Damit rechnete keiner: Luka Doncic muss die Dallas Mavericks gegen seinen Willen verlassen und spielt künftig an der Seite von LeBron James für die Los Angeles Lakers. Auch deutsche Basketballer wechseln innerhalb der NBA die Franchises.

Der Abschiedsbrief war eine letzte Liebeserklärung an die Stadt Dallas, die Mavericks und die Menschen, die Luka Doncic in den vergangenen sieben Jahren auf dem Weg zum Basketball-Superstar begleitet hatten. Er sei als Teenager in die texanische Großstadt gekommen, um hier „meinen Traum zu verwirklichen, Basketball auf höchstem Niveau zu spielen“, schrieb der Slowene in einem auf seinen sozialen Netzwerkseiten veröffentlichten Brief. „Ich dachte, ich würde meine gesamte Karriere hier verbringen, und ich wollte euch so sehr die Meisterschaft holen.“ Er bedankte sich für die Unterstützung nicht nur in guten Zeiten, sondern auch dann, „wenn ich es am dringendsten gebraucht habe“. Er verlasse nun diese Stadt, die für ihn immer „eine Heimat entfernt von der Heimat“ war und sein werde. „Dallas ist ein besonderer Ort, und die Mavs-Fans sind besondere Fans. Danke euch aus tiefstem Herzen. Luka.“
Nowitzkis Frage nach dem Sinn
Die Reaktionen, die Doncic auf diese hochemotionalen Zeilen im Internet erhielt, drückten fast alle das Gefühl aus, das sich nach dem wohl unerwartesten Trade in der Geschichte der nordamerikanischen Profiliga NBA in der Basketball-Szene breitmachte: Ungläubigkeit. Luka Doncic wechselt zu den Los Angeles Lagers, und mit ihm musste auch der deutsche Nationalspieler Maximilian Kleber von Dallas nach Kalifornien umziehen. Im Gegenzug erhielten die Mavs den guten, aber keineswegs herausragenden Anthony Davis von den Lakers. „Ich dachte, es wären Fake News“, sagte Griechenlands Basketball-Superstar Giannis Antetokounmpo von den Milwaukee Bucks: „Das ist Wahnsinn.“ Bucks-Trainer Doc Rivers beschlich ein ähnliches Gefühl beim Vernehmen der Nachricht: „Wie alle anderen dachte ich, es sei von der KI generiert.“
Selbst der Mavericks-Ikone Dirk Nowitzki verschlug es angesichts des freiwilligen Transfers der Dallas-Bosse, der auf den ersten Blick überhaupt keinen Sinn ergibt, die Sprache. Der Meisterspieler von 2011 sendete via Online-Plattform X lediglich ein Emoji mit großen Augen. Mit Nowitzki staunte die ganze Basketball-Welt – inklusive des Transferierten. „Ich musste nachsehen, ob es nicht schon der 1. April war“, sagte Doncic, als er in Los Angeles offiziell vorgestellt wurde. Im ersten Moment habe er einen „großen Schock“ verspürt, gab der Aufbauspieler zu. „Es waren schwere Momente für mich.“ Medienberichten zufolge soll sich der Profi erst kurz vor Bekanntgabe des Deals ein 15 Millionen US-Dollar teures Haus in Dallas gekauft haben. Sein Vater Sasa Doncic berichtete im slowenischen Fernsehen, dass sein Sohn anfangs wirklich am Boden zerstört gewesen war. „Luka hat das absolut nicht verdient. Er hat Dallas wirklich respektiert.“

