Christopher Trimmel und Josip Juranovic besetzen bei Union Berlin die Rechtsverteidiger-Position. Ob beide über den Sommer hinaus im Club bleiben, ist offen – aus unterschiedlichen Gründen.
Bevor Omar Traoré der Durchbruch bei den Profis gelang, verdiente der Deutsch-Togolese als Pizzabote sein Geld. Irgendwie musste er damals ja finanziell über die Runden kommen, ohne seinen Traum vom Leben als Fußballprofi komplett aufzugeben. „Oft hat man mir die Frage gestellt: Spielst du noch Fußball? Man wusste auch nicht, was man drauf antworten sollte“, sagte der heutige Bundesligaspieler des 1. FC Heidenheim: „Man konnte ja nicht wissen, was später noch kommt.“ Was kam, ist rückblickend betrachtet fast schon ein Märchen. Seit Heidenheim den Rechtsverteidiger 2023 unter Vertrag nahm, geht es für ihn nur aufwärts. Erst der Aufstieg in die Bundesliga, dann der Einzug in den Europapokal. Auch dort überzeugte Traoré bis zum Zwischenrunden-Aus mit guten Leistungen, sodass selbst international renommierte Clubs wie der FC Valencia oder Lazio Rom Interesse an der Verpflichtung des 27-Jährigen haben sollen. Und auch der 1. FC Union Berlin soll sich Medienberichten zufolge mit dem gebürtigen Osnabrücker beschäftigen.
„Konnte ja nicht wissen, was später kommt“
Die beiden etatmäßigen Rechtsverteidiger im aktuellen Kader der Eisernen sind Christopher Trimmel und Josip Juranović. Der eine ist Kapitän und Publikumsliebling, der andere kostete den Verein einst stolze 8,5 Millionen Euro. Und dennoch ist die Zukunft der beiden Profis über den Sommer hinaus bei Union alles andere als sicher. Trimmels Vertrag läuft Ende Juni aus, der 37-Jährige spielt sportlich eine immer unbedeutendere Rolle. Zwar kommt er in dieser Saison auf 16 Bundesligaeinsätze, allerdings profitierte er dabei von einem wochenlangen Ausfall seines teaminternen Rivalen Juranović. Zuletzt wurde Trimmel – wenn überhaupt – nur noch eingewechselt.

Doch innerhalb der Kabine, das betonen Mitspieler und Verantwortliche nach wie vor, ist Trimmel ein enorm wichtiger FĂĽhrungsspieler. Und auch als Identifikationsfigur wird der Ă–sterreicher im Club gebraucht, nachdem in den vergangenen Transferperioden die Mannschaft fast komplett ausgetauscht wurde.
Als Trimmel jüngst in der Alten Försterei für sein 350. Union-Spiel geehrt wurde, gab es von den Rängen Standing Ovations und Sprechchöre – und beim gestandenen Profi feuchte Augen. Die Verbundenheit zum Club und zu den Fans will Trimmel nicht so schnell aufgeben, auch wenn er sportlich nicht mehr richtig zum Zug kommt. „Ich bin fit, ich bin gesund, ich akzeptiere gewisse Rollen, bin nicht mehr der absolute Stammspieler“, sagte der Flügelspieler. Die Entscheidung über Trimmels Zukunft dürfte erneut erst spät fallen. Auch im Vorjahr verlängerte er erst kurz vor Ablauf seines Vertrags. „Mir macht es auch Spaß, hintendran zu sein. Solange das noch passt und der Verein auch noch überzeugt ist, würde ich mich freuen, noch länger hier zu sein“, sagte Trimmel.
Das allein reicht Juranović nicht, um seine Zukunft weiter in Berlin zu sehen. Der Kroate ist mit 29 Jahren in einem Alter, in dem er sich seine nächsten Karriereschritte noch genauer überlegen muss. Auch, weil die Nationalmannschafts-Ambitionen für den EM-Teilnehmer daran geknüpft sind. Zwei Jahre in Folge steckt Juranović mit Union nun schon im Abstiegskampf der Bundesliga, das schmälert seine Chancen bei Nationaltrainer Zlatko Dalić. Seit der Europameisterschaft in Deutschland wurde Juranović auch verletzungsbedingt nicht mehr in den Kader der Kroaten berufen. Nach der hartnäckigen Fußverletzung, wegen der er die ersten Ligaspiele verpasste und danach nur schwer in Tritt kam, hat Juranović aber seinen Rhythmus wieder gefunden. Er zählte in den vergangenen Spielen zu den besten Unionern, ging beim jüngsten 0:6-Debakel bei Borussia Dortmund aber auch unter. Es habe ihn „geschmerzt, die Mannschaft von der Tribüne aus spielen zu sehen“, äußerte Juranović. „Die drei, vier Monate waren schwer für mich. Meine Familie und meine Frau haben mir sehr geholfen.“ Jetzt darf er wieder auf dem Platz mithelfen – und nichts macht den gebürtigen Zagreber glücklicher.
