Die Zukunft von Israel González bei Alba Berlin über den Sommer hinaus ist fraglich – seit der Verpflichtung eines bekannten Co-Trainers umso mehr. Doch die Club-Bosse geben sich alle Mühe, der Situation die Brisanz zu nehmen.
Israel González ist sicherlich nicht der emotionalste Basketball-Trainer an der Seitenlinie, aber gefühlslos ist der Spanier natürlich auch nicht. Die sportliche Krise von Alba Berlin in dieser vermaledeiten Saison nimmt ihn mit, auch wenn er es nicht so sehr nach außen zeigt. „Das trägst du immer mit dir herum. Du bist immer in Sorge, machst dir immer Gedanken, wie man besser werden kann“, sagte González. „Für mich war die Saison bisher sehr schmerzhaft.“ Mehr als nur einmal habe er gedacht, „nach diesem Spiel werde ich gefeuert“. Doch diesen Schritt haben die Alba-Bosse – zumindest bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe – bislang nicht vollzogen. Die Berliner scheinen einen anderen Weg gehen zu wollen, der allerdings auch das Ende der Amtszeit von González im kommenden Sommer bedeuten könnte. Der Vertrag des 50-Jährigen läuft am Saisonende aus, von Gesprächen über eine Verlängerung war zuletzt nichts mehr zu hören. Stattdessen verpflichtete Alba in Pedro Calles einen neuen Co-Trainer, dessen Qualitäten und Ambitionen für eine Chefcoach-Rolle prädestiniert sind. Der 41 Jahre alte Spanier hat in Vechta, Hamburg und Oldenburg fast sechs Jahre Bundesliga-Erfahrung als Cheftrainer gesammelt. Bei Alba unterschrieb er Mitte Januar einen Vertrag bis 2027 als González-Assistent. Dass er aber auch dessen designierter Nachfolger sein dürfte, sollte sich die Clubführung zu einem Wechsel auf der Trainerposition entscheiden – oder vielleicht intern sogar schon entschieden haben – ist nur schwer zu interpretieren. Dass der Trainerwechsel beschlossene Sache sei, dementierte Sportdirektor Himar Ojeda aber vehement: „Sonst hätten wir Pedro sofort als Cheftrainer geholt!“ Er wolle mit González verlängern, betonte Ojeda Mitte Januar. „Das ist meine oberste Priorität. Wir glauben an ihn und seine Arbeit. Er hat die Meisterschaft und den Pokal gewonnen.“ Bei der Bewertung der Arbeit ziehe man mehr als nur die aktuellen Ergebnisse heran, betonte der Sportdirektor. „Israel fördert eine Spielweise und eine Basketballkultur, die er zusammen mit Aito etabliert hat.“
Von Verlängerung nichts zu hören
Und dennoch ist Alba Teil des Profisports, in dem es vor allem um Ergebnisse geht. Und in dieser Saison ist Alba mächtig abgestürzt. Nach 19 Bundesligaspielen belegt der elfmalige Meister nur den elften Tabellenplatz, der Einzug in die Play-offs ist keine Selbstverständlichkeit. In der Euroleague sieht die Lage noch trostloser aus, nur vier Siege aus 26 Partien bedeuteten die Rote Laterne des Tabellenletzten. Die Rückschläge auf internationalem Parkett sind alles andere als hilfreich bei der angestrebten Aufholjagd in der Bundesliga, es fehlt ganz offensichtlich an Selbstvertrauen, Training und körperlicher Frische. Und auch an Ideen vom Cheftrainer? Immer wieder kommt Kritik an González auf, dass dieser relativ emotionslos an der Seitenlinie agiere und nach Niederlagen ratlos wirke. Nach dem 68:100-Debakel in Mailand Mitte Januar sorgte sein 13-sekündiges Statement beim übertragenden Sender MagentaSport für Kopfschütteln: „Glückwunsch an Mailand, sie haben ihre Defensive in der zweiten Hälfte verbessert. Wir müssen weiter arbeiten und es beim nächsten Mal besser machen.“
Plattitüden, Durchhalteparolen – die Alba-Fans können nur hoffen, dass González mannschaftsintern anders auftritt. Seinen Führungsstil ändern will der Spanier auch in Krisenzeiten nicht. „Ich glaube an das moderne Coaching. Ich glaube, es ist erfolgreicher, die Spieler nicht bei jeder Gelegenheit anzuschreien oder zu viele Emotionen zu zeigen, wenn sie einen Fehler machen“, sagte er im „Bild“-Interview. „Denn was bringt es am Ende, wenn man einen Spieler anschreit, ihn in die Mitte stellt? Ich bin davon überzeugt, dass mein Weg der bessere Weg ist.“ Aber braucht es in der aktuellen Situation nicht vielleicht eine andere Herangehensweise? Einen Cheftrainer, der wachrüttelt statt alles so weiterlaufen zu lassen? Diese Frage müssen die Verantwortlichen beantworten. Mit der Verpflichtung des erfahrenen und durchaus emotionalen Calles haben sie eine erste Antwort darauf gegeben.

