Drei Fragen
„Klimafragen sind auch soziale Fragen“
Klimapolitik muss für alle Bevölkerungsteile bezahlbar sein, mahnt der Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen, Prof. Hans-Martin Henning – auch für den ärmeren Teil.
Herr Professor Henning, wie erklären Sie sich, dass der Kampf gegen den Klimawandel in diesem Bundestagswahlkampf eine untergeordnete Rolle spielt?
Natürlich wird im Moment der Wahlkampf durch das Thema Migration sehr dominiert. Und ja, wir sehen es bei den Umfragen, das Thema Klima steht, je nach Institut, irgendwo an Nummer vier oder fünf bei den Themen, die die Wählerinnen und Wähler bewegen. Aber das Thema wird zurückkommen. Ich meine, wir sehen auf der anderen Seite die Auswirkungen des Klimawandels an vielen Stellen. Wir haben jetzt die Feuer in San Francisco gesehen, wir hatten die Überschwemmungen in Nordspanien im Herbst letzten Jahres. Also insofern ist es dem Klimawandel egal, was gerade öffentlich diskutiert wird.
Hängt der weitgehende Verzicht auf das Klimathema im Wahlkampf auch mit den sozialen Auswirkungen der bisherigen Maßnahmen für die Menschen zusammen?
Das will und kann ich nicht ausschließen. Ich muss einräumen, dass etliche Maßnahmen doch eher den vermögenden Teil der Bevölkerung ansprechen und unterstützen. Und wenn es nicht gelingt, Klimaschutz stärker auch in den weniger vermögenden Bevölkerungsteilen zu verankern und Maßnahmen zu implementieren, die dann für alle auch bezahlbar sind, die damit auch ihre Lebenswirklichkeit abbildet, dann wird es schwierig, dass die kommende Bundesregierung auf dem Weg zur Klimaneutralität erfolgreich ist, weil die Akzeptanz weiter fehlen wird.
Was empfehlen Sie der zukünftigen Bundesregierung? Trotz der bisherigen Maßnahmen könnten wir die gesteckten Klimaziele nicht erreichen.
Wir hatten zu viele Maßnahmen von Einzelpolitikern, die mit den anderen Ministerien nicht abgestimmt waren. Es braucht einen kohärenten Gesamtansatz, also kein Stückwerk der einzelnen Ressorts, die dann in der Gesamtbilanz aufgerechnet werden. Das funktioniert im Gesamtergebnis für das Klima nicht. Bei der Energiegewinnung sind wir derzeit gut, im Bereich der Mobilität und Gebäude haben wir noch viel Luft nach oben. Das heißt, die zukünftige Regierung muss sich erst mal zusammensetzen und die Frage klären: Wo wollen wir denn dieses Land in fünf Jahren sehen? Aus den Antworten ergibt sich dann womöglich eine konsequentere Politik für das Klima. Interview: Sven Bargel