Interesse am Spieler sollte vorhanden sein
Das Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund genoss Juranović aber nur vor dem Anpfiff. „Es ist immer unglaublich, so etwas zu erleben“, sagte er. Vor 80.000 Zuschauern zu spielen und eine solche Atmosphäre einzusaugen, sei ein Grund, warum er Fußballprofi geworden sei: „Dort möchtest du spielen.“ Als Gast, selbstredend. Denn für ein Interesse des BVB ist Juranović nicht im richtigen Alter und wohl auch nicht gut genug. Dennoch dürfte es Vereine geben, die einer Verpflichtung nicht abgeneigt wären, sollte sich der Kroate für einen Tapetenwechsel entscheiden. Denn natürlich hatte er sich mehr Erfolg ausgerechnet, als er im Winter 2023 vom schottischen Topclub Celtic Glasgow zu Union Berlin gekommen und wenige Monate später die Champions-League-Qualifikation gefeiert hatte. Von der Königsklasse ist Union meilenweit entfernt, eine Rückkehr in den Europapokal dürfte auf absehbare Zeit unrealistisch sein.
Und auch die Union-Verantwortlichen dürften ins Grübeln kommen, ob man den Großverdiener bei einem guten Angebot ziehen lassen soll. Die 8,5 Millionen Euro, die der Club vor zwei Jahren an Celtic überwies, sind aber definitiv nicht mehr drin. Die Verletzungsanfälligkeit, die Juranović in dieser Saison zeigt, wirkt sich negativ auf den Marktwert aus. Auf der anderen Seite besticht der Rechtsverteidiger mit Konstanz und Teamtauglichkeit. Selbst mit seinem teaminternen Rivalen Trimmel versteht sich Juranović nach eigener Aussage „gut, wir helfen uns immer gegenseitig“. Juranović weiß, was für eine Bedeutung Trimmel bei den Eisernen hat: „Er ist hier im Verein eine Legende.“
Für das Einleben seines Landsmannes Marin Ljubičić, der in der Winterpause gekommen war, um die Sturmnot zu beheben, fühlt sich Juranović mitverantwortlich. „Ich bin jetzt fast 30 und damit in einem Alter, in dem ich über viel Erfahrung verfüge.“ Die wolle er an Ljubičić weitergeben. Beide kennen sich aus gemeinsamen Profizeiten in Split und in Österreich beim Linzer ASK. „Ljubičić ist ein Kämpfer, er gibt nie auf“, sagte Juranović. „Er kann auch auf dem linken oder rechten Flügel spielen. Er ist noch jung und muss viel lernen. Ich denke, dass Union ihm für seine Zukunft helfen kann.“ Wie es um seine eigene Zukunft über das Saisonende hinaus aussieht, wird sich bald herausstellen. Sein Vertrag bei Union läuft noch bis 2027. Er fühlt sich wohl in Berlin-Köpenick, der neue Trainer Steffen Baumgart setzt auf ihn. „Wir kämpfen unter dem neuen Trainer wie in meiner ersten Saison“, zog Juranović eine Parallele zum Aufstiegstrainer Urs Fischer. Doch davon war beim Auswärtsspiel in Dortmund nur wenig zu sehen. Der BVB überrollte Union förmlich und schenkte dem Baumgart-Team gleich sechs Tore ein. Vor allem in der Schlussviertelstunde war der Auftritt eine Blamage. „Das Spiel nahm einen Lauf, den ich so nicht erwartet habe. Das muss ich erst mal sacken lassen. Ich kann da keine klare Antwort geben“, sagte Baumgart unmittelbar nach dem Spiel. Am Sonntag (2. März) im Heimspiel gegen Holstein Kiel muss fast alles besser werden – ansonsten droht doch wieder der Abstiegskampf. Danach folgen die zwei schweren Spiele bei Eintracht Frankfurt und gegen den FC Bayern München, ehe es in die erste Länderspielpause des Jahres geht.