Hochdachkombis als Elektroauto? Das gibt es nur selten. Der Opel Combo Electric ist eine dieser Raritäten. Der Familien-Stromer bietet Platz ohne Ende – nur der Akku enttäuscht.

Ganz schön schwer, diese Kindersitze! Fred (36) muss gleich zweimal zur Garage stapfen, um die unhandlichen Teile zu transportieren. Zusammen mit Ehefrau Kim (35) und den drei Kindern Kalle (1), Maja (4) und Emil (6) klettert er in das bereitstehende Testfahrzeug. Gemeinsam wollen wir an diesem Nachmittag die drei wichtigsten Fragen beantworten, die sich bei einem Familien-Auto stellen: Was passt alles hinein? Wer passt alles rein? Und vor allem bei E-Autos: Wie lange reicht der Akku?
Stauraum wie vier Badewannen
Wussssssch! Mit einem beherzten Griff zieht Fred die Schiebetür des Opel Combo Electric nach hinten. Anders als der Motor ist die Tür nicht elektrisch, weshalb es einen gehörigen Schwung braucht, um sie zu öffnen. Doch kein Problem für unsere erfahrene Test-Familie. Sie besitzt privat einen fast baugleichen Hochdachkombi, nur eben einen dieselbetriebenen. Aber auch ohne entsprechendes Vorwissen wird schnell klar: In diesem Auto ist mächtig viel Platz. Alle drei Kindersitze passen nebeneinander, dank Isofix-Halterung sind sie schnell installiert. Dahinter öffnet sich ein voluminöser Kofferraum, der wahlweise mit einer dritten Sitzreihe ausgestattet werden kann (möglich bei der etwas längeren „XL-Variante“). Doch selbst die normale Variante fasst standardmäßig rund 600 Liter, das ist so viel wie vier Badewannen.
„Guck mal, wie im Flugzeug“, bemerkt Kim, als sie ein Staufach an der Kofferraumdecke herunterklappt. Es sieht tatsächlich aus wie die sogenannten „overhead compartments“ – nur dass man sich hier nicht mit Fremden streiten muss, die ihre als Handgepäck getarnten Rollkoffer in die Ablage quetschen. Das Schließen des Kofferraums ist hingegen nicht wirklich komfortabel. Kim muss sich strecken und an einem Strick ziehen, damit die Klappe zuklappt. Immerhin: Selbst beim Mercedes EQT, dem Hochdachkombi des Premiumherstellers, fehlt eine elektrische Mechanik.

Im Innenraum des Opel Combo setzt sich das Stauraum-Wunder fort. Gleich zwei Handschuhfächer gibt es auf der Beifahrerseite, eines davon ist sogar gekühlt. Hinzu kommen zahlreiche Ablagemöglichkeiten in der Mittelkonsole. Auf dem Armaturenbrett über dem Lenkrad gibt es eine weitere Klappe. Sollte je wieder die Debatte aufkommen, welches Kuscheltier und welches Paar Schuhe mitdürfen, ist eines klar: Zu wenig Platz im Auto kann nun nicht mehr das Argument dafür sein, dass Gepäck zu Hause bleiben muss.
Ein paar Wermutstropfen gibt es aber doch: So sind die Getränkehalter im Armaturenbrett zu klein für die meisten Becher, während die Mittelkonsole nach vorne hin V-förmig auseinandergeht. Eine größere Ablagefläche entsteht dadurch nicht, aber die Knie von Fahrer und Beifahrerin werden unnötig eingeengt.
Viele Assistenten serienmäßig

Noch schnell die Frisur checken, bevor die Fahrt losgeht! Doch Kim ist enttäuscht: In der Sonnenblende fehlt der Spiegel. „Das ist bei unserem Diesel aber genauso“, sagt unsere Testerin. Dazu muss man wissen: Der Opel Combo Electric ist ein vergleichsweise günstiges E-Auto. Die Basisvariante startet bei 38.600 Euro, die siebensitzige XL-Variante bei 39.600 Euro. Während sich vom Klapptisch über die 230-Volt-Steckdose bis hin zur Anhängerkupplung so ziemlich jedes Zubehör nachrüsten lässt, sind bei der Basisvariante einige Abstriche zu machen. So ist beispielsweise das gemütliche Panorama-Glasdach nur im „Holiday-Paket“ (Aufpreis: 1.050 Euro) erhältlich. Es lässt sich mit einem elektrischen Rollo verdunkeln, damit die Kinder im Sommer auf der Rückbank nicht brutzeln. Durch die Mitte des Glasdachs zieht sich eine beleuchtete Ablage-Galerie. Ob die schick oder schäbig ist, darüber gehen die Meinungen bei unserer Testfamilie auseinander. Sagen wir so: Sie bietet, erneut wie im Flugzeug, allerlei zusätzlichen Platz über den Köpfen. Aber sie engt auch den sonst so hohen Dachraum ein. Eindeutig eine Geschmacksfrage!
Als wir losrollen, wird es still. „Das ist ja viel leiser als in unserem Diesel“, bemerkt Kim. Auch die Kinder scheinen das Surren des