Jugendliche Sorgen
Kriege, Extremismus, Klimawandel, Migration: Auf der Sorgenliste der Jugendlichen stehen weiter bekannte Themen. Wie aus der aktuellen Sinus-Jugendstudie hervorgeht, nannten 59 Prozent der Befragten im vergangenen Jahr Kriege als Thema, das ihnen Sorgen bereitet. Im Vorjahr hatte der Wert noch bei 53 Prozent gelegen – die Sorge vor Kriegen führt laut der Krankenkasse Barmer schon seit 2022 die Liste an. Auf dem zweiten Platz rangiert demnach die Sorge vor politischem Populismus und Extremismus. Dieser bereitet der Studie zufolge 42 Prozent der Befragten Sorgen. Ebenfalls 42 Prozent nannten die Umweltverschmutzung, 41 Prozent den Klimawandel. Einem Drittel macht die Migration Sorgen. Für die repräsentative Jugendstudie hatte das Sinus-Institut im Auftrag der Krankenkasse Barmer von Mitte September 2024 bis Anfang Oktober 2024 2.000 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren in Online-Interviews befragt.
Zu wenig Geld zum Heizen
Rund jeder siebte Saarländer kann seine Wohnung mangels Geld nicht adäquat heizen. Dies geht aus einer Correctiv-Recherche hervor. Die Reaktionen der saarländischen Parteien sind gemischt. Die CDU zeigt sich nicht verwundert über diese Zahlen, da das Saarland deutschlandweit mit am härtesten von den derzeitigen Krisen betroffen sei. Sie will mit einem Klimabonus die Bürger entlasten und sozial schwächere Personen stärker unterstützen. Die AfD nennt die Situation einen „Skandal“. Gegen die hohen Energiepreise fordert die AfD, Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen und billiges Gas aus Russland zu kaufen. Die SPD-Fraktion hingegen sieht in fossilen Energien keine Zukunft und setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Zudem sollen Förderprogramme energetische Sanierungen unterstützen. Ein Klimageld, wie es die CDU jetzt fordert, sei in der Ampel an der FDP gescheitert. Das viel umstrittene Gebäudeenergiegesetz habe immerhin dazu beigetragen, dass die Preise für Wärmepumpen inzwischen deutlich gesunken seien.
Offenes Europa gegen Trump
Als Antwort auf Chinas Angriff auf Schlüsselindustrien und die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump soll sich die nächste Bundesregierung nach Aussage des Kiel Instituts für Weltwirtschaft demonstrativ zur EU bekennen. „Europa sollte sich als Champion von Offenheit und Liberalisierung behaupten – beispielsweise, wenn es um Freihandelsabkommen geht oder darum, eine strategische Partnerschaft mit dem afrikanischen Kontinent aufzubauen“, sagt IfW-Präsident Moritz Schularick. Gemeinsam habe die EU eine starke Marktmacht, die eingesetzt werden könne, um handelsbeschränkenden Maßnahmen entgegenzuwirken und einen fairen internationalen Wettbewerb zu ermöglichen. Auch höhere Investitionen in Verteidigung in Europa sollten Teil der strategischen Antwort auf die unberechenbare Handelspolitik von Trump sein. Auch kritische Infrastrukturen müssten geschützt und die Versorgung mit kritischen Rohstoffen sichergestellt werden, heißt es.
Bündnis für Demokratie
Wenige Tage vor der Bundestagswahl hat sich ein breites gesellschaftliches und religiöses Bündnis unter dem Titel „Zusammen für Demokratie“ gebildet. Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Amnesty International Deutschland und dem Paritätischen Gesamtverband beteiligen sich auch die deutschen Kirchen und die Türkische Gemeinde. Prominente Gesichter sind unter anderen Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin, und der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands, Gökay Sofuoglu. Ziel des Bündnisses ist es, gegen eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft aufzutreten und den Dialog zu fördern. Miteinander sprechen sei immer besser als übereinander zu reden, bringt es das Bündnis auf den Punkt. Nach dem Abstimmungseklat im Bundestag Anfang Februar, als Entschließungsanträge der Unionsfraktion mit den Stimmen der AfD durchgesetzt wurden, hatten sich auch die katholische und evangelische Kirche sehr kritisch dazu geäußert.
Gut vorbereitet

Rund 675.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer werden bei der Bundestagswahl am 23. Februar im Einsatz sein. Damit ist eine ordnungsmäße Wahl auf jeden Fall gesichert, sagte Bundeswahlleiterin Ruth Brand und gratulierte den Landeswahlleitern zu dieser Leistung. Es ist die am kürzesten angesetzte Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik. Manche Großstädte allein benötigten für die Bundestagswahl bis zu 10.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, so Brand. Bei der Wahl wird es demnach insgesamt rund 90.000 Urnen- und Briefwahlbezirke geben. In jedem Wahllokal und für jeden Briefwahlbezirk gibt es einen Wahlvorstand, der sich aus Wahlvorsteher, einer Stellvertretung und drei bis sieben Beisitzern zusammensetzt. Der Wahlvorstand ist unter anderem für die Organisation und Überwachung der Wahl zuständig und zählt nach Schließung der Wahllokale auch die abgegebenen Stimmen aus. Die Auszählung kann von jedem Bürger als freiwilliger Wahlbeobachter nach vorheriger Anmeldung beim Wahlvorstand überwacht werden.

Deutsche Bahn
Leere Bahnhöfe
In den vergangenen 30 Jahren ist jedes zweite Empfangsgebäude der Deutschen Bahn AG verkauft worden und befindet sich in Privateigentum. Nicht mal jeder vierte Bahnhof gehört damit der Bahn, jeder fünfte den Kommunen, die allerdings kaum eine Nachnutzung für die Gebäude vorweisen können, womit diese ungenutzt dem Verfall preisgegeben sind. „Wir sollten uns nicht damit abfinden, dass Hunderte Bahnhofsgebäude bundesweit leer stehen oder sogar verfallen“, moniert der Geschäftsführer der Allianz Pro Schiene, Dirk Flege. „Zur Verkehrswende gehört, dass wir Bahnhöfe für mehr Zugreisende ertüchtigen. Das bedeutet auch attraktive Empfangsgebäude.“ Ursache für den groß angelegten Verkauf von Bahnhofsgebäuden um die Jahrtausendwende war der angedachte Börsengang der Bahn. „Das Ergebnis ist, dass fast 80 Prozent der Empfangsgebäude heute nicht mehr der Deutschen Bahn gehören. Das macht die Weiterentwicklung der Gebäude im Sinne der Reisenden und der Verkehrswende auf der Schiene nicht eben einfacher“, kritisiert Flege.
Probleme bei der Drohnenabwehr

