Dank langer Erfahrung in der Herstellung handgemachter Dips und Salate hat „Ceylans Feinkost“ im vorigen Jahr den ersten Preis eines Gourmetwettbewerbs gewonnen. Grund genug, einmal etwas von den cremigen Köstlichkeiten des Familienunternehmens zu probieren.

Es ist knackig kalt an diesem Samstagvormittag im Prenzlauer Berg. Doch der Himmel ist blau, die Sonne scheint, und die Menschen auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz sind in Kauflaune. So auch ein Mann mit grauem Haar und Schiebermütze, der vor dem Stand von „Ceylans Feinkost“ steht. Er lässt seinen Blick über die ansehnlich hergerichtete Auslage samt zahlreicher Pasten, Dips und Salaten wandern, bevor er sich für ein Schälchen mit gefüllten Weinblättern entscheidet. Zahlreiche Behälter mit Dips in etlichen vegetarischen und nicht-vegetarischen Geschmacksvarianten reihen sich hinter der Scheibe aneinander. Zu Spezialitäten aus der Türkei kommen Leckereien aus dem arabischen Raum sowie aus Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich. Hier die grüne Ruccolapaste, da pinkfarbene Tamaras und dort ein gelber Kaschmir Brotaufstrich. Dazwischen Artischocken mit getrockneten Tomaten, ein ägyptischer Linsensalat und Pollo di tonnato – die Qual der Wahl ist groß. Mehr als schätzungsweise 20 oder 25 verschiedene Varianten buhlen um Aufmerksamkeit.
Der Milano-Dip ist ein zarter Gaumenschmaus

Der ältere Herr, der sich für die gefüllten Weinblätter entschieden hat, lässt sich auf einen kurzen Plausch mit der Fotografin und mir ein. Auf Nachfrage stellt er sich als Friedrich-Wilhelm Nehl vor und erzählt, dass er Stammkunde sei. Dass es hier so viele südeuropäische und türkische Spezialitäten gibt, kommt ihm entgegen, denn er hat eine Zeit lang in Istanbul gelebt. „Ansonsten kaufe ich hier meistens gebratene Auberginen oder Milano“, sagt er. „Etwas Paste in ein Stück Pide füllen – lecker!“ Auch das ältere Paar, das kurz daraufhin vorbeikommt, gehört zu den Stammgästen und weiß nur Positives zu berichten.
Der Standverkäufer Sertac Köroglu beobachtet unsere Konversation und lacht: „Da brauche ich ja gar keine Werbung mehr machen!“ Er verkauft die cremigen Leckereien jeden Samstag auf dem Kollwitzmarkt und ist der Stiefsohn des Produzenten Ibrahim Ceylan. „Milanese ist der Renner“, sagt der Berliner, das weiß er aus Erfahrung. Diese und ein paar andere Leckereien lässt er uns kosten. In der Tat: Die Mailänder Paste, auch Milano-Dip genannt, ist ein echter Gaumenschmaus, der auf der Zunge zergeht. Dieser Genuss hat es in sich, besteht die italienisch inspirierte Traumcreme nicht nur aus Paprika, Chili und Joghurt, sondern vor allem aus Frischkäse in Doppelrahmstufe.
Alles fing mit einem Eiersalat an

Ohne Frühstück, heißt es in einem türkischen Sprichwort, sollte man nicht auf die Straße gehen. Verschiedene Dips und Pasten eignen sich vortrefflich, um in den Tag zu starten. Vorausgesetzt, man hat die Zeit dazu. Der wohl bekannteste Dip aus dem Land am Bosporus ist die Manisa Mesir Macunu. Die Paste stammt aus der anatolischen Stadt Manisa. Sie besteht aus Honig und mehr als 40 verschiedenen Heilpflanzen, Harzen und Gewürzen. Ihre Geschichte reicht zurück in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Während eines Aufenthaltes in Manisa soll Ayşe Hafsa Vâlide Sultan, Frau des Sultans Selim I., schwer erkrankt sein. Hilfesuchend wandte sich der Gatte an den heilkundigen Imam Merkez Efendi, ein islamischer Mystiker. Der Sufi, wie eben jene Mystiker auch genannt werden, mischte eine Paste aus Honig und 41 verschiedenen Heilpflanzen, Harzen und Gewürzen zusammen. Dank dieser Paste soll Ayşe Hafsa bald wieder gesund geworden sein.
Nicht aus Manisa, aber auch aus Anatolien, genauer gesagt aus Sevim, stammt Firmengründer Ibrahim Ceylan. Schon als Kind hat er seiner Mutter und Großmutter beim Kochen geholfen und sich das ein oder andere traditionelle Rezept abgeguckt. Als er 16 Jahre alt war, wanderte er in die deutsche Hauptstadt aus. Dort verdingte er sich zunächst als Küchenhelfer und machte dann eine Ausbildung zum Elektro-Installateur. Später arbeitete der heutige 71-Jährige als Obst- und Gemüsehändler, bevor er 1990 selbst ins Feinkostgeschäft einstieg.
Carmen ist heiß und prickelt

