Als Spieler war er Weltmeister, als Trainer arbeitete er schon in der stärksten Liga der Welt – doch ab Sommer schlägt der Handballer Markus Baur bei Drittligist HG Saarlouis ein neues Kapitel auf. Es ist sein zweites im Saarland.
Mit dieser Nachricht hat die HG Saarlouis in der deutschen Handballwelt für Aufsehen gesorgt: „Markus Baur wird bei der HGS Sportdirektor“. Der frühere Weltklasse-Spielmacher, der an der Seite von Christian Schwarzer und Co. 2007 Weltmeister wurde, wurde nach Vereinsangaben „langfristig verpflichtet“ und soll den Drittligisten zurück in die 2. Bundesliga führen. Derzeit liegen die Saarländer auf Platz vier in der Südwest-Staffel der 3. Liga.
Der Aufstieg in die zweite Bundesliga
„Die Verantwortlichen der HG Saarlouis wollten etwas verändern und haben mich angesprochen“, erzählt Markus Baur kurz und knapp, wie es zur Zusammenarbeit kam: „Ich habe mir dann genau angehört, was sie zu sagen hatten. Was sie vorhaben und wie sie es machen wollen, klang sehr schlüssig und interessant. Also haben wir beschlossen: Gehen wir’s an!“ Die Verantwortlichen, das sind in erster Linie HG-Präsident Dr. Steffen Freichel und der Vorsitzende Dr. Daniel Müller, aber auch der sportliche Leiter Daniel Altmeyer. „Wir freuen uns sehr, dass sich Markus Baur dafür entschieden hat, den Weg mit der HG Saarlouis in Richtung Profi-Handball im Saarland zu gehen“, sagte Daniel Müller bei der Vertragsunterzeichnung und ergänzte: „In spannenden und intensiven Gesprächen konnten wir Markus von unserer Idee und Vision der HGS überzeugen. Markus teilt die Werte der HGS und wird unserem Verein enorm viel geben.“ Das über allem schwebende Ziel ist der Aufstieg in die 2. Bundesliga, der die HG zwischen 2009 und 2018 angehörte. Die Herausforderung dabei: Nur zwei Mannschaften gehen aus den acht Teilnehmern an der Aufstiegsrunde mit den Meistern und Vizemeistern der vier Drittliga-Staffeln hervor. „Das ist schon hart“, weiß Baur, mit dessen Verpflichtung die für die Bewältigung der Aufstiegs-Odyssee nötige Professionalisierung eingeleitet wurde.
Markus Baur ist 54 Jahre alt, stammt aus dem baden-württembergischen Meersburg und ist seit Juli 2007 als Handballtrainer und Fernsehexperte tätig. Der zweifache Handballer des Jahres (2000 und 2002) spielte zuvor selbst auf der Spielmacher-Position in der Rückraummitte – unter anderem für die SG Wallau/Massenheim (1993 bis 1997), die HSG Wetzlar (1998 bis 2001), den TBV Lemgo (2001 bis 2007), aber auch ein Jahr beim damaligen Bundesligisten TV Niederwürzbach (1997/1998).
„Ich kenne die Clubs hier schon. Ich habe ja auch eine Vergangenheit im Saarland – auch, wenn sie nur kurz war. Aber ich war auch vier Jahre lang Junioren-Bundestrainer. In der Zeit haben es auch Spieler aus dem Saarland ins Team geschafft“, sagt Baur und erklärt: „Aber leider müssen die Toptalente das Saarland derzeit verlassen, um den nächsten Schritt zu gehen. Das tut jedes Mal in der Seele weh. Vielleicht können wir das gemeinsam ändern.“ Dass das Saarland selbst genug Talente für dieses Konzept hergibt, zeigt die Vergangenheit. Immer wieder schafften es Spieler, sich als Profis in Deutschland zu etablieren – jüngstes und leuchtendes Beispiel ist Nationalmannschafts-Shootingstar Marko Grgić.

