Viele Jahrzehnte war Alpina ein eigenständiges Familienunternehmen, inzwischen gehört die 1965 gegründete Marke zu BMW. Wir haben einen Alpina B4 GT getestet – aus der Sicht des Beifahrers.
Auf den ersten Blick scheint das Auto ein BMW zu sein, auf den zweiten Blick erkennt man allerdings schnell, dass es ein Alpina ist. Diese Fahrzeuge stammen aus einer Automobilmanufaktur in Buchloe im Ostallgäu. Basis eines Alpina ist ein BMW, der „optimiert“ wird. Für heute steht der Test eines Alpina B4 GT auf dem Programm – eines Sportwagens mit beeindruckenden Leistungswerten wie etwa einer Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h und einer Beschleunigung von 0 auf Tempo 100 km/h in 3,7 Sekunden. Das sind Werte der ganz Großen.

Am Münchener Flughafen soll ich mit dem Testwagen abgeholt werden und erwarte ein auffälliges Auto, das vor Kraft strotzt. Einen automobilen Bodybuilder sozusagen. Doch dann die Überraschung: Der Alpina B4 GT kommt dezent, elegant und ausgesprochen edel daher. Der Auftritt des Testwagens ist eher zurückhaltend. Lackiert in einem dunklen Grün, das ihm ausgesprochen gut steht. Es ist ein Grün, das es nur und ausschließlich bei Alpina gibt, denn es ist eine spezielle Farbe, die Alpina vorbehalten ist. Neben Grün ist Blau die Farbe der Manufaktur. Der Philosophie des Unternehmens entsprechend gibt es aber auch andere Farben, in denen man seinen ganz persönlichen Alpina bestellen kann.
Die Autos aus Buchloe sind handgefertigte Sportwagen auf Basis von BMW. Individualität ist das Markenzeichen, daher können Kunden sich auch ausgefallene Wünsche erfüllen lassen. Sei es, dass sie in bis zu 18 Farben Motive in die Lederausstattung „ihres“ Autos einsticken lassen möchten, spezielle Farben wählen oder sonstige Extrawünsche erfüllen lassen.

Die hauseigene Sattlerei verarbeitet ausschließlich hochwertige Rindsleder, die aus der Region Österreich und der Schweiz stammen. Das hat den Vorteil, dass die Häute für den Transport nicht konserviert werden müssen. Anschließend verarbeiten Gerbereien das Leder mit natürlichen Stoffen und färben es mit einem speziellen Verfahren, das auf eine Lackierung verzichtet. Das hat den Vorteil, dass die Haptik weich bleibt und das Leder durch seine weiterhin offenen Poren atmungsaktiv ist. Sitzkomfort und angenehme Wahrnehmung in höchster Ausprägung.
Perfekte Spurtreue und Kurvenlage
Von außen ist unser Alpina an dem Dekorstreifen unterhalb der Fensterkante zu erkennen. Weitere Merkmale sind die modifizierte Frontpartie, die dem Auto noch mehr Dynamik verleiht. Am Heck sind die Diffusoren, das sind die senkrechten Lamellen, optimiert, um einen noch besseren Andruck auf die Straße zu erzeugen. Das ist wichtig, weil der B4 GT auch in seiner Leistung gesteigert ist. Er hat in dieser Ausführung 539 PS, die ihn auf beachtliche 305 km/h beschleunigen. Obwohl wir dieses Tempo nicht erreichen, da wir auf öffentlichen Straßen unterwegs sind, genießen wir die fulminante Durchzugskraft des Motors in allen Tempi, auch weit oberhalb von 200 km/h. Bei jeder Geschwindigkeit, in jeder Kurve, trägt uns der Allradantrieb in Verbindung mit dem angenehm abgestimmten Fahrwerk sicher über den Asphalt. Der Start des Flugzeugs, das mich nach München gebracht hat, war weniger beeindruckend als die Beschleunigung des Alpina B4 GT auf der Autobahn.

