Im Drama „Gotteskinder“ leben drei junge Menschen in der religiösen Gemeinschaft der Freikirche. Strenge Regeln und erste Liebe führen zur Tragödie. Regisseurin Frauke Lodders hat einen sehenswerten Film gedreht.
Konflikte mit den Eltern und die Suche nach der eigenen Identität: Jugend und Pubertät sind ohnehin stressig für junge Menschen. Wenn sie zudem in einer religiösen Gemeinschaft leben, können enge Grenzen helfen, sich im Wirrwarr der Gefühle zurechtzufinden. Oder ist der Glaube eher ein Fluch auf dem Weg ins Erwachsenenleben? Der Film „Gotteskinder“ erzählt von einer solchen Situation und gibt eine klare Antwort.

Hannah und ihr Bruder Timotheus wachsen in einer strengen Freikirche auf. Hannah will Vorbild sein für ihre Mitschülerinnen und predigt Enthaltsamkeit, nachdem sie ihr Keuschheitsgelübde abgelegt hat. Timotheus bereitet sich auf seine feierliche Taufe vor.
Die Dinge werden kompliziert, als Hannah sich gegen ihren Willen in den rebellischen Nachbarsjungen Max verliebt. Und Timotheus verguckt sich in seinen besten Freund Jonas und gerät in eine heftige Krise in der Überzeugung, dass seine Leidenschaft für seinen Freund falsch sei. Es kollidieren die Werte der Gemeinschaft mit den Gefühlen der jugendlichen Geschwister.
Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht in einer solchen religiösen Freikirche leben, dürften kaum fassen können, von welcher Gemeinschaft der Film „Gotteskinder“ erzählt. Nach außen hin sind die Familien nicht von anderen zu unterscheiden. Sie leben in Reihenhäusern, gehen normalen Berufen nach, fahren Auto und sind nett zu den Nachbarn. Im Innern aber geht das Leben andere Wege. Der Prediger auf der Bühne wird von den Jugendlichen bejubelt wie ein Popstar. Abends sitzen die Teenies am Lagerfeuer und singen mit einem Geistlichen an der Gitarre religiöse Lieder. In Seminaren suchen die jungen Leute verbissen nach neuen Möglichkeiten, ihrem Gott zu dienen und ihm zu gefallen.
"Seelsorge-Seminar" zur Heilung

Ihr sei zu Beginn der Film-Recherchen nicht bewusst gewesen, dass es solche evangelikale Christen in nennenswerter Anzahl in Deutschland gebe, sagt Frauke Lodders, die das Drehbuch zu „Gotteskinder“ geschrieben hat und auch Regie führte. „Ich war fasziniert und erschrocken zugleich. Hinter dem modernen und einladenden Äußeren befindet sich eine strikt konservative Welt, in der strenge patriarchale Regeln gelten.“ Drastische Grenzen müssten eingehalten werden, Toleranz gebe es nicht – auch nicht in der eigenen Familie, wie sich zeigt. Als Hannahs kleine Schwester spielerisch am Esstisch erzählt, sie habe im Kindergarten aus Spaß ihre Freundin geheiratet, kriegt sie vom Vater erst mal Prügel. Zwei Mädchen heiraten nicht, das müsse die Kleine lernen. Und Hannah – gespielt als Möchtegern-Vorbild mit einer Mischung aus Überzeugungskraft und Hinwendung zum Glauben – beendet ohne Zögern die Freundschaft zu ihrer besten Freundin, die sich aus Liebe mit einem Mitschüler trifft. Sex vor der Ehe geht gar nicht. Hannah bleibt standhaft gegenüber Max – gespielt von Michelangelo Fortuzzi mit pampigem Blick und verwuschelten Haaren –, der heftig mit ihr flirtet. Ihr Bruder Timotheus – Serafin Mishiev überzeugt im Konflikt zwischen Liebe und Glauben – hat nicht die Stärke seiner Schwester. Verzweifelt will er seinen Konflikt lösen, indem er in ein sogenanntes „Seelsorge-Seminar“ geht, um sich von seinen „unreinen“ Leidenschaften heilen zu lassen.
Frauke Lodders ging es bei ihrem Film um ein ausgewogenes Bild des Lebens in einer religiösen Gemeinschaft. „Ich wollte zeigen, wie Menschen in den Freikirchen aufgenommen werden und Zusammenhalt erfahren“, sagt die Regisseurin. In der ersten Hälfe von „Gotteskinder“ gelingt ihr das am Beispiel von Max. Er wird trotz seines rebellischen Auftretens von den erwachsenen Gemeindemitgliedern zwar misstrauisch beäugt, bleibt aber vorerst unbehelligt.
Jedoch ist die Bedrohung den jungen Leuten gegenüber jederzeit zu spüren und eskaliert, als Timotheus von der Büßergruppe in eine Sackgasse getrieben wird. Nur Hannah entscheidet sich final gegen individuelle Bedürfnisse, Meinungsfreiheit und persönliche Entfaltung, sondern für die freikirchliche Gemeinschaft. Ob ihr Weg jedoch gefestigt und von Dauer sein wird, ist angesichts ihres Verlustes fraglich. So ist „Gotteskinder“ eine scharfe Kritik an religiösen Gruppen und ihren Regeln, in denen der Glaube mehr Wert ist als der Mensch.