Eine Annäherung an Verfassungsfeinde hat weitreichende Konsequenzen
Demokratische Systeme stehen in Krisenzeiten vor besonderen Herausforderungen – wir in der Bundesrepublik können davon aktuell ein Lied singen. Gesungen wird dieses nicht zuletzt auf großen Demonstrationen, die sich nach der Abstimmung im Bundestag bildeten, in der die CDU eine Unterstützung der AfD für ein – ohnehin weitgehend wirkungsloses – Migrationsgesetz bewusst einkalkulierte. Dies war eine direkte Reaktion auf ein spezifisches Krisenempfinden und damit nicht zuletzt eine hochemotionale Situation.
Man muss sich aber dabei vor Augen halten, dass solche und andere wirtschaftliche, gesellschaftliche oder sicherheitspolitische Verwerfungen bestehende politische Ordnungen destabilisieren und natürlich auch – an sich erst einmal völlig legitim – neue Koalitionen zwischen politischen Akteuren ermöglichen.
Eine dieser Konstellationen ist die sich nunmehr immer stärker am Horizont abzeichnende Zusammenarbeit zwischen konservativen und rechtsextremen Kräften, wie wir sie bei unseren österreichischen Nachbarn bereits vorexerziert bekommen. Während der demokratische Konservatismus jedoch im Verfassungsrahmen unseres demokratischen Systems verwurzelt ist, lehnt der Rechtsextremismus demokratische Prinzipien zumindest teilweise ab oder verfolgt eine autoritäre Agenda. Letzteres nehmen erstere wissentlich in Kauf. Das kann böse enden.
Eine Kooperation zwischen Rechtskonservativen und Rechtsextremen kann erst einmal sehr schnell zu einer Normalisierung extremistischer Positionen führen. Themen, die zuvor außerhalb des akzeptierten politischen Spektrums lagen, können schrittweise in den öffentlichen Diskurs integriert werden. Die Migrationsdebatte zeigt dies recht eindringlich, nicht zuletzt mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Untertönen. Dies betrifft aber generell Narrative, die sich gegen pluralistische Gesellschaftsmodelle, internationale Kooperationen oder auch die Unabhängigkeit der Justiz richten. Der politische Mainstream verschiebt sich dadurch nach rechts, wodurch demokratische Gegengewichte geschwächt werden.
Während eine solche Kooperation natürlich kurzfristig zu einer Mehrheitsbildung führen kann, besteht langfristig die Gefahr einer Polarisierung und Fragmentierung des politischen Systems. Moderate konservative Kräfte könnten sich abspalten – manche vergessen gerne, dass die CDU ursprünglich als Sammlungsbewegung vorher separater politischer Strömungen gegründet wurde – während linke und progressive Akteure zunehmend in eine Fundamentalopposition gedrängt werden. Die politische Landschaft verliert dadurch an Konsensfähigkeit, was die Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen beeinträchtigt. Für ein Land, das von der Wissenschaft seit eh und je als „Konsensdemokratie“ klassifiziert wurde, ist diese neue Sprachlosigkeit besonders fatal.
In Krisenzeiten sind Demokratien besonders anfällig für Maßnahmen, die mit der Begründung der inneren Sicherheit oder nationalen Stabilität Bürgerrechte einschränken. Die vorgeschlagene Aberkennung der Staatsbürgerschaft – zuletzt in Deutschland eine Praxis des Dritten Reichs und der DDR – gehört in diese Kategorie. Eine Allianz zwischen rechtskonservativen und rechtsextremen Akteuren kann dazu führen, dass solche Gesetze eine Chance auf Verwirklichung haben. Die harsche Kritik auch vonseiten Konservativer gegen die dann organisierten Demonstrationen lassen erahnen, dass in solchen Konstellationen auch Demonstrationsrechte beschnitten oder Minderheitenrechte eingeschränkt werden könnten. Ist der Geist einmal aus der Flasche, gibt es wenige Gründe, ihn wieder zurückzustecken.
Langfristig gefährdet eine solche Allianz nicht nur den demokratischen Charakter eines Staates, sondern kann ihn in eine autoritäre Richtung lenken. Demokratische Akteure sollten daher Krisenzeiten nicht als Anlass nehmen, sich mit extremistischen Kräften zu verbünden, sondern sich stattdessen auf die Stärken der deutschen Konsensdemokratie besinnen und den Kompromiss suchen. Die Verlockung, diesen Kompromiss durch eine Kooperation mit Verfassungsfeinden zu vermeiden, ist groß. Ihr zu erliegen, hat jedoch weitreichende Konsequenzen.