte er meist an Bord von Kreuzfahrtschiffen zurückzulegen. Von daher hatte sich das Schicksal für den Tod des 71-Jährigen am 19. Februar 2000 mit dem luxuriösen Passagierschiff „Queen Elizabeth 2“ durchaus einen passenden Ort erwählt. Hundertwassers letzte Reise gen Europa endete infolge von Herzversagen schon vor dem australischen Brisbane. Sein Leichnam wurde seinem Testament gemäß naturnah, ohne Sarg und Kleidung, auf seinem mit 372 Hektar gigantisch großen Anwesen beigesetzt, das sich über das gesamte Karinui-Tal am Waikare Inlet unweit der Bay of Islands erstreckt hatte. Dort hatte er vormals zehn Jahre lang auf einem umgebauten und von ihm auf den Namen „Regentag“ getauften Schiff logiert.

In seinem letzten Lebensjahrzehnt war es deutlich ruhiger um den schillernd-bunten Vogel der Szene geworden. Die Aufregung um das vom „Spiegel“ als „Bürgerschreck und das erste Enfant terrible der Nachkriegskunst“ titulierte künstlerische Multi-Talent, das sich auch als früher Öko-Aktivist profilieren konnte, hatte sich längst gelegt.
Sein Schaffen war im Mainstream angekommen. Kunstdrucke seines dekorativen malerischen Werks zierten weltweit zahllose Zimmerwände, seine rund 40 architektonischen Projekte in Ländern wie Deutschland, Österreich, Israel, Japan, Neuseeland, den USA oder der Schweiz waren zu Touristenattraktionen geworden.
Hundertwasser war unter die populärsten europäischen Künstler seiner Zeit aufgestiegen. Einzig die globale Architekten-Branche zeigt ihm nahezu geschlossen bis heute die kalte Schulter. Sie verunglimpften den selbsternannten „Architekturdoktor“ als „Fassadenverhübscher“ und spotteten in seinem Geburtsland von einer „Verhundertwasserung Österreichs“.
Verwandtschaft mit dem Werk Gaudís

Die Gegnerschaft einer ganzen Zunft hatte sich Hundertwasser, der in erster Linie Maler und kein geschulter Baumeister war, bewusst geschaffen. Schon in den 1950er-Jahren hatte er damit begonnen, erste Ideen für eine natur- und menschengerechtere Architektur zu entwickeln. Wobei er im Rahmen seiner Theorie von den fünf Häuten des Menschen – nämlich Epidermis, Kleidung, Behausung sowie die Haut des sozialen und globalen Umfelds – die Forderung aufstellte, dass jeder Erdenbewohner ein Anrecht auf eine seine individuellen Bedürfnisse widerspiegelnde sogenannte dritte Haut habe. Sprich auf eine von Formalismus, Standardisierung und Funktionalität befreite Wohnstatt. Die weltweit dominierende Kubus-Architektur in der Tradition des Bauhauses mit ihrem sterilen Rastersystem und der Serienfabrikation war ihm ein Gräuel. Vor allem die gerade Linie sowie die Verwendung von Lineal und Zirkel verdammte er in seinem berühmten sogenannten Verschimmelungsmanifest von 1958 als Teufelswerk: „Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch.“
Um seine Visionen von einer romantisch-verspielt-organischen und von gekurvten Formen geprägten Architektur populär zu machen, deren Kennzeichen kunterbunte und ungleichmäßige Fassaden samt ovalen Fensterlösungen oder wellenförmigen Kacheln, goldene Zwiebeltürmchen, unebene Böden oder Dachbegrünungen waren, scheute er auch nicht vor spektakulären Aktionen wie den Nacktreden zurück, bei denen er von 1967 bis 1969 sprichwörtlich die Hosen heruntergelassen hatte. Letztlich handelte es sich bei Hundertwassers architektonischem Schaffen, das durchaus Verwandtschaft mit dem Werk des von ihm hoch geschätzten Antoni Gaudí aufweist, eigentlich nur um eine Übertragung des Farben- und Formen-Überflusses seiner Malerei in städtebauliche Umsetzungen mit kitschig-zuckersüßem Beigeschmack. „Die Abwesenheit von Kitsch macht unser Leben unerträglich“, sagte Hundertwasser.
Analogien zu pflanzlichem Wachstum

