Für manche Saarbrücker Bürger ist das Rathaus St. Johann ein Verwaltungsgebäude wie viele andere auch – dabei beherbergt es eine der größten Sammlungen saarländischer Kunst.
Das Rathaus St. Johann ist neben dem Sitz der Stadtverwaltung auch ein Ort der Historie, voller Geschichten und vielfältiger Kunst. Einmal im Jahr wird es sogar selbst zum Kunstwerk.
Schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als St. Johann eine selbstständige und aufstrebende Gemeinde war, wuchs der Wunsch nach einem zentralen Gebäude, das die gestiegenen Repräsentationsbedürfnisse berücksichtigen sollte. Als bekannt wurde, dass einer der damaligen Stadtverordneten mit dem renommierten Münchner Architekten Georg von Hauberisser bekannt war, wurde der Auftrag ohne Wettbewerb an ihn vergeben. Im Sommer 1896 besichtigte Hauberisser den Bauplatz, machte einen Entwurf, dem bereits zwei Wochen später von der Stadt zugestimmt wurde. Schon bei der Errichtung des Rathauses spielte die Kunst eine große Rolle. So ist der Grundriss des Rathauses St. Johann nicht nur einem spätgotischen Bau nachempfunden, auch die Fassade verfügt über viele historistische Details wie Maßwerkfenster, Erker, ein aufwendiges Skulpturenprogramm, Balkone, Loggien, sowie krabbenbesetzte Fialen (schlanke, spitz zulaufende, flankierende Türmchen; Anm. d. Red.). Hauberisser war bekannt dafür, nicht nur repräsentativ und im damals beliebten Stil der Neugotik zu bauen, sondern er durchdachte den kompletten Bau, ließ vom Skulpturenprogramm bis zur Ausmalung des Festsaals oder der Einrichtung mit Lampen, Bänken und Garderobenständern alles qualitätsoll und stilgetreu entwerfen und ausführen. Das Rathaus St. Johann wurde im Juni 1900 mit einem großen Fest eingeweiht.
Fast zur gleichen Zeit begann die im Jahr 1909 gegründete Großstadt Saarbrücken in geringem Umfang, Gemälde anzukaufen. Hierzu gehörten insbesondere Porträts von Ehrenbürgern, Bürgermeistern und Honoratioren, die ihren Platz im Rathaus St. Johann fanden.
Auch in den 1930er-Jahren kamen einige geschichtliche Gemälde hinzu, die sich heute allerdings im Depot befinden. Mit dem gezielten Ankauf und der Auftragsvergabe von Kunstwerken für den öffentlichen Raum wurde in den 1960er-Jahren unter dem damaligen Stadtbaudirektor Peter Paul Seeberger begonnen. Einige Gemälde zierten damals schon die Büros der Mitarbeiter, aber die meisten festinstallierten Kunstwerke dieser Zeit wurden für die Ausschmückung des Ratskellers, als Bleiglasfenster im historischen Hauberisser-Saal und in dem damals neuerrichteten Durchgang zum heutigen Gustav-Regler-Platz in Auftrag gegeben. Noch heute finden sich das stilisierte Relief eines Baumes und ein Brunnen von Paul Schneider, ein gemalter Rebstock von Hans Dahlem oder die Glasfenster von Wolfram Huschens und Helmut Collman in und am Rathaus.

Im Jahr 1999 feierte die Stadt Saarbrücken ihren 1000. Geburtstag. Anlässlich dieser Feier wurden die Flure des Rathauses für die bildende Kunst entdeckt. Seither wird jedes Jahr im Haushalt ein fester Betrag reserviert, seit 2015 in Höhe von 16.980 Euro, der für den Ankauf von Kunst zur Verfügung steht. Dieser Betrag wurde in den vergangenen Jahren zwar nicht erhöht, ist aber glücklicherweise auch keinen Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Außerdem wird mit der derzeitigen Ankaufspolitik die hiesige Kunstszene unterstützt.
Die Flurgalerie ist öffentlich zugänglich
Während in früheren Jahren auch Werke von Kunstschaffenden von außerhalb des Saarlandes angekauft wurden, die zu dem Zeitpunkt außergewöhnliche Ausstellungen in Saarbrücken hatten, liegt der Fokus aktuell auf Künstlern, die in Saarbrücken verwurzelt sind, hier studiert haben und häufig am Anfang ihrer Berufstätigkeit stehen. Für die Ankäufe ist der Kulturdezernent oder die Kulturdezernentin zuständig. Dezernentin Sabine Dengel besichtigt mit Angestellten des Kulturamts am „Tag der Bildenden Kunst“ offene Ateliers, um vor Ort Werke auszusuchen und zu dem Preis, der von den Künstlern festgelegt wurde, zu kaufen. Zudem werden einige wenige Kunstwerke – wie die neu hinzukommenden Porträts der Ehrenbürger Saarbrückens – von der Stadt in Auftrag gegeben.
Neuerwerbungen kommen zuerst ins Depot, werden inventarisiert und digitalisiert, bevor sie die Büros der Stadt schmücken. Jeder Mitarbeiter des Rathauses darf sich ein Kunstwerk im Depot aussuchen, um damit sein Büro zu verschönern. Und immer wieder werden in nicht festgelegten Zeiträumen in den Fluren des Rathauses Stücke aus der Sammlung präsentiert, umgehängt, neu arrangiert und die Galerie der Ehrenbürger der Stadt erweitert.
Auf diese Weise werden die Kunstwerke für die Öffentlichkeit kosten- und barrierefrei zugänglich gezeigt. Über 1.700 Kunstwerke, Gemälde, Grafiken, Fotografien oder Skulpturen sind mittlerweile im Besitz der Stadt, es dürfte sich daher um die größte, öffentlich zugängliche Sammlung zeitgenössischer saarländischer Kunst im Land handeln. Diese Kunstsammlung bietet einen spannenden und umfassenden Überblick über das regionale Kunstleben und über saarländische Kunstgeschichte. Denn viele der heute bedeutenden, zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler wie Sigrún Ólafsdóttir, Armin Rohr, Francis Berrar oder Annegret Leiner sind mit Frühwerken vertreten, da von ihnen bereits vor Jahren Arbeiten angekauft wurden. Zweimal im Jahr wird die Kunstsammlung der Stadt in einer Führung öffentlich vorgestellt.
Es ist schon etwas Besonderes, dass diese Kunstsammlung den Besuchern des Rathauses St. Johann solch einen einfachen, kostenlosen, barrierefreien und unkomplizierten Blick auf die saarländische Kunstgeschichte ermöglicht und gleichzeitig für die hiesige Kunstszene wirbt.
Einmal im Jahr wird das Rathaus St. Johann sogar selbst zum Kunstwerk. Immer wenn das Filmfestival Max Ophüls Preis im Monat Januar Filmschaffende und Filmbegeisterte in die Stadt lockt, leuchtet das Rathaus St. Johann in der Festivalfarbe Blau. In der Dunkelheit der winterlichen Abende und Nächte strahlen die Fenster des Rathauses in blauem Licht, kontrastieren mit dem Schwarz der Nacht und verbreiten um das und im Gebäude eine mystische Stimmung. Dann wird das Rathaus, das so viel Kunst und Kultur beherbergt, für eine Woche selbst zum leuchtenden Kunstwerk.