„Die Ärzte“-Schlagzeuger Bela B Felsenheimer hat seinen zweiten Roman geschrieben. „Fun“ heißt er und thematisiert Sexismus und Gewalt in der Musikbranche.
m sich wie ein frauenverachtendes Arschloch zu benehmen, muss man kein bekannter Rockmusiker sein. Das schafft auch ein Apotheker, der sich überhaupt nicht vorstellen kann, dass seine Auszubildende nicht unbedingt mit ihm ins Hotelbett will. Im Gegensatz zu Rockmusikern pflegen Apotheker aber kein Badboy-Image. Zumindest nicht in Bela B Felsenheimers neuem Roman „Fun“.
„Auf unseren Backstage-Partys ist auch nicht immer Disney … Fleisch ist vergänglich, meine Liebe, erst die Lust macht es unsterblich. Heute hatte ich nur Lust zu gaffen, aber meist will ich mehr, Madame. Das Fleisch muss nur jung genug sein. Und dann geb’ ich ihm die Angst. Die Angst vor dem, was kommt …“, spricht der Rockstar Maler Meister am Rande einer verstörenden Kunstausstellung einer Reporterin ins Mikrofon. Der Apotheker spielt derweil den liebevollen Ehemann und Vater und wartet auf seine Gelegenheit.
Die sieht er gekommen, als seine Frau zu einem Wochenende mit ihren Freundinnen die Stadt verlässt. „Hast Du ein Buch eingepackt?“, fragte er fürsorglich und hat auch ein Angebot: „Ich bin mit ,Scharnow‘ jetzt durch. Wirklich gut und deftig.“ Durch die Worte von Guido, dem Apotheker, lobt sich Bela B, der Autor, selbst. „Scharnow“ ist sein 2019 veröffentlichter erster Roman.

Scharnow ist ein fiktives Dorf nördlich von Berlin, Es wirkt, als ob sich hier Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Langeweile pur in der Provinz. Aber der Eindruck täuscht. Tatsächlich wird in Scharnow die Welt verändert: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten eine blutige Verheerung an – und mittendrin hat ein „Pakt der Glücklichen“ plötzlich kein Bier mehr. Die Ereignisse überschlagen sich, Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, verlieben sich ineinander. Der Leser hält den Atem an – die Leserin auch.
Die Frau des Apothekers hat darauf aber keine Lust. „Dieser Pseudo-Tatsachenroman von dem Musiker? Ehrlich, alles aufgebauschter Mist und voller Fehler“, lässt Bela B Felsenheimer sie ihrem Mann antworten. Eine Koketterie. Von der Kritik wurde „Scharnow“ nämlich zu Recht gefeiert. „Ein großer Spaß – mit tiefen Abgründen“, schrieb etwa „Der Spiegel“.
Polizei ermittelt gegen die Band
Ein großer Spaß ist der neue Roman von Bela B Felsenheimer nicht – auch wenn er ihn „Fun“ genannt hat. Tiefe Abgründe legt der Musiker, Schauspieler und Autor allerdings auch diesmal offen. Eine Band, von der Bela B schreibt, dass sie erfolgreich ist, aber nicht so erfolgreich wie Die toten Hosen und Die Ärzte – die Band, mit der er selbst bekannt wurde –, wird von den Eskapaden einiger ihrer Mitglieder eingeholt. Eine Frau erstattet eine anonyme Anzeige, weil sie auf einer Backstage-Party von zwei der Musiker vergewaltigt wurde.
Der Bandmager und die Tourmanagerin versuchen, die Band abzuschirmen – schließlich stehen drei große, wichtige Konzerte bevor. Danach soll es ins Ausland gehen. Und das Management weiß genau, welche Skandale medienwirksam sind und die Verkaufszahlen in die Höhe schießen lassen, und welche der Band wirklich schaden. Nun taucht aber die Polizei auf. Doch es ist nicht so ganz klar, ob die Polizisten wirklich ermitteln oder einfach nur die Nähe zu den Stars suchen und Selfies machen wollen. Einige der Beamtinnen und Beamten fragen jedenfalls sehr offensiv nach Backstage-Pässen, um Teil der großen Party zu sein, während sich einer der beschuldigten Musiker mit Alkohol und Drogen in eine Parallelwelt zu ballern versucht.
Nein, hat Bela B Felsenheimer in verschiedenen Interviews gesagt, er spreche da weder aus eigener konkreter Band-Erfahrung, noch wolle er mit der erfundenen Band „Nabel/Nabel“ auf Rammstein und die Anschuldigungen anspielen, die gegen die Band erhoben worden sind. Es gehe ihm um „patriarchale Strukturen“ generell. „Die Musiker wie auch die meisten anderen Männer in meinem Buch haben ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität“, erklärte er im „Spiegel“.
„Scharnow“ sollte man lesen
Frauen, die sich nach Begegnungen mit ihren Idolen sehnen und durchaus bereit sind, dafür auch einiges zu tun – die Grenzen aber selbst bestimmen und sich keine Gewalt antun lassen wollen. Sicherheitsmitarbeiter, die dafür sorgen, dass Frauen, die dem Geschmack der Bandmitglieder entsprechen, auf die Partys hinter der Bühne oder im Hotel kommen. Rivalitäten zwischen den Rockstars. Ein Security-Mann, der sein eigenes Ding macht. Dazu eine alte Geschichte, die in die Zeit zurückreicht, in der die Kultband Nabel/Nabel noch vor wenig Publikum auftrat. Und irgendwie wartet der Leser auf den wie von Darth Vader gekeuchten Satz: „Ich bin dein Vater.“
Der Roman heißt zwar „Fun“, aber er macht keinen Spaß. Er wirkt, als verkrampfe der Autor, weil er keinen Fehler machen will. Ein Rockmusiker schreibt über die Welt der Rockmusiker, er will auf Missstände hinweisen, aber niemanden beschuldigen. Er will humorvoll sein, aber nicht flapsig, weil das der Thematik nicht angemessen wäre. Der Stoff ist brisant und gewaltig – und unter alldem scheint die Leichtigkeit, mit der Bela B Felsenheimer die grandiose „Scharnow“-Geschichte erzählt hatte, begraben worden zu sein.
Das Interesse an „Fun“ und seinem Autor ist dennoch groß. Einige der Veranstaltungen der Lesereise, die Bela B Felsenheimer bis Ende des Jahres absolviert, sind bereits ausverkauft – unter anderem auch der Tourstart am 30. März in Berlin. Am 1. Oktober liest er wieder in der Nähe: im Nikolaisaal in Potsdam. Infos zur Lesereise: www.bela-b.de