Doch selbst ein Superstar wie Luka Doncic ist in dem Geschäft machtlos, wenn die Bosse der Franchises einen Trade vollziehen wollen. Während in Europa Tauschgeschäfte ohne die Zustimmung der Profisportler auch gesetzlich untersagt sind, ist dies im nordamerikanischen Profisport gängige Praxis. Nur in Ausnahmefällen lassen sich die Bosse auf eine Klausel in Verträgen mit Spielern ein, die diesen ein Vetorecht einräumen. Doncic hatte so etwas nicht in seinem Arbeitspapier, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die Entscheidung zu akzeptieren und nach vorne zu schauen. Der 25-Jährige machte nach seiner Ankunft in L.A. gute Miene zum bösen Spiel. Er dürfe nun „im großartigsten Club der Welt spielen“, sagte er, „und ich freue mich auf diese neue Reise“. Es gehe ihm schon wieder „viel besser“, er sei jetzt sogar „sehr glücklich, hier diese Chance zu bekommen“. Er werde „mit der gleichen Freude, Leidenschaft und dem gleichen Ziel – Meisterschaften zu gewinnen – spielen“ wie in Dallas, versprach Doncic.

Bei den Mavericks war Doncic der unumstrittene Starspieler. Nach seiner Ankunft 2018 wurde er zum Nachfolger von Nowitzki aufgebaut, mit dem er noch eine Saison gemeinsam aufgelaufen war. Im vergangenen Jahr war Doncic durch den Finaleinzug ganz kurz davor, endgültig in Nowitzkis Fußstapfen zu treten und den NBA-Titel nach Dallas zu holen. Doch die Boston Celtics waren stärker. Aber auch ohne Meisterehren ist Doncic längst einer der herausragendsten Spieler in der NBA. Fünfmal wurde er noch vor seinem 25. Geburtstag ins Allstar-Team gewählt – eine zuvor unerreichte Bestmarke. Auch Superstar LeBron James gelang dieses Kunststück nicht. James und Doncic spielen künftig gemeinsam bei den Lakers in einem Team. Zwei Alphatiere, die beide den Ball haben und punkten wollen – kann das gut gehen? Diese Frage ist berechtigt, zumal James als enger Vertrauter von Davis gilt, der Richtung Dallas abgeschoben wurde. Und James wurde nicht in die Überlegungen der Club-Bosse eingebunden, er erfuhr wie jeder normale Basketballfan auch aus den Medien von dem Super-Trade.
James war völlig durcheinander

„Ich war völlig durcheinander“, berichtete James. „Als ich das erste Mal davon hörte, dachte ich, es sei definitiv eine Fälschung. Ich dachte, es wäre ein Scherz. Leute, die herumalbern oder so.“ Erst in dem Moment, als er Doncic persönlich bei den Lakers sah, sei ihm endgültig klargeworden, „dass es echt ist“. Aber ist es auch gut? James zeigte sich zumindest optimistisch. „Luka ist schon seit einiger Zeit mein Lieblingsspieler in der NBA“, sagte der 40-Jährige. Er habe während seiner ruhmreichen Karriere immer auch versucht, „die nächste Generation zu inspirieren, und Luka ist zufällig einer von ihnen, und jetzt sind wir Teamkollegen. Es wird also ein sehr nahtloser Übergang sein.“ Die Lakers rüsten sich mit Doncic also schon für die Zeit nach James, dessen Vertrag noch anderthalb Jahre gilt. Eine Soforthilfe ist Doncic nicht, weil er seit seiner hartnäckigen Wadenverletzung, die er sich um die Weihnachtszeit zugezogen hatte, noch immer nicht komplett fit ist. Ob er rechtzeitig für das Duell mit seinem Herzens-Club Dallas am 26. Februar zurückkehrt, war bei Redaktionsschluss offen. Unklar ist für viele auch die Entscheidungsgrundlage der Mavericks-Bosse. „Ich glaube, einen All-Defensive-Center und einen All-NBA-Spieler zu bekommen, gibt uns eine bessere Chance. Die Defensive gewinnt Meisterschaften“, erklärte Dallas’ General Manager Nico Harrison. Die Frage nach dem Warum beantworteten einige Medien aber auch mit Zweifeln an der Fitness von Doncic, der immer mal wieder mit kleineren Verletzungen ausgefallen war. Doch auch finanzielle Überlegungen dürften eine große Rolle gespielt haben. Doncic hätte nach der Saison einen Fünf-Jahres-Vertrag mit einem Gesamtvolumen von über 345 Millionen US-Dollar in Dallas unterschreiben können. Was aber erstaunt ist, dass die Mavs offenbar nur mit den Lakers über Doncic verhandelt haben. Lag das alleine an dem Wunsch, den ebenfalls verletzungsanfälligen 32-jährigen Davis nach Texas zu locken?
Die Mavericks verloren ihre ersten beiden Spiele nach dem Abschied von Doncic, Davis wirkte in diesen noch nicht mit. Dallas-Star Kyrie Irving äußerte sich hinterher betrübt über den Wechsel seines Teamkollegen, er sei „wirklich geschockt“ gewesen und befinde sich in einer Art „Trauerprozess“. Bei den Lakers lief es dagegen zunächst deutlich besser, auch wenn Doncic ebenfalls noch nicht auflaufen konnte. Auch Maximilian Kleber muss auf sein Debüt im Lakers-Dress wegen der Folgen einer Fraktur im rechten Fuß noch etwas warten. Auch er habe „verrückte Tage“ hinter sich, sagte der Defensiv-Allrounder. Es sei „viel los“ gewesen, er habe etliche Anrufe auf seinem Handy verpasst. „Ich bin zum ersten Mal getradet worden“, berichtete Kleber, der den Doncic-Deal ebenfalls als „Schock“ bezeichnete.
Theis erlebt die dunkle Seite

