Wildschweine sind in ganz Europa bis nach Südostasien und Afrika anzutreffen. Die sehr anpassungsfähigen Tiere tauchen wegen der zunehmenden Beschneidung ihres Lebensraums immer öfter auch in Städten auf. Wie eine Begegnung mit Wildschweinen ausgeht, hängt vom Verhalten des Menschen ab.
Wildschweine sind Omnivoren, also Allesfresser. Hauptsächlich ernähren sie sich von Pflanzen, Wurzeln, Obst, Getreide, Mais, Kartoffeln, Eicheln, Bucheckern und in selteneren Fällen auch von tierischer Nahrung wie Würmern, Schnecken, Engerlingen, Insekten oder auch mal von Kleinsäugern wie Mäusen, von Bodenbrütern oder Aas. Auch Gartenabfälle oder Speisereste aus Kompostern von ungeschützten Gärten ist für die Borstentiere interessant. Sehr hilfreich bei der Nahrungssuche sind ihr ausgeprägter Geruchs- und Geschmackssinn sowie ihr Rüssel. Die weiche und trotzdem kräftige Rüsselscheibe macht ihn zu einem hervorragenden Such- und Wühlwerkzeug, mit dem sie im Boden verborgene Nahrung leicht aufspüren und ausgraben können. Bei Wildparkbesuchen ist generell vom Füttern abzuraten, da dies zu einer Überfütterung und bei manchen Tierarten vor allem bei falscher Futterauswahl schnell zum Tod führen kann. An Wildschweine sollten keinesfalls Fleisch oder bereits zubereitete Speisen verfüttert werden – dies kann im schlimmsten Fall den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest bewirken.
In den Rotten bestimmt die Sau
Durch das Umgraben des Bodens tragen die intelligenten Paarhufer zur Verjüngung der Wälder bei – in von den Borstentieren „gepflegten“ Wäldern gibt es drei- bis viermal mehr junge Bäume als in vergleichbaren Waldgebieten ohne entsprechende Wildschwein-Aktivität. Außerdem befreien Wildschweine den Wald von vielen Schädlingen wie etwa von Engerlingen oder Kiefernspannern.
Weibliche Wildschweine werden Bache, männliche Keiler genannt. Die Nachkömmlinge heißen Frischlinge. Die niedlichen kleinen Schweinchen sind in den ersten Wochen braun-beige gestreift. Sie verlieren ihre Streifen meist nach dem dritten Monat und bekommen dann ein mittelbraunes Fell. Die heranwachsenden Wildschweine zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr heißen Überläufer. Das Gewicht ausgewachsener Bachen liegt zwischen 50 und 90 Kilo und sie sind zwischen 130 und 170 Zentimeter lang. Keiler haben im Normalfall eine Kopf-Rumpf-Länge zwischen 140 und 180 Zentimetern und wiegen zwischen 60 und 200 Kilo, je nach Alter und Region.
Das Borstenkleid ausgewachsener Wildschweine ist oft grau bis schwarz, was ihnen die Bezeichnung „Schwarzkittel“ einbrachte. Es existieren aber auch braune und sogar rötliche Wildschweine. Auffällig sind die Hauer der Keiler, die eine beachtliche Länge erreichen können. Die Lebenserwartung beträgt meist um die zehn Jahre und ist damit geringer als bei Mini- und Hängebauchschweinen.
Wildschweine sind eine der anpassungsfähigsten Arten auf unserem Planeten. Ihr Erfolgsgeheimnis liegt im Zusammenhalt innerhalb des Familienverbandes, der sogenannten Rotte. Rotten sind keine bunt zusammengewürfelten Gruppen von Tieren, die sich zufällig im Wald begegnet sind. Die Tiere sind miteinander verwandt. Rottenfremde Wildschweine werden oft vertrieben.
Bei den Schwarzkitteln herrscht ein strenges Matriarchat. Rotten werden von der sogenannten Leitbache angeführt – im Regelfall das älteste und erfahrenste Tier. Die Leitbache sorgt sich um den Nachwuchs, regelt die Fortpflanzung und verteidigt die Gruppe gegen Bedrohungen jeglicher Art.
Eine Rotte besteht aus ungefähr zwei bis fünf großen Bachen, welche alle miteinander verwandt sind, vereinzelt einigen Überläufern des Vorjahres und heranwachsenden Frischlingen. Sie kann schon mal 20 Tiere oder mehr umfassen. Die Überläufer werden in der Regel im Frühjahr von der Rotte vertrieben, da sich die Bachen nun um den neuen Nachwuchs kümmern müssen.
Überläufer bilden eigene Gruppen, die einige Zeit zusammenhalten, bis die Keiler ihrem Einzelgänger-Dasein nachgehen und bis zur nächsten Paarungszeit, der sogenannten Rauschzeit, alleine den Wald durchstreifen. Die Bachen bleiben oft ihr gesamtes Leben zusammen. Von der Natur wurde der „Mechanismus“ des Vertreibens der Überläufer wohl eingerichtet, um eine mögliche Inzucht zu verhindern.