Schnell gefahrene Kurven sind ein Genuss in diesem Auto. Die Spur hält der Testwagen ohne jede Abweichung. Die Fliehkraft drückt uns zwar zur Seite, aber die Sitze sind so gut ausgeformt, dass wir in der eingenommenen Sitzposition verharren, ohne zur Seite zu rutschen. Das ist wunderbar und keineswegs selbstverständlich. Das gelingt, obwohl wir im „Normalbetrieb“ nicht das Gefühl haben, in eine Schale eingepasst zu sein. Wir haben eher das Gefühl, auf ergonomisch perfekt gestaltetem Gestühl Platz genommen zu haben. Auch optisch sind die Sitze ein echter Hingucker, denn sie sind durch schön geführte Nähte – in der Mitte mit diamantförmigen Steppnähten – einfach schön.
Sie sind ein Teil der wirklich als ausgesprochen ästhetisch und hochwertig zu bezeichnenden Innenausstattung des B4 GT. Das nach meinem Empfinden cognacfarbene Leder passt gut zum dunklen Grün der Außenhaut. Das Armaturenbrett wird dominiert von einem breiten Display, das in klaren Farben die Bedienelemente wie auf einem Computerbildschirm für uns anzeigt. Unterhalb des Monitors, rechts des Fahrersitzes, finden sich einige manuelle Bedienelemente, die unter einer dekorativen Leuchtleiste angebracht sind – eingefasst von einer Carbonblende im oberen Bereich und dem Leder der Innenausstattung im unteren Bereich. Darunter können wir auf Fingerdruck eine Klappe öffnen, um Getränkebecher sicher zu verstauen. Auch diese ist aus Carbon gefertigt.
Das Cockpit des Fahrers dominiert der Firmenschriftzug, flankiert von Anzeigeinstrumenten in eckiger Form. Im Normalmodus sind sie blau unterlegt. Sobald wir in den Sportmodus schalten, leuchtet der Hintergrund rot. Einen Wechsel zu Rot vollführt auch die Ambiente-Beleuchtung in den Türen, wenn man sie öffnet, während die Zündung aktiv ist. Dann blinkt sie, wie ein Warnblinker, damit alle, die an uns vorbei gehen oder fahren möchten, gewarnt sind, dass da jemand eine Autotür öffnet.

Entsprechend der gesamten Gestaltung des Autos finden sich noch weitere Details im Inneren, die den kleinen, aber feinen Unterschied ausmachen. Die Kopfstützen ziert im linken unteren Teil der Schriftzug „GT“. Auf den Schaltwippen für den manuellen Eingriff in die Acht-Gang-ZF-Automatik findet sich der Schriftzug „Alpina“, in der Mitte des Lenkrads prangt das Logo – es ist eben ein besonderes Auto.
Ebenso selten ist, dass in unserem Testwagen theoretisch bis zu fünf Personen Platz finden. Für einen Sportwagen dieser Ausprägung sind das viele Passagiere, die den Genuss dieses Autos miterleben dürfen. Allerdings sollten auf der Rückbank nur drei kleinere Menschen Platz nehmen oder höchstens zwei Erwachsene, sonst wird es zu eng.
Wie das leise Grollen eines Löwen
Trotz aller Zurückhaltung und Eleganz kann und will der Alpina B4 GT nicht verbergen, dass er ein Sportwagen ist. Sobald wir den Motor starten, entlässt das Triebwerk einen sonoren Ton in die Welt. Das macht er aber in einer Lautstärke, die auch in Wohngebieten zu nachtschlafender Zeit gut vertretbar ist. Vorstellen kann man sich das wie einen Löwen, der warnend grollt, sich aber nicht im Angriffsmodus befindet. Das entspräche auch nicht dem Charakter des Alpina. Mit diesem Auto „weiß man, was man hat“, muss es aber nicht demonstrieren. Auf der Autobahn fährt eine ganze Weile ein Auto ähnlicher Leistungsklasse neben uns her. Offenkundig zeigt der Fahrer Interesse, uns zu einem Straßenrennen herauszufordern. Selbstverständlich gehen wir nicht darauf ein. Das verbietet sich ohnehin von selbst, aber wir haben es auch nicht nötig zu zeigen, was unser Auto kann. Wir sind uns dessen bewusst. Das reicht.

Wenn der Wagen beschleunigt, entsteht ein Andruck in den Sitzen, der stärker ist, als der eines startenden Verkehrsflugzeugs. Von der Turbine kommt ein kraftvolles Crescendo, das ist für wahre Auto-Enthusiasten ein echter Genuss. Beeindruckend ist, dass wir es nicht geschafft haben zu „erfahren“, dass der Durchzug irgendwann nachlässt oder erst verspätet vom Biturbo Motor zur Verfügung gestellt wird – er war einfach immer da. Den Begriff „Turboloch“ kennt unser Testwagen nicht.
Fazit: Der Alpina B4 GT ist der erste Alpina, den wir testen durften. Er hat uns tief beeindruckt und richtig Spaß gemacht. Bei einem Preis von 115.000 Euro ist die Gruppe der Menschen, die sich dieses Manufakt leisten kann, allerdings eher beschränkt. Sicherlich auch so gewollt, denn ein Alpina ist ein Einzelstück – für Sammler und Liebhaber. Da wäre es eher ein Nachteil, wenn er wie Massenware daherkäme. Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Test!