Das Pech hatte sie verfolgt, doch Sina Mayer war schneller: Die Sprinterin vom LAZ Zweibrücken ist zurück auf der Leichtathletik-Bühne und zeigt schon zum Saisonauftakt Leistungen, als sei sie nie weg gewesen.

In dem Moment, in dem der Startschuss ertönt, steht die Welt kurz still. „Dann vergesse ich alles um mich herum. Sobald die Beschleunigung da ist, ist es, als würde man fliegen“, sagt Sina Mayer. „Und erst in dem Moment, in dem man die Ziellinie überquert hat, läuft das Leben normal weiter.“ Auch bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund sollte für einen Moment die Zeit stillstehen. Genau 7,31 Sekunden lang. Dann ist Sina Mayer als sechstschnellste Frau Deutschlands im Ziel. „Ich habe mit einer zwei hinterm Komma geliebäugelt“, erzählt sie im Anschluss. „Das sollte noch nicht sein. Aber ich konnte in allen drei Läufen meine gute Form bestätigen und freue mich jetzt umso mehr auf den Sommer.“
Ein Jahr mit vielen Rückschlägen
Eine gute Form, die vor gar nicht so langer Zeit noch keiner erwartet hatte. „2024 war ein hartes Jahr“, erinnert sich die Sprinterin vom LAZ Zweibrücken zurück. „Ende Dezember 2023 verletzte ich mich unglücklich bei meinem ersten Hallenwettkampf in Spanien.“ Es passierte beim Abbremsen an der Matte. Die Folge: eine knöcherne Außenruptur am Fuß. Für die 29-Jährige ein harter Dämpfer nach einer zuvor so erfolgreichen Saison, die sie unter anderem mit Platz sechs bei der Weltmeisterschaft in Budapest bei der 4x100 Meter Staffel krönte, ein Moment, der ihr, wie sie betont, immer in Erinnerung bleiben wird. Das wird das Ende ihres Laufs in Spanien wohl auch: „Mir war sofort klar: Das war’s erst mal mit Wettkämpfen“, sagt sie. Von da an hieß es: Fokus auf Reha und Genesung. Im April 2024 konnte sie nach langer Reha dann wieder ins spezifische Training einsteigen, machte im Trainingslager im sonnigen Florida auch gute Fortschritte. „Natürlich hatte ich Olympia da fest im Hinterkopf“, sagt sie. Doch es sollte nicht sein: „Zurück in Deutschland wurde ich krank. Ein heftiger Infekt mit hohem Fieber legte mich drei Wochen komplett lahm und warf mich körperlich brutal zurück.“ Trotz fehlender Vorbereitung startete Mayer vier Wochen später bei den Deutschen Meisterschaften. Bereits in der Vorrunde war Schluss für die ambitionierte Sprinterin. „Ich war enttäuscht“, sagt sie. „Aber auf der anderen Seite fiel auch ein gewisser Druck von mir ab. Man hofft bis zum Schluss, dass es noch klappt, aber wenn man realistisch ist, weiß man: Am Ende hat einfach die Zeit gefehlt.“
Umso beeindruckender meldete sich die junge Sportlerin mit der Leidenschaft für Geschwindigkeit dann in der aktuellen Saison zurück: „Ich hatte nicht erwartet, meine Bestzeit direkt zu Saisonbeginn in meinem vierten Wettkampf zu bestätigen“, erzählt Mayer, die in Karlsruhe über die 60 Meter Süddeutsche Meisterin wurde. „Es war ein tolles Gefühl zu wissen, dass sich das Zurückkämpfen gelohnt hat und ich auf dem richtigen Weg bin“, sagt sie. Aus dem Rennen habe sie wieder Selbstvertrauen und Motivation schöpfen können. „Über 60 Meter war ich das letzte Mal 2021 so schnell“, sagt sie. Zurück in ihrer alten Form sei sie, doch das neue Ziel lautet Bestform: „Ich weiß, dass ich mein volles Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe“, betont Mayer. „Es gibt noch viele Stellschrauben an denen wir arbeiten können.“
„Wir“, das sind neben Mayer und ihrem langjährigen Trainer Ulli Knapp nun auch Trainerin Lena Barthel. „Ich bin sehr dankbar über die Zusammenarbeit mit Lena“, sagt Mayer. „Nach Rücksprache mit Ulli betreut sie mich vor Ort. Das hat auch den Vorteil, dass ich mit anderen Sprinterinnen und Sprintern aus dem Saarland zusammen trainieren kann. Davon profitieren dann auch die saarländischen Athleten.“
Barthel sei nicht nur fachlich „äußerst kompetent“, sondern würde durch ihre positive Energie das Training zu etwas ganz Besonderem machen. „Ich schätze Lena nicht nur als Trainerin, sondern auch als Mensch“, sagt Mayer. „Denn sie schafft es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohlfühlt und über sich hinauswachsen kann.“
Also beste Voraussetzungen für die gebürtige Pfälzerin, die seit ihrem 14. Lebensjahr für das LAZ Zweibrücken aufläuft. Doch Olympia 2028 will sie nicht als großes Ziel ausrufen: „Ich will es nicht komplett ausschließen, aber ich schaue eher von Jahr zu Jahr“, sagt sie. „Ich werde im April 30. Mal sehen, was die nächsten Jahre noch so bringen.“ Wichtig sei es ihr, den Spaß und die Freude am Laufen zu behalten. „Ohne Freude macht das Ganze keinen Sinn“, sagt sie.
Der Fokus: gesund bleiben

Eine Freude, die ihr der Druck vor Olympia 2024 fast genommen hat, wie sie eingesteht. „Vor Olympia habe ich schon einen psychischen Druck gespürt“, sagt sie. „Jetzt liegt mein Fokus eher darauf, bei mir zu bleiben, weiter zu trainieren und vor allem gesund zu bleiben.“ Angst, sich erneut zu verletzen, habe sie nicht: „Die Verletzung beim Abbremsen war einfach unglücklich.“ Zwar sei es nach einer so langen Zwangspause körperlich wie auch psychisch schwer gewesen, den Weg zurückzufinden, doch hat Mayer auch genug Erfahrung in den vergangenen Jahren sammeln können, um ihre Verletzung einzuordnen. „Sport war von klein auf ein fester Bestandteil meines Lebens“, sagt sie. „Sprinten war für mich schon immer pure Leidenschaft. Es ist eine Kunst.“
Eine Kunst, von der Sina Mayer sich auch künftig weiter beflügeln lassen möchte. Die Rahmenbedingungen dafür passen. Auch die Motivation, die sie nicht zuletzt auch aus ihren bereits errungenen Erfolgen zieht. „Das pusht mich“, verrät sie. „Ein Moment, an den ich immer wieder gern zurückdenke, ist meine erste internationale Einzelmedaille: 2017, bei den U23-Europameisterschaften, konnte ich die Bronzemedaille über 100 Meter gewinnen.“ Nun sollen neue Momente für die Ewigkeit dazu kommen – vielleicht sogar schon diese Saison. „Die Vorbereitung auf den Sommer beginnt, und jetzt geht es darum, die gute Form aus der Hallensaison mitzunehmen und weiter aufzubauen“, sagt Mayer.
„Im Mai starte ich in die Wettkämpfe draußen – mit dem klaren Ziel, bei den deutschen Meisterschaften topfit über die 100 Meter an den Start zu gehen.“ Ihr Ziel: sich so weit wie möglich an der deutschen Spitze etablieren und somit erneut für eine Nominierung bei der 4x100 Meter Staffel infrage zu kommen. Um dort genau das zu tun, was sie am besten kann: über die Strecke fliegen.