Mit seiner Meinung ist Viktoria Berlin relativ einsam – und das nicht nur in der Hauptstadt: Der Berliner Vertreter in der Regionalliga stellt sich als einziger Verein in der Nordost-Staffel gegen die Reforminitiative.
or der gerade durchgeführten Bundestagswahl warben die „Himmelblauen“ auf ihren Internetseite für eine Teilnahme an der Abstimmung – Slogan: „Deine Stimme zählt – Wähle am 23. Februar für die Zukunft“. Mehr mediale Aufmerksamkeit dürfte Viktoria Berlin allerdings jüngst durch das eigene Wahlverhalten erzeugt haben. Als einziger von 18 Vereinen aus der Regionalliga Nordost schloss sich der Club nicht der Initiative zur Reform der Spielklasse unter dem Motto „Meister müssen aufsteigen“ an.
Gleichberechtigte Aufstiegsregelung

Medienwirksam hatten sich fünf Verantwortliche stellvertretend für die 17 befürwortenden Clubs am 12. Februar in Chemnitz getroffen, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen sowie drei Modelle zur Veränderung des Status Quo vorzustellen. Mit der Überschrift „Aufstiegsreform 2025“ vermittelten die Verantwortlichen obendrein, dass sie auf eine zeitnahe Lösung drängen. Aktuell stellen die Regionalligen Südwest und West – begründet mit der im Vergleich höchsten Anzahl ihrer Mitglieder – jedes Jahr einen Aufsteiger in die 3. Liga. Die Staffeln Bayern, Nord und Nordost hingegen müssen sich abwechselnd – also jeweils alle drei Jahre – mit einem sicheren Aufsteiger begnügen. Die Meister der anderen beiden Staffeln tragen dann jeweils Qualifikationsspiele gegeneinander aus, um den vierten Kandidaten für die 3. Liga zu ermitteln.
Dagegen regt sich nun also Widerstand im Nordosten, wo viele Traditionsvereine immerhin für den höchsten Zuschauerschnitt (rund 3.000 pro Spiel) der fünf Regionalligastaffeln sorgen. Die bestehende Aufstiegsregelung sorge nach Auffassung der Protestierenden für eine Benachteiligung – denn eine Wirtschaftlichkeit für die Vereine sei durch die geringeren Perspektiven, wieder auf die nationale Bühne zurückzukehren, nicht gegeben. So unterstrich Daniel Meyer, Sportdirektor des Halleschen FC, auf der von der Initiative anberaumten Pressekonferenz: „Wir sind viel zu lange in einer Situation, die völlig unbefriedigend ist, und haben auch gesagt, dass es nicht akzeptabel ist, dieses Thema weiter vor sich her zu schieben. Wir denken, eine viergleisige Regionalliga wäre der sinnvollste Lösungsvorschlag.“ Die einzelnen Staffeln sollen dabei von 18 auf 20 Teilnehmer erweitert werden – von den aktuell insgesamt 90 Regionalligisten blieben dann noch 80 erhalten. Weitere Modelle thematisierten eine Playoff-Runde aller fünf Meister (also unter Beibehaltung des bisherigen Staffelsystems), um die vier Aufsteiger zu ermitteln, oder die Erweiterung der 3. Liga von 20 auf 22 Teilnehmer (mit weiterhin vier Absteigern am Saisonende) bei gleichzeitiger Reduzierung der Regionalliga auf vier Abteilungen.

Die Reformierung der Aufstiegsregelung an und für sich unterstützten dabei auch die aktuellen Berliner Teilnehmer BFC Dynamo, VSG Altglienicke, FC Hertha 03 und Hertha BSC (vertreten mit seiner zweiten Mannschaft / U23). Warum also schert Viktoria aus und gibt den einsamen Abweichler? Die Lichterfelder profitierten schließlich 2021 selbst von einem direkten Aufstiegsplatz (als der Nordosten turnusmäßig damit an der Reihe war). Allerdings, und das könnte einer der ausschlaggebenden Punkte sein, erwies sich die 3. Liga letztlich nicht als Glücksfall für Viktoria. Zwar war das Team als Außenseiter eine Liga höher zunächst durchgestartet, musste am Ende aber doch noch den Gang zurück in die Regionalliga antreten. Über allem stand letztlich die ernüchternde Erkenntnis, dass Verein und Mannschaft in Berlin als „Nummer drei“ hinter Union und Hertha BSC keine Akzeptanz fanden, was sich in nur bescheidenen Zuschauerzahlen ausdrückte und die Saison so auch finanziell allein schon durch die weiten Reisen auf nationaler Ebene zum Kraftakt machte. Daher entschlossen sich die Verantwortlichen bei Viktoria mitsamt dem Investor SEH nach dem Abstieg zu einer Zäsur und einem Paradigmenwechsel – hin zu einem reinen Ausbildungsteam gebildet aus jungen Perspektivspielern, die sich für einen Transfer auf eine höhere Ebene weiterempfehlen sollen. Bei einem solchen Modell scheint die Regionalliga bei Viktorias Voraussetzungen allerdings das höchste der Gefühle zu sein. Umgekehrt wäre dieser Ansatz im Fall einer Rückstufung in die Fünftklassigkeit nicht mehr praktikabel, da die Oberliga für Talente als Bühne keinen Anreiz bietet.
"Vereine würden auf der Strecke bleiben"
Allerdings befürchtet man beim Nachfolgeverein des Deutschen Meisters von 1908 und 1911 selbst im Fall der Einführung einer Regionalliga Ost mit zwanzig Teams organisatorische und finanzielle Probleme: „Das wäre aus unserer Sicht keine gute Lösung – eine ganze Reihe von Vereinen würde auf der Strecke bleiben, es wären mehr Spiele pro Saison, deutlich weitere Auswärtsfahrten, die wiederum mit höheren Kosten verbunden sind.“ Da sich aber in der Nordost-Staffel auch die weniger finanzstarken Clubs für die Reformpläne aussprachen, weckt das Argument erneut auch gewisse Zweifel. Schließlich hatte im August Geschäftsführer Rocco Teichmann, der zwei Jahre zuvor noch den Paradigmenwechsel in Lichterfelde mittrug, das Handtuch geworfen – im selben Zug verließen auch Sportdirektor Bernd Nehrig und der gerade erst ins Amt gekommene Trainer Dennis Kutrieb den Verein. Teichmann hatte später gegenüber der „Berliner Morgenpost“ dann in aller Deutlichkeit formuliert: „Um auf diesem Niveau hauptamtlich Fußball anzubieten, brauchst Du einen stabilen Partner – das ist die SEH in meinen Augen rein wirtschaftlich nicht.“ Auch Nehrig („Wir haben es als Club nicht geschafft, professionell zu arbeiten“) äußerte sich kritisch über die Strukturen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber in der „Fußball-Woche“. So könnte der „Alleingang“ hinsichtlich der Reforminitiative als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass die seit fünf Jahren existierende FC Viktoria Berlin Fußball GmbH schon aktuell in der Regionalliga Nordost an ihre Grenzen stößt.
Dabei braucht man sich in Lichterfelde über die Reduzierung der Regionalligen auf vier Staffeln eigentlich keine Sorgen zu machen. Im Fall einer Abstimmung auf dem DFB-Bundestag im Herbst verfügt der NOFV nur über 22 der insgesamt 262 Stimmen – und die Reaktionen aus den restlichen Staffeln zu dem Vorstoß deuteten bislang auf alles andere als eine Mehrheit hin.