Gut zwei Wochen vor der Wahl und wenige Tage nach den heftigen Debatten im Bundestag haben sich die Spitzenkandidaten der Saar-Parteien einer Diskussion von FORUM und der Union Stiftung gestellt. Im Mittelpunkt standen Themen, die auch für die Zukunft des Saarlandes entscheidend sind.
Die saarländischen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aller Parteien, die derzeit im Bundestag vertreten sind, waren eingeladen, aber nicht alle wollten oder konnten sich der Diskussion stellen. Die Spitzenkandidatin des BSW entschuldigte sich aus Termingründen, von der AfD gab es erst gar keine Rückmeldung auf die Einladung.
Dafür lieferten sich Roland Theis (CDU), Esra Limbacher (SPD), Jeanne Dillschneider (Grüne), Oliver Luksic (FDP) und Michael Arndt (Die Linke) einen intensiven, zumeist sachlichen, aber zuweilen auch emotionalen Austausch von Argumenten und Positionen.
In gut 90 Minuten ging es vor allem um die Themen, die Menschen im Land besonders bewegen und für die Wahlentscheidungen von Bedeutung sind, wie etwa Wirtschaft, Arbeitsplätze, Zukunft der Kommunen, Klimaschutz.
Die komplette Diskussion gibt es als Mitschnitt auf der Internetseite der Union Stiftung (siehe Infokasten).
Wenige Tage nach den heftig umstrittenen und viel diskutierten Abstimmungen im Deutschen Bundestag drängte sich aber auch die Diskussion um die Migrationspolitik auf. Dazu dokumentieren wir die Kernaussagen die Positionen mit Zitaten aus den Eingangsstatements:
Esra Limbacher (SPD)
„Warum beschäftigt es uns so sehr? Nicht, weil wir im Bundestag in der letzten Woche darüber diskutiert haben. Der Auslöser sind schreckliche Gewalttaten, die uns nicht nur heute und hier, sondern für lange Zeit prägen, betroffen machen, und wir fühlen mit allen, die Opfer geworden sind, und auch mit ihren Familien. Das gehört dazu, weil wir als politisch Aktive die Verantwortung haben, nicht nur von Woche zu Woche zu entscheiden, sondern so zu agieren, dass die Menschen in unserem Land sicher leben können. Wir haben erlebt, dass ausreisepflichtige, zum Teil illegal eingereiste Migranten diese Gewalttaten begangen haben. Es wäre möglich gewesen, diese Taten zu verhindern. Hier hat der Staat versagt, das muss man offen sagen. Die Gesetzeslage hätte es hergegeben, dass diese Personen nicht mehr in unserem Land gewesen wären. Wir haben also offensichtlich ein Vollzugsdefizit in diesem Land, das behoben werden muss. Trotz allem, und das sage ich als Sozialdemokrat, der für öffentliche Sicherheit nicht nur Lippenbekenntnisse abgibt: Wir müssen an vielen Stellen der Gesetzeslage etwas ändern, härtere Regeln einführen und schneller abschieben. Das alles will ich aber nicht mit rechten oder linken Rändern in Zusammenarbeit machen, sondern mit der politischen Mitte.“
Roland Theis (CDU)
„Herr Limbacher hat zu Recht gesagt, dass der Ausgangspunkt der Diskussion die Gewalttaten waren, die uns alle bewegt haben. Meine Kinder gehen hier in Saarbrücken zur Schule. Ich habe zum ersten Mal nach diesen Gewalttaten gefragt: Wenn sie dort rausgehen, muss ich dann Angst haben? Ich will nicht, dass das Normalität wird. Genauso wenig wie wir uns daran gewöhnen sollten, dass Weihnachtsmärkte ausgestattet werden wie Schutzburgen. Deshalb erwarten die Menschen zu Recht, dass wir aufhören, nur Betroffenheit zu zeigen und dann wieder zur Tagesordnung überzugehen. Und deshalb war es richtig, diese Themen anzusprechen und die Menschen vor eine Entscheidung zu stellen: Ein „Weiter so“ mit ungesteuerter illegaler Migration, so wie es Rot-Grün offensichtlich will – oder aus der demokratischen Mitte heraus das Angebot der Union annehmen. Wir müssen gerade in der Migration differenziert diskutieren. Migration in den Arbeitsmarkt brauchen wir mehr, wollen wir sogar erleichtern. Migration in die Sozialsysteme brauchen wir weniger, und illegale Migration muss beendet werden. Natürlich zählen dazu auch Maßnahmen, die uns hier in der Grenzregion zunächst einmal wehtun. Ich darf erinnern: Die Grenzkontrollen sind von einer SPD-geführten Regierung eingeführt worden. Dass die nicht umsonst stattfinden, dass dort tatsächlich zurückgewiesen wird, das wollen wir zu einem Element der Migrationspolitik machen. Was an diesem Freitag auf dem Tisch gelegen hat (Das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union; Anm. d. Red.), waren teilweise Forderungen, die im SPD-Wahlprogramm stehen. Da hätte man zustimmen können. Ich glaube, dass da versucht wurde, Wahlkampf zu machen. Das ist schade, denn die Menschen erwarten Lösungen.“
Oliver Luksic (FDP)
„Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die demokratischen Parteien der Mitte das Thema lösen. Es ist ja ein Thema, das den Populisten ganz rechts und ganz links einen Riesenaufschwung verschafft. Wir haben für eine Überweisung an den zuständigen Ausschuss geworben, weil wir denken, es muss hier eine Lösung erzielt werden. Wir haben in der Ampel einige Verbesserungen hinbekommen, was Rückführungen betrifft, oder die Einführung der Bezahlkarte. Weitergehende Regelungen waren mit den Grünen schwer möglich. Es ist aber auch Aufgabe der Länder, das umzusetzen. Es wäre besser gewesen, diese Themen ein Jahr vor der Wahl hinzubekommen. Es vergiftet jetzt ein bisschen die Atmosphäre im Wahlkampf. Aschaffenburg und Solingen waren Einschnitte, da kann man kein business as usual machen. Wenn man sich den Antrag der Union („Zustrombegrenzungsgesetz“) anschaut, muss man ehrlich sagen, dass da gar nicht viel drin steht. Da steht drin, dass man das Wort „Begrenzung“ in das Gesetz aufnimmt, dass man den Familiennachzug für subsidiär Geflüchtete, die sowieso nur temporär Aufenthaltsrecht haben, einschränken soll, und dass man die Befugnisse der Bundespolizei ausweitet. Das ist eins zu eins der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, wo CDU, SPD und Grüne sitzen. Wir schlagen weiterhin vor, das zusammen mit einem anderen Gesetz der rot-grünen Bundesregierung zur Umsetzung der europäischen Asylpolitik zu beschließen. Das wäre ein wichtiges Zeichen der Handlungsfähigkeit der politischen Mitte.“

Jeanne Dillschneider (Die Grünen)
„Auch ich bin der Meinung, dass wir Lösungen in der demokratischen Mitte brauchen, nicht mit der AfD zusammen. In der Debatte werden allerdings viele Themen vermischt, die man eigentlich differenziert betrachten müsste. Gerade Migration wirft häufig ein Schlaglicht auf Probleme, die schon vorher da waren. Aus meiner Sicht müssen wir mehr über innere Sicherheit reden. Bei der Tat von Aschaffenburg war vor allem Behördenversagen die Ursache. Wir müssen unsere Sicherheitsbehörden personell und finanziell besser ausstatten, ihnen auch ein digitales Update geben, damit sie ihre Arbeit bestmöglich machen können, und wir müssen die Zusammenarbeit zwischen den Behörden in Kommunen, Ländern, Bund und auf europäischer Ebene verbessern. Wir haben auch ein Vollzugsdefizit. Zweitens ist es falsch, auf Symbolmaßnahmen zu setzen. Hier sind die Grenzkontrollen das beste Beispiel: Sie schaffen nicht mehr Sicherheit, sie sind kaum realistisch umsetzbar, es fehlen Zehntausende Beamte, um die Pläne umzusetzen. Und wir stoßen unsere europäischen Nachbarn vor den Kopf. Europäische Lösungen wird es mit dem Vorschlag der Union nicht geben. Wir haben uns mit der Ampel in vielen Punkten bewegt, die GEAS-Reform (Gemeinsames Europäisches Asyl-System; Anm. d. Red.) ist in vielen Punkten kritisch zu sehen, aber immerhin ist sie eine gemeinsame Lösung. Und letzter Punkt: Wir vergessen viel zu häufig, dass wir hier über Menschen reden. Es ist falsch, Menschen mit Migrationshintergrund oder Geflüchtete zur Ursache für alle Probleme in diesem Land zu machen. Das ist eine populistische Debatte. Wir reden über Familien, über Menschen, die Schutz suchen. Und dass Asylsuchenden Schutz zu gewähren ist, dass die Menschenwürde unantastbar ist, das steht nicht im Grünen-Wahlprogramm, ist nicht ‚grüne Ideologie‘, das steht so im Grundgesetz.“
Michael Arndt (Die Linke)
„Das Land braucht keinen Populismus, wie er seit zehn Jahren stattfindet, den eine bestimmte Partei erst hochgebracht hat. Zunächst: Wir sind wirtschaftlich abhängig von Migration. Die Rentenkassen könnten heute schon nicht mehr finanziert werden, wenn wir nicht die Zuwanderer der letzten Jahrzehnte bei uns hätten. Natürlich sind wir für das im Grundgesetz verbriefte Asylrecht. Es muss aber natürlich – im Einzelfall – geprüft werden. Grenzen zu schließen, halte ich gerade für das Saarland als Grenzland für sehr problematisch. Man muss auch sagen: Viele, die zu uns kommen, wollen ja arbeiten. Deshalb steht die Linke für Arbeit vom allerersten Tag an. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber muss fallen. Die Leute müssen in anständige Arbeitsverhältnisse und damit Sozialbeiträge zahlen, wir müssen die Ghettoisierung verhindern, und wir müssen letztendlich verhindern, dass Gewalttäter, Straftäter, Gefährder gleich welcher Couleur, auf unseren Straßen marschieren. Wir brauchen innere Sicherheit, und die muss durchgesetzt werden.“
Zum Schluss hatten alle die Möglichkeit, in einem kurzen einminütigen Statement Werbung für ihre Kandidatur und ihre Partei zu machen.
