Über 24 Jahre lang war Barbara Wozniczek Touristikerin. Dann kam die Pandemie – und der Berufswechsel. Mit handwerklichem Geschick und internationalem Training fertigt sie heute maßgeschneiderte Hüte in aufwendiger Handarbeit.


Plötzlich war alles anders. Die Pandemie legte die Tourismusbranche lahm, Buchungen blieben aus, Hotels standen leer. Das veränderte auch das Leben von Barbara Wozniczek. Über 24 Jahren war sie als Touristikerin in Saarbrücken tätig, kannte jedes Hotel, die Besitzer und kannte selbst kleine Details zu vielen Zimmern. Ein Leben in ständiger Bewegung, immer im Austausch mit Gästen, Hoteliers und Dienstleistern – bis von einem Tag auf den anderen Stillstand herrschte. Doch statt untätig zu bleiben, suchte die vielseitige Macherin nach einer neuen Aufgabe und entdeckte eine unerwartete Leidenschaft: die Hutmacherei.
Fasziniert von den Hüten ihrer Freundin
Als ein Handwerk aus dem 18. Jahrhundert hat das Gewerk über den Begriff „Modistin“ den Weg ins moderne Design gefunden. Besonders in der britischen Mode spielt der Hut bis heute eine zentrale Rolle. Philip Treacy, der als einer der einflussreichsten Hutdesigner der Gegenwart gilt, hat diesen Trend geprägt. Seine außergewöhnlichen Kreationen sind auf den berühmtesten Köpfen der Welt zu sehen. Camilla Parker Bowles trug im Jahr 2005 bei ihrer Hochzeit mit Prinz Charles eine seiner Hutkreation aus gebogenen Federn. Königin Elisabeth II. war eine seiner treuesten Kundinnen und trug zahlreiche seiner Entwürfe bei den Royal-Ascot-Pferderennen, wo spektakuläre Kopfbedeckungen Tradition haben. Auch Pop-Ikonen wie Lady Gaga, Schauspielerin Sarah Jessica Parker und Royals wie Prinzessin Beatrice setzen regelmäßig auf seine kunstvollen Designs.


Die Faszination teilte auch Barbara Wozniczek. Schon immer war sie von den außergewöhnlichen Hüten ihrer langjährigen Freundin Luisa begeistert. Die Portugiesin von den Azoren, die in Luxemburg als Übersetzerin für die Europäische Union arbeitete, war stets schick behütet – sowohl mit handgefertigten Hüten aus den Werkstätten ihrer heimischen Isla Terceira als auch mit Modellen diverser Luxusmarken, die sie sich leistete. Luisas Begeisterung für Hüte und dass sie mit Hut stets gut aussah, weckte in Barbara Wozniczek den Wunsch, selbst aktiv zu werden.
Die pandemiebedingte berufliche Pause nutzte die Saarbrückerin, um sich mit Online-Kursen einen ersten Überblick über Ausbildungsmöglichkeiten zu verschaffen. Doch natürlich boten Youtube-Filme und Produktionsbeschreibungen nur grob einen Einblick in den üblicherweise dreijährigen Ausbildungsberuf. Eine Erkenntnis: Auch die Erfolgsgeschichte von Coco Chanel begann in einem Hutatelier.
Lernen in Warschau, London und München
Aus der Vielzahl von Materialien wie Filz, Stoff, Leder, Pelz oder Stroh entschied sich die Reiseverkehrskauffrau für Filz. Dabei stellte sie fest, dass zum Hutmachen nicht nur Köpfchen, sondern auch Kraft gehört: Ein guter Hut braucht eine stabile Form, die durch sorgfältiges Ziehen des Filzes über einen sogenannten Hutstumpen entsteht. Aus England besorgte sich die Saarbrückerin mehrere Hutformen. Der Filz wird dabei mit heißem Dampf über die Holzform gespannt und anschließend in einer Trockenkammer gehärtet, um aus dem Rohling einen eleganten Hut zu formen. Zum Abschluss wird das innere „Schweißband“ eingenäht. Besonders bei Damenhüten folgt dann die individuelle Dekoration mit Federn, Blumen, Netzen oder Bändern. So war Wozniczek sehr schnell klar, dass sie ihre Fähigkeiten in mehreren Workshops vor Ort vertiefen musste. Erste Kontakte zu Modistinnen führten die geborene Polin für mehrere Tage nach Warschau, wo ihr Grundwissen zu Techniken, Materialien und Modellen vermittelt wurde. Später reiste sie nach London, zu der renommierten Modistin María Monica, die für die Designerin Jane Taylor arbeitet. Taylor hatte mit Philip Treacy zusammengearbeitet. Zu dessen bevorzugten Kunden zählen neben solchen internationalen weiblichen Stars wie Demi Moore, Lady Gaga und Emma Watson auch Männer, darunter David Beckham, Boy George und Guy Ritchie.


