Hunderte Kinder erleiden in Deutschland pro Jahr einen Schlaganfall – von Neugeborenen bis zu Teenagern. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, doch die Symptome sind schwer zu erkennen.
Noch immer denken die meisten Menschen, dass es sich beim Schlaganfall um eine reine Alterskrankheit handelt, die hauptsächlich Erwachsene trifft. Doch das ist ein Trugschluss. Schlaganfälle können Menschen in jedem Alter treffen – sogar Neugeborene und ungeborene Kinder im Mutterleib. Nach Schätzungen von Experten erleiden in Deutschland jedes Jahr mindestens 300 Kinder einen Schlaganfall. Die Dunkelziffer liegt vermutlich sogar noch höher, da viele Schlaganfälle nicht sofort erkannt werden und manche Diagnosen erst Jahre später gestellt werden. Die Diagnose kommt für betroffene Eltern meist völlig unerwartet und stürzt viele in eine tiefe Verzweiflung.
Die Frage, wie ein Schlaganfall im Kindesalter überhaupt möglich ist, führt unweigerlich zur Suche nach den Ursachen. Ein Schlaganfall ist grundsätzlich eine Durchblutungsstörung des Gehirns – entweder wird ein Blutgefäß blockiert und der Sauerstofffluss unterbrochen, oder es kommt zu einer Hirnblutung. Doch während Erwachsene meist aufgrund von Arterienverkalkung oder Bluthochdruck betroffen sind, zeigen sich bei Kindern ganz andere Risikofaktoren, die weniger bekannt sind. Besonders häufig sind Blutgerinnungsstörungen verantwortlich, die dazu führen, dass sich im Gehirn kleine Blutgerinnsel bilden, die dann die Gefäße verstopfen. Statistiken zeigen, dass rund 20 Prozent der kindlichen Schlaganfälle durch angeborene Gerinnungsstörungen verursacht werden. Auch angeborene Herzerkrankungen erhöhen das Risiko eines kindlichen Schlaganfalls, weil ein geschädigtes Herz kleine Gerinnsel direkt ins Gehirn transportieren kann. Eine weitere wichtige Ursache sind Gefäßerkrankungen, zum Beispiel Verengungen der Hirnarterien. Darüber hinaus können Infektionen oder Komplikationen während der Geburt ebenfalls zu einem Schlaganfall führen.
Dabei hängen die Symptome eines kindlichen Schlaganfalls stark vom Alter des Kindes ab. Vor allem bei Neugeborenen ist es besonders schwer, die Anzeichen zu erkennen, da sie sich oft subtil und wenig typisch äußern. Das häufigste Symptom im Neugeborenenalter sind Krampfanfälle, doch auch Atemprobleme, Muskelschwäche, Bewegungsarmut und Bewusstseinsstörungen können auf einen Schlaganfall hinweisen. Diese Anzeichen sind jedoch unspezifisch und können leicht übersehen oder falsch gedeutet werden. Je älter das Kind ist, desto mehr ähnelt das Krankheitsbild dem eines Erwachsenen. Bei Kleinkindern und älteren Kindern zeigen sich oft halbseitige Lähmungen, die sich beispielsweise durch eingeschränkte Beweglichkeit und Greiffähigkeit auf einer Seite bemerkbar machen. Auch Sprachprobleme oder eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur können Symptome eines Schlaganfalls sein.
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, aber oft auch eine große Herausforderung. Die unspezifischen Symptome bei jüngeren Kindern und Neugeborenen lassen Ärzte und Eltern zunächst oft an andere Erkrankungen denken. Auch wenn moderne Bildgebungsverfahren wie MRT und CT entscheidende Hilfsmittel für eine klare Diagnose sind, erschwert das junge Alter der Betroffenen den Diagnoseprozess. Studien zeigen, dass rund 30 Prozent der kindlichen Schlaganfälle erst Monate nach dem Ergebnis diagnostiziert werden, wenn Eltern auf motorische oder kognitive Einschränkungen aufmerksam werden. Viele Eltern bemerken erst Monate später, dass ihr Kind eine Körperseite deutlich weniger nutzt oder Bewegungen eingeschränkt sind.