Warum Die Linke wählen?
Michael Arndt: „Wir stehen für einen Mindestlohn von 15 Euro, für eine Mindestrente von 1.400 Euro, für den Mietendeckel und eine Milliardärssteuer. Unser Programm ist sozial ausgerichtet und einfach gut. Meine Kernkompetenz ist der Gesundheits- und Pflegebereich. Wir müssen das Wissen mit der Industrie verknüpfen, neue, innovative Industrien ansiedeln, gerade in der pharmazeutischen Industrie. Wir müssen die Automobilindustrie auch durch staatliche Subventionen unterstützen. Kurzum: Linke Politik statt Populismus. Innovativ. Konstruktiv. Saarland.
Warum die FDP wählen?
Oliver Luksic: „Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung. Die Parteien in der Mitte müssen die Migration ordnen, wir brauchen mehr Fachkräfteeinwanderung in den Arbeitsmarkt, aber weniger unkontrollierte Migration. Wir brauchen vor allem eine Wirtschaftswende, weil wir in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich zurückgefallen sind. Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung werden sehr, sehr viel Geld kosten. Das muss eine Reformregierung der Mitte lösen, sonst werden die Ränder 2029 noch stärker werden. Es ist wichtig, in Berlin viel für das Saarland zu bewegen, da konnte ich sehr viel bewegen. Die FDP hat die Notbremse ziehen müssen, weil es in der Ampel nicht möglich war, diese Wende hinzubekommen. Wir brauchen eine schwarz-gelbe oder eine Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb), um Wirtschafts- und Migrationswende hinzubekommen. Alle, die weltoffen und leistungsbereit sind, lade ich ein, FDP zu wählen.“
Warum die Grünen wählen?
Jeanne Dillschneider: Statt zurück in die Vergangenheit wollen wir auf die Zukunft hinarbeiten. Das können wir schaffen, indem wir auf Zukunftstechnologien, auf erneuerbare Energien setzen, unsere Wirtschaft diversifizieren, uns breit aufstellen, nicht nur Industrie in den Blick nehmen, sondern auch Start-ups, Handwerk und Mittelstand. Wir brauchen eine starke Infrastruktur auch hier im Saarland, wir müssen unsere Kommunen dabei stärken, wichtige Investitionen zu tätigen, und damit auch unser Land so zu gestalten, dass es funktioniert, sei es beim Kitaplatz, beim Arzttermin oder beim ÖPNV. Wir wollen ein bezahlbares Leben, einen sozialen Klimaschutz, von dem die Menschen etwas haben. Und vor allen Dingen: Wir haben einen Kanzlerkandidaten, der Menschen in den Mittelpunkt seiner Politik rückt und sein Wort hält. Das ist auch mein Anspruch, und dafür kandidiere ich.“
Warum die CDU wählen?
Roland Theis: „Deutschland im Jahr 2025 ist leider der kranke Mann Europas. Was uns schwach macht, ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Der zentrale Punkt ist Wettbewerbsfähigkeit mit einer echten Wirtschaftswende. Das hat viele Facetten: Die Rückkehr zu einer echten sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, dafür zu sorgen, dass Unternehmen wieder mehr Freiheiten haben, dass die Leistungsträger entlastet werden, dass mit einer echten Steuerreform die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden, die den Spitzensteuersatz nicht schon beim Facharbeiter beginnen lässt und die dafür sorgt, dass jemand, der Überstunden macht, nicht nur für den Fiskus arbeitet. Wir brauchen einen Rechtsstaat mit Autorität, der die Menschen wirklich schützen kann, der Opfer besser schützt als Täter. Und wir brauchen eine Politik, die unser Land sicher macht, den Frieden schützt. Dafür brauchen wir eine echte europäische Zeitenwende. Wir müssen dafür sorgen, dass wir uns besser verteidigen können, damit wir uns nie verteidigen müssen.“
Warum die SPD wählen?
Esra Limbacher: „Wir haben viel über Probleme und Herausforderungen gesprochen. Was wir dabei nicht vergessen sollten: Diese Probleme sind lösbar. Wir können das schaffen, wenn wir stärker in den Wirtschaftsstandort Deutschland investieren, unsere Industrie zukunfts- und wettbewerbsfähig machen, aber gleichzeitig diejenigen nicht vergessen, die diesen Aufbruch und Wohlstand erarbeiten, die arbeitende Mitte. Wir brauchen gerechte Renten, von denen die Menschen leben können, faire Löhne, von denen die Menschen leben können. Für all das steht die SPD. Und ich glaube: In stürmischen Zeiten brauchen wir stabile Mehrheiten in der Mitte. Deshalb mein Aufruf: Wählen Sie demokratisch, am besten sozialdemokratisch.“