Das „Crackers“ feiert sein zehnjähriges Bestehen und ist Teil des legendären Imperiums von Cookie Heinz Gindullis. Ein Besuch in der angesagten Location an der Friedrichstraße.

Unverhofft kommt oft. Oder auch sehr spät. Ich weiß nicht, wie viele unzählige Male ich in den vergangenen zehn Jahren achtlos an dieser Tür vorbeigelaufen bin. Erst vor wenigen Wochen nahm ich jene unscheinbare Tür an der Friedrichstraße 158 zum ersten Mal bewusst wahr. Ich bin einer Einladung zum zehnjährigen Bestehen des „Crackers“ gefolgt und habe eine der angesagtesten Locations der Stadt kennengelernt.

Doppelspitze in der Küche vereint die Kochleidenschaft
Zwei, drei Wochen später bin ich erneut dort, diesmal mit einer Freundin. Zielsicher öffne ich die schwere Eisentür, wir gehen durch den dunklen Gang dahinter und kommen zu einer weiteren Tür. „You’re fucking free“ steht auf einem Neonschild darüber. Wir brauchen keine Klingel und auch keine Beschwörungsformel à la „Sesam öffne dich“, sondern nur die Freiheit, auch diese Klinke einfach herunterzudrücken und weiterzugehen. Dass wir dann neben der Küche landen, sorgt bei meiner Begleiterin für dasselbe Staunen, das auch ich bei meinem ersten Besuch hatte. Nein, wir sind nicht durch die falsche Tür gegangen. Vorbei am Küchenpass gelangen wir schließlich in den Gastraum, den ehemaligen „Cookies Club“.

Die hohen Decken und das gedämpfte Licht geben dem fensterlosen Raum eine besondere Atmosphäre. An der Stirnseite des Gastraumes befindet sich die beeindruckende Bar. Der Dining-Bereich schwebt wie eine Insel in der Mitte. Dort haben sich schon die ersten Gäste an Holztischen und mit grünem Stoff bezogenen Bänken und Stühlen niedergelassen. Entworfen wurde die unaufdringliche Eleganz von den Architekten Laura Rave und Jörg Schumann.
Der Erfinder von „Crackers“ ist kein Geringerer als der stadtbekannte Gas-tronom Heinz Gindullis, auch „Cookie“ genannt. Er wuchs in London auf und zog 1992 in die deutsche Hauptstadt.
Cookie begann als Tellerwäscher und arbeitete sich hoch bis zum Barkeeper. Im November 1994 eröffnete der Wahl-Berliner dann seine erste Bar an der Auguststraße in Mitte. Berüchtigt für seine legendären Partys der Berliner Underground-Szene, musste er seinen Club an sieben verschiedenen Orten eröffnen und wieder schließen, bis der Entrepreneur sich 2007 schließlich an der Friedrichstraße niederlassen konnte. Als Vegetarier eröffnete Cookie das erste vegetarische Restaurant Deutschlands, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Nach der Schließung des Clubs 2014 eröffnete Heinz Gindullis dort ein neues Restaurant namens „Crackers“.

Seine Küche wird seit mehreren Jahren von Patrick Ziegert und Felix Klawitter als Doppelspitze angeführt. Die beiden 31-Jährigen kennen sich seit der Corona-Zeit, in der sie sich erst eine Wohnung teilten und dann anfreundeten. Patrick Ziegert kommt ursprünglich aus Freiburg und wollte zunächst Nautik studieren, bevor er sich für seine Leidenschaft hinter dem Herd entschieden hat. Sein Handwerk hat der heutige Küchenchef im Hamburger Restaurant „Tiefenthal“ gelernt. 2020 stieß er als Souschef zum „Crackers“. Ein Jahr später erhielt er die Auszeichnung „Sous Chef of the Year“ vom Fachmagazin „Rolling Pin“.
Sein Partner Felix Klawitter hat im Restaurant des „Adlon“ und unter anderem in dem von Tim Raue geleiteten „Sra Bua“ gelernt, ein Studium als Koch-Berufsschullehrer absolviert und halbtags in der Küche des Kreuzberger „Orania“ gearbeitet.
Zur Einstimmung beginnen wir zunächst mit einem Aperitif. Ich wähle wie bei meinem ersten Besuch an der Friedrichstraße meinen neuen Lieblings-Drink: Der Sechs-Kräuter-Cocktail besteht nicht nur aus diversen Kräutern, sondern auch aus hausgemachtem alkoholfreiem Wermut, Kiwi und weißer Schokolade. Damit ist mein Drink perfekt austariert zwischen süß, leicht sauer und herb. Zum Grünzeug hat es auch meine Begleiterin gezogen, die sich für einen Garden Tonic entscheidet. „Das ist eine Geschmacksexplosion“, findet sie. „Es gibt viele Nuancen, es ist bitter und schmeckt nach Kräutern. Dabei bin ich eigentlich gar keine Gin-Liebhaberin“, sagt sie und nippt ein weiteres Mal an ihrem Glas.