Laut Bundeswehr soll kürzlich bereits der sechste Spähflug unbekannter Drohnen über dem Luftwaffenstützpunkt Schwesing in Schleswig-Holstein stattgefunden haben. Das Besondere beim letzten Einsatz am zweiten Februar-Wochenende: Die Drohnen standen in der Luft und haben vermutlich Luftbilder von dem Areal gemacht. Die Luftwaffenbasis bei Husum ist ein besonders sensibler Ort, dort werden auch ukrainische Soldaten am Patriot-Luftabwehrsystem für ihren Einsatz in ihrem Land ausgebildet. Im Bundeswehr-Lagebericht heißt es wörtlich: „Die gesichteten Mehrflügler schwebten mit eingeschalteten Positionslichtern minutenlang auf der Stelle.“ Es sei vergeblich versucht worden, die Drohnen mittels Störsendern und anderem Gerät von ihrem Kurs abzubringen oder zur Landung zu zwingen. Aufgrund der Wirkungslosigkeit der Abwehrmaßnahmen sei davon auszugehen, dass es sich nicht um handelsübliche, sondern um spezialisierte Drohnen handele. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) vermutet hinter der Attacke den russischen Geheimdienst.

Kindergrundsicherung
Kinderarmut kaum Thema
Die jetzt abtretende Bundesregierung habe bei der Umsetzung einer Kindergrundsicherung völlig versagt, bringt es VdK-Präsidentin Verena Bentele auf den Punkt, die gleichzeitig Sprecherin des Bündnisses Kindergrundsicherung ist. Wenn man sich die aktuellen Wahlprogramme der Parteien ansehen würde, böten diese wenig Hoffnung, dass die Einführung einer echten Kindergrundsicherung in der nächsten Legislaturperiode Realität wird. „Kinderarmut betrifft in Deutschland viel zu viele Kinder“, so Bentele. „Es muss heute, nicht morgen etwas dagegen getan werden. Investitionen in Kitas und Schulen sind wichtig, aber reichen bei Weitem nicht aus. Es ist besorgniserregend, dass Kinderarmut in den meisten Wahlprogrammen nur am Rande auftaucht.“ Auch die Präsidentin des Kinderschutzbundes Sabine Andresen warnt: „Armut und ihre Folgen für Kinder und Jugendliche in Deutschland verschwinden nicht, wenn wir nicht darüber sprechen. Armut ist eine Realität, die alle Bereiche des Aufwachsens beeinträchtigt.“ Das Bündnis Kindergrundsicherung macht sich seit 2009 für eine echte Kindergrundsicherung stark.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Stell Dir vor, es ist Bundestagswahlkampf und niemand redet über Europa. Wir ereifern uns über Migration, Wirtschaftskraft oder Bürgergeld. Alles wichtige, berechtigte Anliegen. Und doch: Ohne Europa ist Deutschland nichts. Warum also fehlt das Thema derzeit?
Dabei ist die Europäische Union (EU) für Deutschland von zentraler Bedeutung. Die offenen Grenzen des Binnenmarktes gewähren uns als Exportnation freie Fahrt für Menschen und Waren. Mit 80Jahren Frieden unter den EU-Völkern leben wir in der friedlichsten Phase deutscher Geschichte. Die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik sichert uns globalen Einfluss – Deutschland ist international nicht allein.
Warum also sprechen wir nicht darüber, wie deutsche Politik das gemeinsame Haus Europa in den nächsten Jahren zu gestalten gedenkt? Klar, Europa ist ein komplizierter Zuständigkeitsdschungel. In seinem Geflecht tummeln sich 27 Mitgliedsstaaten und gesellschaftliche Systemen. Aber gerade deshalb sollte Politik zum Entwirren beitragen!
Mir fehlen Debatten darüber, wie wir die EU schlanker und schlagkräftiger machen könnten. Mir fehlen Visionen und Fantasien über eine volksnähere Union. Mir fehlt generell Begeisterung für das größte sanftmütige Gemeinschaftsprojekt der Menschheit.
Klar, Europa lässt sich nicht auf Knopfdruck auffrischen. Aber es lohnt sich, an der Renovierung zu arbeiten. Die Ukrainer sind sogar bereit, für die europäische Perspektive zu sterben. Wir Deutsche sollten als EU-Schlüsselland nicht so tun, als ginge uns die Integration mit unseren Nachbarn nichts an.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.