Barbara Wozniczek vermittelten diese Kurse handwerkliche Erfahrung auf höchstem Niveau. Ergänzend absolvierte sie weitere Kurse in der Münchener Hutmanufaktur Adalbert Breiter. Die Bayern sind für ihre präzise Fertigung in einem Traditionshandwerk bekannt und bieten immer wieder Tagesseminare an. Mit diesen Erfahrungen begann die Saarbrückerin, ihre eigenen Hüte zu kreieren – maßgefertigte Unikate, mit denen sie wahrgenommen wurde.
Ohne gut behütet zu sein, ging vor 100 Jahren niemand aus dem Haus: Der Hut war sowohl Wetterschutz als auch schmückendes Accessoire. Die 1920er-Jahre – siehe „Babylon Berlin“ – waren geprägt vom „Cloche“. Der Glockenhut passt damenhaft zu kurzen Bob-Frisuren. Da der Hut warm hält und häufig aus Wolle oder Filz gefertigt ist, passt er ideal ins Winter-Outfit. Eine runde Krone mit nach unten gestülpter Krempe gab dem Hut seinen Namen.


Auch Männer tragen wieder Hut. In den 1950er- und 1960er-Jahren war der Hut ein unverzichtbarer Bestandteil der klassischen Herrenmode. Geschäftsmänner trugen meist den Fedora, ein Modell mit breiter Krempe, das durch Hollywood-Ikonen wie Humphrey Bogart und Frank Sinatra populär wurde. Wer es eleganter mochte, setzte auf den Homburg, getragen von Politikern wie Winston Churchill. Der Trilby, mit kürzerer Krempe und leicht nach hinten geneigt, wurde in den 1960er-Jahren durch die Mods-Bewegung in Großbritannien zum Trend. Danach etwas in Vergessenheit geraten, erlebt der Fedora, basierend auf einem Theaterstück aus dem Jahr 1882, derzeit ein Comeback. Mit beidseitig eingekniffener Krone leicht zu greifen, ist er – unverzichtbares Detail in Mafia-Filmen wie „Der Pate“ – mit vorne nach unten geknickter Krempe, hinten geschwungen, stilprägend für ein „Hut-Gesicht“. Jüngere Männer, vor allem Musiker, bevorzugen dagegen den Pork Pie. Flach und rund ergänzt diese Kopfbedeckung mit einer kurzen, geschwungenen Krempe eine lässige Garderobe. Herren-Hüte liegen außerdem wieder voll im Trend – wie es beispielsweise Professor Harald Lesch regelmäßig in seiner Sendung „Terra X“ mit seinem Hutmodell „Indiana Jones“ zeigt.

Hutmacherei soll ein Vergnügen bleiben
Für Wozniczek soll „der passende Hut“ den Stil seines Trägers unterstreichen. Ihre Hutkreationen werden derzeit im Schuhgeschäft „La Scarpa by Piero“ in Saarbrücken angeboten. „Lustigerweise“, so die Saarbrückerin, „passt auch der Name der Straße – Kappenstraße – perfekt, um dort handgefertigte Hüte – auf saarländisch ‚Kappe‘ – zu präsentieren. Vielleicht nennen wir den Laden bald ‚Von Kopf bis Fuß‘“, scherzt sie.
Obwohl sie weiterhin als Touristikerin arbeitet, hat Barbara Wozniczek in der Hutmacherei eine zweite Berufung gefunden. Die Pandemie wurde für sie der Beginn einer kreativen Reise, inspiriert von einer Freundin und dem Mut, etwas Neues zu wagen. Doch „die Hutmacherei soll als etwas Besonderes und ein Vergnügen bleiben. Ein Atelier mit einer anderen Künstlerin wäre erstrebenswert. Das Handwerk braucht Platz, der mein Zuhause einengt.“ Aufgrund der bei der Verarbeitung von Filz gebräuchlichen Quecksilbersalze litten Hutmacher früher oft an Nervenschäden. Daraus resultierte unter anderem der Spruch: „Verrückt wie ein Hutmacher“. Um die Individualität ihrer Hüte zum Ausdruck zu bringen, sucht „Barbara Wo“ noch einen passenden Markennamen. „Studio Chapeau by Barbara Wo“ ist zurzeit ihr Favorit. Ihr Ziel: dieses wunderbare Handwerk neu zu beleben und mit ihren Kopfbedeckungen mehr Persönlichkeit auf die Straße zu bringen. „Ein Hut ist mehr als nur ein Accessoire – er erzählt eine Geschichte“, sagt sie.