Elektromotors zu mögen, denn von hinten ist kein Mucks zu hören. Wir drehen eine Runde durch den Bonner Stadtverkehr. Auf einem Supermarkt-Parkplatz legen wir einen Zwischenstopp ein. Das Einparken gestaltet sich problemlos, denn trotz seiner Größe bietet der Combo einen erstaunlich guten Rundumblick. Nur die Video-Unterstützung könnte besser sein. Die 180-Grad-Panorama-Rückfahrkamera“ liefert zwar ein solides Bild. Bei der computergenerierten „Draufsicht“ aus der Vogelperspektive wird hingegen nur eine schraffierte Fläche als Platzhalter fürs Auto angezeigt – nicht sehr hilfreich. Während die Panorama-Cam nur in der teuersten GS-Variante erhältlich ist, zeigt sich Opel bei den übrigen Assistenzsystemen spendabel. Ob Verkehrsschild-Leser, Tempomat, Spurhalter, Einparkhilfe oder Müdigkeitserkennung – alles ist serienmäßig an Bord.
Nach der City-Tour steigt unsere Testfamilie wieder aus, ich fahre alleine weiter nach Stuttgart. Schlagartig ändert sich der positive Eindruck, den wir bisher von dem Fahrzeug hatten. Auf der Autobahn rächt es sich, dass die 50-kWh-Batterie des Combos nicht größer ist als die des Kleinwagens Opel Corsa. Bei Außentemperaturen von knapp über dem Gefrierpunkt kommt er nicht einmal 200 Kilometer weit, obwohl ich das Strompedal geradezu zärtlich bediene und maximal 120 km/h fahre. Zu Opels Ehrenrettung sei erwähnt, dass der Mercedes EQT im Test auch nicht besser abgeschnitten hat, und das sogar im Sommer.
Klare Schwächen bei der Reichweite

Mit gutem Willen könnte man dem Combo zugestehen, dass man für einen günstigen Preis eben Abstriche machen muss. Doch es ist nicht nur die geringe Reichweite, die stört, sondern vielmehr die mangelnde Planbarkeit. Auf der Schwäbischen Alb geht die Batterie derart in die Knie, dass innerhalb von 40 Kilometern über 30 Prozent dahinschmelzen – wohlgemerkt, bei langsamem Tempo. Da die Reichweitenprognose sich fortlaufend nach unten korrigiert, ist eine seriöse Routenplanung unmöglich.
Also ab zur Ladestation! Doch wohin? Würde ich mich aufs Navi verlassen, müsste ich den Pannendienst rufen, denn angeblich befindet sich keine einzige Stromquelle im 20-Kilometer-Radius. Welch ein Blödsinn! Laut Handy-App warten bereits hinter der nächsten Ausfahrt mehrere Schnelllader. Dort zieht sich der Combo mit 100 Kilowatt den ersehnten Strom. Es dauert genau 26 Minuten, bis er wieder auf 80 Prozent aufgeladen ist – kein Rekordwert, aber für einen Familien-Van in Ordnung.

Kim und Fred erzählen später, die geringe Reichweite sei für die Familie gar nicht so schlimm. Die Kinder müssten sowieso spätestens alle zwei Stunden raus. Doch bei der mangelhaften Routenplanung wird unseren Testern mulmig. Ein schlechtes Navi, das Reichweiten falsch einschätzt und Ladestationen unterschlägt, ist in Zusammenhang mit einem kleinen Akku so ziemlich die schlimmste Kombination, die es bei einem Elektroauto gibt.
Dementsprechend schwer fällt ein Fazit. Einerseits ist der Opel Combo ein gut durchdachter Reisebegleiter – jedenfalls dann, wenn die Reise nicht zu weit ist. Geht es raus aus der Stadt, überwiegen die Nachteile des geräumigen Hochdach-Kombis. SUV-Konkurrenten wie der VW ID.4 kosten ähnlich viel, kommen aber deutlich weiter und haben ein besseres Navi. Beim Platzangebot liegt hingegen der Opel Combo klar vorne. Hach, die Qual der Wahl!