Donald Trump will mit der Abrissbirne ein anderes Amerika schaffen
Kein US-Präsident ist mit einer derartigen Schnelligkeit und Wucht gestartet wie Donald Trump in seine zweite Amtszeit. Die Anzahl seiner Dekrete und Ankündigungen in den ersten vier Wochen ist schwindelerregend. Man ertappt sich immer wieder bei der Frage: „Hat er das wirklich gesagt?“ Und schon kommt der nächste Trump-Hurrikan.
Trumps erste Amtszeit war in vielerlei Hinsicht spektakulär, ungewohnt und überfordernd. Doch der zweite Durchgang bringt noch einmal eine monumentale Steigerung. Die Pläne für eine Annexion von Grönland und Kanada oder die Inbesitznahme des Gazastreifens sind gleichbedeutend mit einer Pulverisierung der internationalen Ordnung nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Landesgrenzen waren sakrosankt.
Trump ist in dieser Hinsicht ein außenpolitischer Zerstörer. Das Gleiche gilt für seine Zollpolitik: Die Abschottung der amerikanischen Wirtschaft ist eine Aufkündigung des viele Jahre bestehenden Konsenses über die Globalisierung. Demnach waren die Lieferketten von Unternehmen über den gesamten Globus verteilt. Die Weltwirtschaft funktionierte durch Arbeitsteilung. Trumps „America First“-Nationalismus ist das Gegenteil davon.
Der Kurs des US-Präsidenten fällt in Stil und Inhalt aus dem historisch bekannten Rahmen. Politik ist für ihn eine gigantische Zirkusveranstaltung. Das Spiel mit Drama und Emotionen hat Trump in den Jahren nach 2004 als Star der Reality-TV-Show „The Apprentice“ („Der Auszubildende“) perfektioniert. Er war der Fernsehgott, der den Daumen über die Kandidaten
hob oder senkte.
Der Chef des Weißen Hauses wendet die Spannungselemente aus dem Unterhaltungsbusiness auch in der Politik an: Viel Show, jede Menge Effekte, ein Wirbelwind an neuen Bildern. Dem Publikum wird dabei schwummrig, dass es darüber ganz vergisst, wo alles angefangen hat und wo es möglicherweise endet.
Trumps Politik scheint zwar keinem stringenten Plan zu folgen. Aber es ist ein bisschen wie in Shakespeares Rachetragödie „Hamlet“. Darin sagt Polonius den berühmten Satz: „Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.“ Der US-Präsident hat den Tech-Milliardär Elon Musk mit der Mission betraut, den hohen Staatsetat durch Effizienz-Vorgaben radikal zu kürzen.
Doch Musk hat zu einem irrwitzigen Kahlschlag angesetzt, der Trump als innenpolitischen Zerstörer entlarvt. Er will nicht nur das Bildungs- und Entwicklungshilfeministerium abschaffen – letzteres war seit 1962 ein wichtiges Bollwerk im Kampf gegen die Ausbreitung von Krankheiten und Pandemien in ärmeren Ländern. Musk plant auch, Tausende Angestellte der Bundespolizei FBI zu feuern, die die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 durch einen von Trump angestachelten Mob untersucht hatten. Auch dem Auslandsgeheimdienst CIA droht ein personeller Aderlass.
All diese Vorhaben sind nicht durch die US-Verfassung gedeckt. Nicht einmal ein formeller Regierungsvertreter – was Musk nicht ist – dürfte am Kongress vorbei derartige Brachial-Aktionen durchführen. Der Präsident setzt Musk als Höllenhund ein, um einen Rachefeldzug gegen seine politischen Gegner zu starten. Gemäß den Verschwörungstheorien, die Trump seit Jahren streut, machen finstere Kräfte im „deep state“ eine Kampagne gegen ihn. Nach dieser Lesart hat ihm der „tiefe Staat“ auch den Wahlsieg 2021 gestohlen.
Der Präsident fühlt sich sicher, weil das System der US-Gewaltenteilung („checks and balances“) Schlagseite hat. Die beiden Parlamentskammern des Kongresses sind mehrheitlich in der Hand der Republikaner. Die einst stolze „Grand Old Party“ wurde unter Trump zu einem Jubelchor des Präsidenten, für den politische Kontrolle zu einem Fremdwort geworden ist. Und das Verfassungsgericht gibt Trump immer wieder juristischen Flankenschutz.
Amerika, nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang die demokratische Führungsmacht des Westens, ist auf dem Weg zu einem autoritären Staat. Ende offen. Es gibt allerdings zaghafte Zeichen der Hoffnung. So hat ein Gericht den Zugang von Musks Team zum Bezahlsystem des Finanzministeriums vorerst untersagt. Auch aus einzelnen Bundesstaaten kommt Widerstand. Und im November 2026 finden die Zwischenwahlen zum Kongress statt. Wenn die Demokraten zumindest eine Kammer gewönnen, gäbe es die Chance, dass in den USA wieder so etwas wie Opposition entsteht.