Die langfristigen Folgen eines kindlichen Schlaganfalls sind ebenso vielfältig wie tiefgreifend. Körperliche Einschränkungen wie Lähmungen oder Koordinationsprobleme sind häufige Folgen. Manche Kinder behalten Einschränkungen in der Beweglichkeit zurück, die sie in ihrer Alltagsgestaltung beeinträchtigen. Aber auch psychische und kognitive Beeinträchtigungen sind keine Seltenheit. Viele der betroffenen Kinder kämpfen im Verlauf ihres Lebens mit Konzentrationsschwächen, Gedächtnisproblemen, Ängsten und sogar Depressionen. Auch das soziale Leben ist oft betroffen, da die Schwierigkeiten in der Schule und beim Umgang mit Gleichaltrigen zunehmen. Eine Erhebung aus dem Jahr 2023 zeigt, dass rund 60 Prozent der Betroffenen langfristige neurologische oder körperliche Beeinträchtigungen entwickeln. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur das Kind selbst, sondern auch die gesamte Familie und das Umfeld, da die Betreuung und Unterstützung im Alltag oft viel Kraft und Aufmerksamkeit fordert.
Bei 60 Prozent der Betroffenen entwickeln sich im Laufe der Zeit langfristige Einschränkungen
Die Behandlung setzt auf umfassende Rehabilitation und eine breite Palette von Therapien. Anders als bei Erwachsenen, bei denen häufig eine medikamentöse Auflösung von Blutgerinnseln – die sogenannte Thrombolyse – eingesetzt wird, ist diese Methode bei Kindern selten möglich. Einerseits wird der Schlaganfall meist nicht früh genug diagnostiziert, um die Thrombolyse noch sinnvoll anzuwenden, andererseits gibt es bisher wenig Erfahrungen mit der Methode. Stattdessen wird auf ein breites Spektrum an rehabilitativen Maßnahmen gesetzt, die auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Die Physiotherapie, die besonders bei Bewegungsstörungen und Muskelschwäche hilft, ist eine zentrale Säule der Rehabilitation. Ergänzt wird sie durch Ergotherapie, die das Kind bei alltäglichen Aufgaben unterstützt, und durch Logopädie, die Sprach- und Schluckstörungen therapiert. Auch neuropsychologische Unterstützung spielt eine wichtige Rolle, da sie kognitive und emotionale Schwierigkeiten wie Konzentrationsprobleme oder Verhaltensauffälligkeiten angeht.
Die Therapie erfordert oft jahrelange, intensive Betreuung und ein interdisziplinäres Team, das eng mit den Eltern zusammenarbeitet. Besonders wichtig ist eine frühzeitige Förderung, da das junge Gehirn eine hohe Plastizität besitzt und in den ersten Lebensjahren besonders lernfähig ist. Das bedeutet, dass es bei rechtzeitiger Therapie bessere Chancen auf eine funktionelle Erholung gibt. So kann das betroffene Kind viele verlorene Fähigkeiten teilweise oder sogar vollständig zurückgewinnen.
Ein weiterer Aspekt, der für Eltern von Kindern mit Schlaganfall relevant ist, betrifft die Frage des genetischen Risikos. Blutgerinnungsstörungen, die das Risiko für Schlaganfälle erhöhen, können vererbt werden. Eltern, die befürchten, dass ein Kind ebenfalls betroffen sein könnte, haben die Möglichkeit, das individuelle Risiko mithilfe von Bluttests und genetischen Untersuchungen besser einschätzen zu lassen. Nach aktuellen Schätzungen sind etwa zehn bis 15 Prozent genetisch bedingt. Eine genetische Beratung kann hier oft klären, ob eine erhöhte Veranlagung für Schlaganfälle in der Familie vorliegt.
Ein Schlaganfall ist für alle Beteiligten ein schwerwiegender Einschnitt. Die Krankheit stellt hohe Anforderungen an die betroffenen Familien, die oft viel Geduld und Stärke brauchen, um den neuen Alltag zu bewältigen. Rund 60 Prozent der Kinder entwickeln langfristige Einschränkungen, wie Studien aus dem Jahr 2024 zeigen. Doch die richtige medizinische Betreuung und eine frühzeitige, umfassende Rehabilitation können helfen, das Potenzial des Kindes zu fördern und ihm die bestmöglichen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zu geben. Letztlich bleibt es ein Anliegen der gesamten Gesellschaft, das Bewusstsein für kindliche Schlaganfälle zu schärfen und Eltern und medizinische Fachkräfte dafür zu sensibilisieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass betroffene Kinder frühzeitig die Hilfe erhalten, die sie brauchen.