Calles besitzt rein formell keinen Sonderstatus unter den Assistenten, so wie ihn einst González unter Aíto García Reneses hatte, als er als „Associate Headcoach“ gezielt zum Nachfolger der Trainer-Legende aufgebaut worden war. Calles ist auf dem Papier gleichrangig mit den anderen Assistenten Thomas Päch und Sebastian Trzionka, aber in der Praxis wird dem Neuzugang natürlich mehr zugetraut. „Pedro hat viel Qualität und ist sehr gut vorbereitet“, sagte Ojeda, „aber er ist gerade neu dabei und muss erst mal lernen, wie wir hier arbeiten“.
Er gebe zu, dass die Verpflichtung eines Co-Trainers mitten in der Saison ein „eher ungewöhnlicher Schritt“ sei, sagte Ojeda. Allerdings erhoffe man sich im Club davon eine „sowohl kurzfristige als auch langfristige Unterstützung auf unserem Weg“. Der Sportdirektor sieht eine Win-win-Situation bei Verein und Coach. „Pedro wird uns mit seiner Erfahrung und seinen Ideen weiterhelfen. Gleichzeitig wollen wir ihm die Möglichkeit bieten, sich weiterzuentwickeln und den nächsten Schritt in seiner Trainerkarriere zu gehen.“
Gonzales denkt an das Ende
Erfolgt der nächste Schritt bei Alba? González sieht in dem Assistenten, der ihm – von außen betrachtet – vor die Nase gesetzt wurde, keine Gefahr für sich selbst. Zumindest behauptet er dies öffentlich. „Ich habe keine Angst, dass er für mich übernehmen könnte“, sagte González. „Wenn wir weiter verlieren würden, könnte es sein, dass der Club irgendwann reagiert. Ob mit oder ohne Pedro. Wo ist also der Unterschied?“ Er versucht, der Verpflichtung etwas Gutes abzugewinnen. „Ich habe lieber gute Coaches um mich herum, die mir helfen können, als schlechte Coaches, die mir nicht helfen, wenn ich Hilfe benötige.“ Er hat eine hohe Meinung von seinem Landsmann, den er aus der Bundesliga gut kennt. Er sei ein Fan von der Art, wie Calles Basketball spielen lässt, „er ist ein sehr guter Trainer. Und er gibt uns einen neuen Blick. Vor allem, nachdem wir fast acht Jahre mit dem annähernd gleichen Team zusammengearbeitet haben.“
Alba ist stolz darauf, bei der Trainerposition mehr Konstanz zu haben als andere Clubs. Auch deswegen darf González weiterhin die Verantwortung an der Seitenlinie tragen. „Ja, es wäre leichter gewesen, den Coach zu feuern, weil so das Geschäft ist“, sagte Ojeda. Der Alba-Weg entspräche zwar „nicht der Norm“, sei aber von den Club-Bossen so gewollt. „Das verstehe ich. Und das wusste ich ja auch vorher. Ja, wir machen es etwas anders als andere Clubs. Und es ist sicher nicht der einfachere Weg.“ Entscheidend wird sein, ob es der erfolgreichere Weg ist. Und wie groß die Leidensfähigkeit im Umfeld ist. González jedenfalls ist froh, dass der Club ihm „sehr viel Vertrauen“ entgegenbringt und ihn „immer unterstützt“. Er wisse, dass im Profisport Veränderungen auf der Trainerposition in Krisenzeiten ein normales Mittel sind. „Aber die Verantwortlichen sehen auch, dass man gesunde Spieler braucht, um zu gewinnen. Und die hatten wir ja nicht. Warum sollte man also den Trainer wechseln?“, fragte er. Konkrete Gründe dafür scheinen auch die Club-Bosse im Überlegungsprozess nicht gefunden zu haben, deswegen kam die Idee mit dem neuen Co-Trainer auf. Ob der nun als Sofort-Hilfe für Gonzáles oder als dessen Schatten-Trainer agiert, darüber lässt sich diskutieren.