Als Amuse-Gueule naschen wir etwas von dem knackigen, sauer eingelegten Gemüse von Bauer Peter aus dem brandenburgischen Krielow. Dazu gibt es hausgebackene Brioche und aufgeschlagene Nussbutter. „Wir versuchen, die Zutaten so regional wie möglich dazu zu besorgen“, berichtet uns Küchenchef Felix Klawitter später im Gespräch. Das Fleisch stammt aus nahe gelegener Freilandhaltung und der Fisch aus Wildfang oder streng ökologischen Aquakulturen.
Geschmacklich durchdekliniert
Dann kommen einige köstliche Vorspeisen hinzu, wie etwa eine leckere Rote-Bete-Suppe, die an einen osteuropäischen Borschtsch angelehnt und mit Kerbel und Dill verfeinert ist. Mit Genuss probieren wir auch von den Klassikern wie etwa dem Tatar. „Das haben wir schon seit zehn Jahren auf der Karte“, sagt Küchenchef Felix Klawitter. Dass das ein Evergreen ist, können meine Begleiterin und ich gut nachvollziehen, als wir von der Komposition aus von Hand geschnittenem Rindfleisch mit Bio-Eigelb, Worcestershiresauce, Paprika und frittierten Kapern kosten. Ein weiteres Highlight für uns beide ist auch die überaus cremige Burrata an Wirsing-Kimchi und Birnen-Chutney an Senfsaat.

Beim Fisch aber trennen sich unsere Wege. Schade, dass sich meine Begleiterin nicht an die Interpretation der peruanischen Ceviche des Küchen-Duetts herantraut. „Ich mag den Geschmack von Meeresfrüchten und Fisch einfach nicht“, sagt sie, während ich Bissen für Bissen kleine Stückchen vom Bachsaibling genieße. Das Filet ist mariniert in einer Tigermilch aus Limettensaft, Koriander, Ingwer und Chili. Als Koriander-Liebhaberin ist diese Komposition ganz nach meinem Geschmack. Ich weiß aber auch, dass sich bei jener grünen Heilpflanze, deren Samen auch am Grab von Tut-anchamun gefunden worden sein sollen, die Geschmäcker streiten. Manche sollen ja mit dem Kraut auch den Geschmack von Seife assoziieren. Diese Verbindung wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich persönlich finde dieses Kraut sehr ausdrucksstark und geschmacksintensiv.
Tiefenaromatisch wird es dann erneut beim Mais-Hühnchen aus der nahe gelegenen Prignitz mit Sucuk-Marmelade, das wir beide wieder solidarisch teilen. Ich habe gar kein Faible für Wurstspezialitäten, aber diese mit Kardamom, Honig und Zimt verfeinerte Paste finde ich schon sehr raffiniert. Während meine Begleiterin zufrieden an einem Glas Grauburgunder der Ingelheimer Winzerin Simone Adams nippt, koste ich schon einmal von dem leckeren, veganen Gyoza, gefüllt mit Spitzkohl, Paprika und Kartoffeln. „Das Ganze ist angelehnt an Szegediner Gulasch“, berichtet uns Felix Klawitter.

Geschmacklich durchdekliniert bis ins kleinste Detail sind auch die Beilagen. So etwa die handgeschnittenen, zweifach frittierten Pommes und die grünen Bohnen. „So knackig und lecker“, freut sich meine Begleiterin über das Gemüse.
Wir fragen bei den Küchenchefs nach und erfahren, dass der Clou an den Gewürzen wie etwa Thymian, Liebstöckel und Knoblauch liegt. Dabei ist auch Bohnenkraut. „Das vergisst man allzu oft“, sagt Felix Klawitter. „Erwähnst du auch, dass sie alle so nett hier sind?“, fragt meine Freundin schließlich am Ende des Abends. Tatsächlich erlebe auch ich alle, mit denen wir an diesem Abend hier zu tun haben, als überaus zugewandt und herzlich. Das fühlt sich nach sehr viel mehr an als nur nach rein professioneller Freundlichkeit. „Wir arbeiten hier wirklich alle gern, und das Team versteht sich sehr gut“, bestätigt mir auch Restaurantleiter Christopher, der uns durch den Abend geleitet. Zufrieden nehmen wir noch einen Absacker. Dann trennen sich unsere Wege.
Müsste ich Punkte an diese Location vergeben, dann wären es wahrscheinlich 100 von 100 Punkten. Nicht nur aufgrund all der kulinarischen Köstlichkeiten, die wir an diesem Abend kosten durften, sondern auch wegen des einzigartigen Wohlfühlfaktors.