Seit vielen Jahren hat sich das Projekt der Lebenshilfe, der „Wintringer Hof“, einen hervorragenden Namen gemacht. Seit einem Jahr ist Küchenchef Christoph Unglaub für die kulinarische Handschrift des dazugehörigen Landgasthauses verantwortlich. Und ein Besuch lohnt sich, wie unser Tester findet.

Etwa zehn Kilometer südlich von Saarbrücken, am Ortsrand von Bliesransbach, liegt der „Wintringer Hof“ im Biosphärenreservat Bliesgau. Dieses Ensemble ist etwas ganz Besonderes! Hier finden Interessierte das Langasthaus Wintringer Hof mit Hofgarten, das Gästehaus mit vier Zimmern, die Wintringer Kapelle, einen Hofladen und einen Landwirtschaftsbetrieb, der schon seit 1987 von Bioland zertifiziert ist. Betreiber ist die Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung; Inklusion trifft Biolandwirtschaft. Ein eigener Kosmos, in dem Menschen im harmonischen Einklang mit Tier und Natur beste Lebensmittel produzieren. Vor etwa zehn Jahren wurde der Hof kräftig weiterentwickelt.
Sehr beliebt für Hochzeitsfeiern

Weil auf dem Hof so viel Gutes wächst und gedeiht, tat man das Naheliegende: Die Betreiber entkernten eine Stallung, bauten alles neu auf und eröffneten 2015 auf dem historischen Teil des Hofs das eigene Landgasthaus. Dort, wo ehemals Mönche ihre einfachen Speisen einnahmen, ist ein lebendiger Gasthof entstanden, in dem mit guten Zutaten geschmackvoll gekocht wird. Das Restaurant im Erdgeschoss ist schön gestaltet, großzügig, mit ruhigen Farben und einladend mit viel Holz. Im großen Gastraum darüber wird an Samstagen Hochzeit gefeiert. Wer Interesse daran hat, sollte allerdings frühzeitig vorbestellen, denn diesen Ort suchen sich viele Paare für ihre Hochzeit aus! Getraut werden die Paare in der mittelalterlichen Wintringer Kapelle auf dem Gelände. Und auch die Aussicht vom Hofgarten, der Terrasse vor dem Restaurant, ist besonders. Über die Hügel des Bliesgaus schaut man bis zu den Vogesen.

Begrüßt werde ich von Semsettin „Samu“ Ocak und dem Küchenchef Christoph Unglaub. Letzterer ist seit etwa einem Jahr für die Küche hier verantwortlich. Inklusion auf dem Hof bedeutet, dass nicht nur im Hofbetrieb, sondern auch im Housekeeping des kleinen Gästehauses sowie in Küche und Service des Restaurants Menschen mit Behinderung arbeiten. Und das sehr freundlich und zuvorkommend. Samu Ocak stammt aus Lübeck und ist mittlerweile 25 Jahre im Saarland. Davon nun zehn Jahre alleine auf dem „Wintringer Hof“. Vorher war er in Kiel, Köln und Aachen.

In Aachen lernte er einen Saarländer kennen, und dieser nahm ihn mit ins Saarland. Eigentlich wollte Ocak ein Jahr bleiben, mittlerweile hat er mehrere Stationen auch im Saarland hinter sich. Er war beispielsweise auf dem „Hofgut Imsbach“, im „Eurostrand“ in Leiwen an der Mosel und im „Esplanade“. Parallel dazu machte er seine Weiterbildung zum Fachwirt im Gastgewerbe und darf auch selbst Köche ausbilden. Anfangs hatte er zudem eine beratende Funktion beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga auf dem „Wintringer Hof“, und daraus wurde vor zehn Jahren eine Festanstellung.
„Ich bin sehr gerne hier“, erzählt er. „Der Job an sich, diese sinnstiftende Tätigkeit in der Gastronomie und die Menschen mit Behinderung, das ist ein toller Job.“ Sein Aufgabengebiet hat sich im Laufe der Zeit immer weiter vergrößert. So kümmert er sich heute auch um die Kantinen der Lebenshilfe. Diese hat zwei Großkantinen mit rund 1.000 Essen am Tag. Beliefert werden etwa die Kantine im Arbeitsamt, die der IKK, des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums. Ocak erklärt: „Wir kochen auf dem Eschberg, und von dort aus werden die Kantinen beliefert. Unser Landgasthaus hier ist der Fine-Dining-Bereich.“
Auch in den Kantinen arbeiten sie mit den Biolandprodukten vom „Wintringer Hof“ und komplett ohne Geschmacksverstärker sowie chemische Zusatzstoffe. Kürzlich gab es etwa ein Hühnergeschnetzeltes, da stammte das Fleisch natürlich von hier. „Ebenso heute der Schweinebraten, das Fleisch ist vom Wintringer Hof“, ergänzt er. Dort zelebrieren sie eine regional-saisonale Schiene ohne Kompromisse.
180.000 Liter Saft aus Eigenproduktion