und Christian Schwarzer) Weltmeister - Foto: imago/Sven Simon
Ist es vielleicht sogar eine Option, einige der saarländischen Talente, die sich in den erweiterten Kadern der Bundesligisten tummeln, wieder zurückzuholen? Beispielsweise die Brüder Lennart und Laurin Karrenbauer und Alexander Momber, die derzeit allesamt bei den Rhein-Neckar Löwen unter Vertrag stehen? „Es wäre sicher nicht der erste Schritt, Spieler, die gerade schon auf dem Weg sind, sich auf sehr hohem Niveau weiterzuentwickeln, aus diesem Umfeld herauszunehmen“, sagt Baur dazu: „Das wäre für unser Projekt zwar schön, aber das würde bei jenen, die schon Erstliga-Einsatzzeiten bekommen, die individuelle Entwicklung gefährden.“ Es gehe vielmehr darum, zusammen mit dem Handballverband Saar eine „breite Basis“ zu schaffen, von der alle profitieren und auf deren Grundlage der Aufstieg gelingen kann. „Wichtig ist, dann auch vorbereitet zu sein und nicht vom eigenen Erfolg überrascht zu werden“, weiß Baur und merkt an: „Dann ist man schnell wieder weg.“
Das will Markus Baur nicht sein. Er sieht das „Projekt 2. Liga“ bei der HG mittelfristig angelegt. Dafür fehlt derzeit noch ein Trainer. Der aktuelle Coach, Philipp Kessler, hört nach der laufenden Runde auf. „Es muss einer sein, der voll hinter diesem Projekt steht“, betont Baur. Spekulationen, beispielsweise der „Saarbrücker Zeitung“, blockt er ab. Die „SZ“ hatte den 39-jährigen Ex-Profi Jörg Lützelberger ins Spiel gebracht, der zuletzt die HSG Konstanz trainierte und in die 2. Liga führte. Auch wird der ehemalige Nationalspieler Holger Löhr (54), genannt, derzeit Trainer der drei eben genannten Saarländer in der U23 der Rhein-Neckar Löwen. Hinzu kommen Frank Carstens (53), der aktuell noch Bundesligist HSG Wetzlar trainiert, und Jamal Naji (38). „Einige davon haben mich angeschrieben und gefragt: ‚Hallo? Habe ich was verpasst?‘“, berichtet Markus Baur schmunzelnd und gibt zu: „Zumindest ist der Bezug zu allen gegeben. Ich kenne alle sehr gut und bin mit einigen befreundet. Von daher war das ganz interessant. Aber noch mal: Es muss einer sein, der für die Arbeit an diesem Projekt brennt. Er muss nicht mein Freund sein.“
„Das Ganzheitliche reizt mich“
Viele dachten anfangs gar, dass Baur selbst das Traineramt bei der HG übernehmen würde. Erst beim zweiten Hinschauen entdeckten sie in der Nachricht den Zusatz „Sportdirektor“. Nach Trainer-Stationen wie Lemgo, TuS N-Lübbecke, TVB 1898 Stuttgart und zuletzt bis 2024 Frisch Auf Göppingen steht für ihn ein Perspektivwechsel an. „Das Ganzheitliche reizt mich, also auch die Talententwicklung, die Schaffung professioneller Strukturen und all das. Ich bin für den gesamten sportlichen Bereich im Verein verantwortlich. Dazu gehören natürlich die Trainersuche und die Personalisierung der Mannschaft und drumherum, aber auch der Jugendbereich“, stellt Baur klar und zieht in Sachen Kompetenzen eine klare Grenze: „Ich bin nicht dazu da, dem Trainer zu sagen, was er zu tun hat.“
Apropos: Was fehlt außer einem Trainer sonst noch? „Ich werde jetzt keine Positionen nennen. Es gibt laufende Verträge, und ich werde zusammen mit dem Verein und dem künftigen Trainer ganz genau schauen, was möglich ist, um das gesamte Konstrukt zu verbessern“, sagt Markus Baur, der den Sportstandort Saarland schon jetzt zu schätzen weiß: „Hier gibt es alles, was es in anderen Bundesländern auch gibt. Nur sind die Wege hier allgemein kürzer. Das sollte man dann auch nutzen.“