Angefangen hat alles mit Eiersalat, den der Wahl-Berliner nach einem türkischen Rezept seinen Mitarbeitern in seinem damaligen Lebensmittelgeschäft mitgebracht hatte. Wie es der Zufall wollte, kam ein Kunde vorbei, als Ceylans Mannschaft seinen Salat aß. „‚Das riecht aber gut‘, sagte der Kunde“, erinnert sich Ibrahim Ceylan. „Da habe ich ihm ein Fladenbrot mit Eiersalat gefüllt.“ Nur wenige Minuten später war der Kunde wieder da: Er wollte mehr vom köstlichen Eiersalat, er wollte ihn kaufen. Nach und nach kamen Käse, Oliven und weitere selbst produzierten Pasten, Salate und Aufstriche zu.
Das Geschäft florierte. Und vor mehr als 25 Jahren zog Ibrahim Ceylan mit seinem Unternehmen in eine mehr als 800 Quadratmeter große Produktionsstätte in Tempelhof, in der wir den Firmengründer besuchen. Mit in Ibrahim Ceylans Gastronomie-Unternehmen arbeiten außer seinem Stiefsohn auch seine Tochter, der Schwiegersohn und zwölf weitere Beschäftigte. Das Familienunternehmen beliefert zudem mehrere Wochenmärkte und Supermarktketten wie Edeka, Rewe und Metro. Das Augenmerk liegt auf Spezialitäten aus der Türkei sowie aus dem arabischen Raum, Italien, Griechenland, Spanien und aus Frankreich. Die Pasten sind fast alle selbst gemacht.

Ibrahim Ceylans Fleiß hat sich ausgezahlt: Im vergangenen Jahr erhielt er den ersten Preis eines erstmalig ausgeschriebenen, europaweiten Gourmetwettbewerbs, der sich an türkischstämmige Gastronomen richtet. Organisiert wurde die Auszeichnung vom türkisch-deutschen Unternehmerverein TDU und vom türkischen Gourmetverband Lezzethan.
Beim Abschied packt uns Ibrahim Ceylan verschiedene Köstlichkeiten ein. Zu Hause angekommen, nehme ich die Plastikschälchen aus meiner lukullischen Wundertüte heraus. Dabei sind auch die Lieblingspasten des Firmengründers, die französische Gemüsepfanne und die Jalapeño-Creme. Meine erste Nascherei führt mich jedoch zunächst nach Spanien. Leicht übermütig streiche ich mir gleich eine fingerdicke Schicht von dem glutroten Feuer-Dip Carmen auf mein Brot, beiße hinein und – Caramba, das Zeug ist doch recht scharf! Mir laufen zwar nicht gleich Schweißperlen über die Stirn, doch die von der Opernfigur inspirierte Paste hinterlässt ein minutenlanges Prickeln in meinem Rachen.
Schon beim nächsten Probierschälchen mit Jalapeño-Creme ist alles wieder vergessen: Die mit Sahnejoghurt verfeinerte Komposition ist erstaunlich mild. Sie überzeugt durch ihre samtige Textur und einen Hauch von Schärfe. Zugleich weckt sie Erinnerungen an längst vergangene Kinoabende, die von Knabbereien mit Tortilla-Chips und einer – mehr oder weniger scharfen – Käse-Soße begleitet wurden.
In pastelligem Gelb kommt der Honig-Senf-Aufstrich daher. Der Dip sieht nicht nur sanft und harmonisch aus, sondern schmeckt in seiner Balance aus süß und scharf auch genauso ausgewogen. Ein Gaumenschmaus ist auch die französische Gemüsepfanne. Lecker. Vor allem für all jene, die auch Auberginen und Frischkäse mögen, der natürlich auch hier wieder nur in der Doppelrahmstufe verarbeitet wird. Schlecht für die persönliche Kalorien-Tabelle, aber gut fürs Hüftgold. Und perfekt für alle, die es gern cremig und hocharomatisch mögen.