Ursprünglich fingen sie auf dem „Wintringer Hof“ mit einem klassischen Landgasthaus an. Ehrlich, aber einfach. Aber dadurch, dass sie eine hundertprozentige Biolandschiene fahren, mit 99 Schweinen, 101 Rindern und 750 Hühnern sowie dem Anbau von Gemüsen, gab es keinen Grund, nicht mehr zu wollen. Ob Paprika, Gurken, Kartoffeln und vieles mehr: Alles ist von „Bioland“ zertifiziert. Natürlich auch das viele Obst, das sie hier anbauen. Jedes Jahr werden hier etwa 180.000 Liter Saft produziert – Apfelsaft, Apfel-Quitten-Saft, Apfel-Trauben-Saft, Traubensaft und neuerdings auch Apfel-Kirsch-Saft. Produziert wird auch Apfel Secco, ein Getränk ähnlich dem Cidre, aber noch süffiger und gehaltvoller im Geschmack. Samu Ocak betont: „Unser Apfel Secco hat in den vergangenen fünf Jahren auf den Hochzeiten, die auf dem Hof gefeiert werden, den Crémant abgelöst.“ 90 Prozent ihrer Veranstaltungen laufen mittlerweile mit Apfel Secco, der einen Alkoholgehalt von 13 Volumenprozent hat.
Irgendwann begann das Team des „Wintringer Hofes“ mehr Wert auf gut angerichtete Teller zu legen. Und so war es nur noch ein kleiner Schritt dahin, ihr Essen als Kunstwerk zu präsentieren. So entstand letztlich der Anspruch, Fine-Dining zu entwickeln. Ich habe in den vergangenen Jahren auch beobachtet, dass eine gute regionale Küche mit solchen Produkten wie hier sehr an Ansehen bei den Gästen gewonnen hat.

Da auch der Wintringer Hof vom 9. bis 23. März an den Hülsenfrüchtewochen von Slow Food Saarland teilnimmt (siehe FORUM, Ausgabe 09), wünsche ich mir bei meinem heutigen Besuch einen Teller, den sie während dieser Wochen auf der Karte haben. Wie erwähnt heißt seit etwa einem Jahr der Küchenchef hier Christoph Unglaub. Natürlich arbeitet auch er sehr gerne und kollegial mit der hauseigenen Metzgerei zusammen. Dieser Tage fängt so langsam die Hochzeitssaison an, und an jedem Wochenende geht es hier rund. Die Wintringer Kapelle ist wie kaum ein anderer Ort für besondere Hochzeiten frequentiert.
Christoph Unglaub ist froh, mit seiner Küche Teil der Hülsenfrüchtewochen zu sein: „Wir machen bereits seit vier Jahren bei diesem Projekt mit. Slow Food und die Philosophie dahinter sind für uns sehr wichtig! Für mich heißt das: die Kunst des bewussten Essens. Mit den Hülsenfrüchten kann man sehr viel auf dem Teller zaubern.“
Unglaub liebt seinen Beruf als Koch. Gelernt hat er am Bodensee, auf der Insel Lindau. Danach arbeitete er im damaligen Sternerestaurant „Hotellerie Hubertus“ in Tholey, danach im Restaurant „Burg Kerpen“ und im „Esplanade“. Letzte Station vor dem „Wintringer Hof“ war das „Restaurant Martinis“ in Bildstock, wo er als Küchenchef tätig war. Viele im Saarland haben bestimmt auch vor ein paar Jahren die Fernseh-Sendung „Mein Lokal, dein Lokal“ gesehen, in der Unglaub mit antrat. Er gewann damals den Wettbewerb zusammen mit dem Restaurant „Bliesgau Scheune“ in Rilchingen-Hanweiler.
Ein wahrer Gaumengenuss
Christoph Unglaub bereitet uns Beluga-Linsen in Kokos-Curry-Milch zu, zudem auf der Haut gebratenen Biolachs, Kapuzinerkresse, dazu einen Chorizoschaum mit Scampi und Flower Sprouts – einer Kreuzung aus Rosenkohl und Grünkohl. Diese britische Neuzüchtung ist auch als Kalettes, Kohlröschen und Wilder Rosenkohl im Handel erhältlich. Zuweilen werden die Flower Sprouts in Anspielung auf ihr Petticoat-ähnliches Aussehen auch „Pettikohl“ genannt. Sie schmecken leicht nussig und milder als ihre engen Verwandten. Als typisches Wintergemüse haben Flower Sprouts von November bis Mitte März Saison.
Das Essen schmeckt wunderbar und hat meinen Gaumen wirklich verwöhnt. Klasse! Übrigens: Auch die Weinkarte hat viele regionale Kreszenzen. Hier trank ich beispielsweise vor Jahren meinen ersten Wein aus dem Bliesgau. Es ist eine Freude zu sehen, wie Regionales von höchster Qualität in diesem Haus zelebriert wird.