Wobei oft übersehen wird, dass Hundertwasser bei seinen Projekten niemals die klassischen Arbeiten eines Architekten ausführte. „Ein Architekt hat die Grundstruktur geliefert, und Hundertwasser hat mit seiner Ästhetik, mit seinen ‚Hundertwasserismen‘, eine Außenhaut drübergezogen“, schreibt die Hundertwasser-Biografin Georgia Illetschko. In den frühen 1980er-Jahren durfte Hundertwasser seine architektonischen Fantasien erstmals bei der Fassaden-Umgestaltung bereits bestehender Gebäude wie der Rosenthal-Fabrik in Selb umsetzen. Doch seinen Durchbruch erlebte er durch sein Mitwirken an dem zwischen 1983 und 1985 errichteten Hundertwasserhaus in Wien, das heute ebenso wie das zwischen 1989 und 1991 fertiggestellte „Kunst Haus Wien“ ein Touristenmagnet ist. Selbst vor der Verschönerung von Ungewöhnlichem wie der Müllverbrennungsanlage Spittelau, der Autobahnraststätte Bad Fischau oder eines öffentlichen Toilettenhäuschens im neuseeländischen Kawakawa scheute Hundertwasser nicht zurück. In Deutschland entstanden unter anderem die Waldspirale in Darmstadt (1998–2000) oder der Bahnhof Uelzen (1999–2001). Auch in seiner Malerei hatte der am 15. Dezember 1928 in Wien geborene Friedrich Stowasser, der sich 1949 den Künstlernamen Hundertwasser und 1966 zusätzlich den Künstlervornamen Friedensreich zulegte, der geraden Linie den Kampf angesagt und sie ab 1953 durch sein Markenzeichen ersetzt: die Spirale. Mit ihr konnte er in seiner ornamentalen Zeichensprache das Organische und Vegetative der Natur aufgreifen, womit er in Abgrenzung zum damals vorherrschenden Trend zur abstrakten Malerei nahtlos an das Florale des Jugendstils und des Sezessionismus anknüpfte und sich in der Flächigkeit seines Bildaufbaus und mit dem Verzicht auf die übliche Perspektive vor allem von Werken Gustav Klimts und Egon Schieles inspirieren ließ.
Auch das Studium der Werke des Expressionisten Walter Kampmann und Paul Klees haben zu seiner persönlichen Stilfindung beigetragen, bei der er auch seine intensiv-leuchtende Farbauswahl eine zentrale Rolle gespielt hatte. „Dunkelbunt“ hatte Hundertwasser den satten Farbauftrag genannt. Was ihm so wichtig war, dass er seinen Künstlernamen schließlich in Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt erweiterte und damit auch noch seine besondere Produktivität bei feuchtem Wetter herausstellen konnte.
Zwei Motive waren bei der Mehrzahl von Hundertwassers Bildern bestimmend: Analogien zu pflanzlichem Wachstum und Architektur-Chiffren. Daneben war er auch ein Meister und Erneuerer der Druckgrafik. Ebenso erwähnenswert war seine schon 1952 aufgenommene Beschäftigung mit der Tapisserie, wobei er die Umsetzung seiner bildnerischen Werke in die Hände ausgewählter Weber übertrug. Damit nicht genug, mischte er auch in vielen anderen Bereichen der angewandten Kunst mit. So entwarf er beispielsweise Postwertzeichen oder ein Plakat für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München, schuf Muster für Seidentücher oder Porzellan, gestaltete den Einband einer Brockhaus-Enzyklopädie-Sonderedition oder steuerte Bilder für eine aufwendige Bibel-Ausgabe bei.
Durchbruch 1962 auf Biennale von Venedig

Den künstlerischen Durchbruch schaffte Hundertwasser, der zwei Kurzehen einging, schon in den 1950er-Jahren mit ersten Ausstellungen in Wien, Mailand und Paris. Seinen endgültigen Durchbruch konnte er 1962 auf der Biennale von Venedig feiern. Zwei Jahre später zeigte die Kestner Gesellschaft Hannover eine umfangreiche Retrospektive, die danach in weiteren europäischen Städten als Wanderausstellung präsentiert wurde. Wenn man bedenkt, dass Hundertwasser in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen war, dann war eine solch erfolgreiche Blitzkarriere kaum zu erwarten gewesen. Als Sohn einer alleinerziehenden Jüdin konnte er trotz Taufe und Eintritt in die Hitlerjugend nicht gänzlich sicher vor der Deportation durch die Nazis sein. Zudem hatte er sich die künstlerischen Grundkenntnisse in seinen frühen Pariser Jahren als Autodidakt mehr oder weniger selbst beigebracht, weil er das Studium an der Wiener Akademie der bildenden Künste im Wintersemester 1948/1949 schon nach drei Monaten abgebrochen hatte. Und als früher Öko-Aktivist hatte er sich mit dem Eintreten für Begrünungsmaßnahmen, für die Wiederherstellung natürlicher Kreisläufe – vor allem mit der von ihm propagierten Humus-Toilette –, den Schutz des Wassers und der Meere, dem Kampf für eine möglichst abfallfreie Gesellschaft und gegen die Kernenergie viele Feinde gemacht.