Auch Dennis Schröder war überrascht – und auch ein wenig angewidert von den Machenschaften im nordamerikanischen Profisport. „Am Ende des Tages ist es moderne Sklaverei. Jeder kann entscheiden, wohin du gehst, auch wenn du einen Vertrag hast“, sagte der Kapitän der Nationalmannschaft. „Natürlich verdienen wir viel Geld und können unsere Familien ernähren, aber wenn sie sagen ‚Du kommst morgen nicht zur Arbeit, du gehst dorthin‘, dann können sie das entscheiden. Daran müssen sie ein bisschen was ändern.“ Als Schröder das forderte, stand noch nicht fest, dass er selbst wieder einmal zum Wechsel-Objekt wurde. Der Aufbauspieler musste bei den Golden State Warriors seine Sachen packen und spielt künftig für die Detroit Pistons. Er war sozusagen zur Verhandlungsmasse geworden, weil die Warriors in einem komplizierten Trade-Geflecht unbedingt Jimmy Butler aus Miami zu sich lotsen wollten. Vielleicht hatte Schröder in Nordkalifornien aber auch noch gar nicht alle seine Sachen ausgepackt, denn dort war er erst im Dezember gelandet, um an der Seite von Superstar Stephen Curry einen Neustart anzugehen. Durch den schnellen Wechsel lief Schröder aber in nur 24 Spielen für Golden State auf (10,6 Punkte im Schnitt).
Aus deutscher Sicht erwischte es kurz vor Transferschluss aber nicht nur Schröder. Sein Kumpel Daniel Theis erlebte sogar eine noch dunklere Seite des Transfergeschäfts in der NBA. Zunächst war in den Medien sein Wechsel von den New Orleans Pelicans zu den Oklahoma City Thunders bekannt geworden – ein sportlicher Aufstieg für den Center. Gemeinsam mit Landsmanns Isaiah Hartenstein und dem MVP-Kandidaten Shai Gilgeous-Alexander hätte Theis plötzlich gute Titelchancen gehabt. Doch kurz nach dem Transfer entließ die Nummer eins im Westen den 32-Jährigen aus finanziellen Gründen wieder, wie Medien übereinstimmend berichteten. „Das ist die Welt, in der wir leben“, sagte Antetokounmpo zum Trade-Wahnsinn: „Es ist ein Geschäft.“