Hören und riechen sehr gut
Wer im Wald im Verborgenen ein überdimensional anmutendes Vogelnest entdeckt – hier kann es sich um einen „Kessel“ handeln, die Wohnung der Wildschweine. Dieser Kessel befindet sich an einer verborgenen Stelle im Dickicht. Als Polstermaterialien werden zum Beispiel Blätter, Heu und Moos benutzt. Ein Keiler kann oftmals über mehrere Monate im gleichen Kessel seine Ruhe finden, während Bachen mit ihrer Rotte oft den Platz wechseln. Dies tun sie auch aus Sicherheitsgründen, um die Rotte nicht zu leicht angreifbar zu machen. Wer bei einem Waldspaziergang einen Kessel entdeckt – eine Annährung ist nicht ratsam. Wildschweine sind wehrhaft, und eine führende Bache mit Frischlingen versteht keinen Spaß.
Wildschweine können ihren Lebensrhythmus und ihre Gewohnheiten hervorragend an die verschiedensten Lebensbedingungen anpassen. Sie sind sowohl tag- als auch nachtaktiv, wobei sie ihre Aktivitäten bei störenden Einflüssen, zum Beispiel durch Menschen, starken Straßenverkehr oder Jagd, manchmal nahezu gänzlich auf die Nacht verlagern. Den Tag verschlafen die Borstentiere dann im Schutz des Dickichts und starten in der Dämmerung mit der Nahrungssuche. Aufgrund der starken Besiedlungsdichte und der Beschneidung des natürlichen Lebensraums durch den Menschen kommt es immer häufiger vor, dass Wildschweine in der Innenstadt, in Parks und Gärten auftauchen.
In Berlin zum Beispiel ist es in manchen Bezirken oft möglich, Wildschweine tagsüber zu beobachten, wo sie gern auf Straßen und zwischen parkenden Autos flanieren und manchmal sogar ohne Deckung ihren Nachwuchs säugen.
Möchte man keinen ungebetenen Besuch von Wildschweinen in seinem Garten, so ist ein stabiler Zaun unerlässlich. Ein üblicher Maschendrahtzaun ist nicht ausreichend. Diese werden von den Borstentieren problemlos hoch- oder auseinandergedrückt. Am besten geeignet sind Doppelstabmattenzäune, Wildschutzzäune oder Elektrozäune. Bei der Entscheidung spielt auch die Grundstücksgröße eine Rolle; die verschiedenen Zaunmaterialien sind unterschiedlich teuer.
Wildschweine wissen wegen ihres guten Geruchs- und Gehörsinns, was um sie herum geschieht. Oft verschwinden sie schon wieder im Wald, bevor wir sie überhaupt sehen. Solange es Fluchtmöglichkeiten gibt, werden sich die Borstentiere nicht den Menschen nähern.
Sollte es doch mal zu einer Begegnung mit Wildschweinen kommen – egal ob im Wald oder im eigenen Garten –, gilt es, Ruhe zu bewahren, leise zu reden und so zu tun, als sei alles ganz normal. Auf keinen Fall die Schweine in die Enge treiben, sondern ihnen Fluchtmöglichkeiten lassen und sich langsam entfernen. Die Tiere mit Steinen oder Ästen zu bewerfen, um sie zu verjagen, bewirkt eher das Gegenteil. Bei Spaziergängen mit dem Hund sollte dieser an der Leine geführt werden. Für das Wildschwein ist ein Hund offenbar ein Abbild des Wolfs.
Wer einem ausgewachsenen Wildschwein zu nahe kommt, wird als Eindringling wahrgenommen und wird erst einmal heftig bedroht mit akustischen Drohungen, die wie ein Schnauben klingen. Sollte der Störenfried diese Warnung nicht verstehen, kann eine Wildschweinattacke bevorstehen. Bei einem ausgewachsenen Keiler kann dies wegen seiner Hauer – wenn es schlecht läuft – zu schweren Schnittverletzungen führen.
Das Sehvermögen von Wildschweinen ist leider schlechter als ihr Gehör und ihr Geruchssinn. Zwar weiß man, dass Schwarzkittel intensive Farben von dunklen Farben durchaus unterscheiden können, aber einen bewegungslos dastehenden Menschen nehmen sie selbst auf kurze Distanz optisch kaum wahr.
In manchen Fällen kann es deshalb vorkommen, dass Wildschweine Menschen zwar bemerken, aber nicht wissen, wo sich diese genau befinden und deshalb in Richtung der Menschen flüchten. Hier helfen lautes Händeklatschen und Lärm. Die Tiere wissen nun, wo sich die Gefahr befindet und werden sich zurückziehen.