Mit der „Trattoria Senza“ hat Berlins erstes italienisches Restaurant eröffnet, das sich vollständig auf gluten- und laktosefreie Küche spezialisiert. Schmecken Carbonara und Co. tatsächlich dort genauso gut wie die Klassiker aus Hartweizenmehl und Kuhmilchkäse? Wir waren vor Ort und haben einige Gerichte getestet.

Senza. Allein das Wort schon: Es klingt leicht, es klingt melodisch und es kommt aus dem Italienischen. Danach könnte man ein Mode-Label nennen. Oder eine Manufaktur für edles Porzellan. Auf alle Fälle passt es zu den schönen Dingen des Lebens – und damit auch zu den kulinarischen Freuden. Die haben wir kürzlich in der neu eröffneten „Trattoria Senza“ nahe der Friedrichstraße genossen.
„Senza“ heißt auf Deutsch „ohne“, und der Name ist nicht ohne Grund so gewählt. Das neue italienische Restaurant richtet sich an Menschen mit Zöliakie, Gluten-Sensitivität und Laktose-Intoleranz. Und natürlich auch an alle anderen Gäste, die neugierig genug sind, Spaghetti auch ohne Hartweizenmehl auf ihre Gabeln zu drehen. Während viele Restaurants lediglich ein paar gluten- und laktosefreie Optionen anbieten, setzt die „Trattoria Senza“ auf das komplette Programm, bei dem diese Zutaten in all ihren traditionellen Gerichten vermieden werden.

„Senza ist aus meiner eigenen Erfahrung heraus entstanden“, erklärt der Gastronomie-Unternehmer und Gründer der Trattoria, Kevin Chmill. „Als jemand, der selbst glutensensitiv ist und mit Laktose-Intoleranz lebt, habe ich oft die Frustration erlebt, auswärts essen zu wollen und keine passenden Optionen zu finden – selbst in einer so vielfältigen Stadt wie Berlin“, erzählt der Entrepreneur im Gespräch. „Andere Länder wie Spanien, Italien und Großbritannien sind da weiter als Deutschland.“ So entstand nach und nach seine Idee eines komplett gluten- und laktosefreien Restaurants. Auch bei einem Besuch in Prag vor wenigen Wochen entdeckte Kevin Chmill ein glutenfreies Restaurant. Das bestärkte ihn noch mehr darin, die gastronomische Lücke in der deutschen Hauptstadt zu schließen und die italienische Küche allen Gästen zugänglich zu machen.

„Kinder sind hier sehr willkommen“
Unser Besuch führt uns an die Hannoversche Straße nahe des Oranienburger Tors in Berlin-Mitte. Die Trattoria befindet sich in den Räumlichkeiten des ehemaligen Fine-Dining-Restaurants „Einsunternull“, das nach acht Jahren im Herbst 2022 seine Pforten schloss. Der Fotograf und ich kommen in den schmucken Empfangsbereich, in dem man uns Jacke und Mantel abnimmt. Wir betreten einen freundlich anmutenden Gastraum, dessen bodentiefe Fenster viel Licht hereinlassen. Verglast und gut einsehbar ist auch die Küche, die sich direkt neben dem Gastraum befindet. Leichtigkeit und Fröhlichkeit vermitteln das Blümchen in einer Vase und die bunten Gläser, aus denen wir unseren ersten Durst mit etwas San Pellegrino stillen. Freunde von edlen Tropfen kommen beispielsweise bei einem Glas Montepulciano D’Abruzzo oder einem Mandrarossa aus Sizilien auf ihre Kosten. Selbstverständlich stehen auch Cocktails, Prosecco und glutenfreies Lagerbier von Peroni zur Auswahl.

Obwohl die Trattoria erst Mitte Februar eröffnet wurde und wir an einem Montag vorbeikommen ist, wird es rasch voll. Am Nebentisch genießt ein junges Pärchen Pasta, während hinter uns eine vierköpfige italienische Familie Platz nimmt. „Kinder sind hier sehr willkommen“, betont der Gastronomie-Unternehmer und erzählt, dass er gerade einen weiteren Kinderhochstuhl bestellt hat. Auch Hundehalter dürfen hier ihre Vierbeiner mitbringen. Vorausgesetzt natürlich, dass sie sich zu benehmen wissen und nicht den ganzen Laden aufmischen. An Italien erinnert auch eine Wand mit einem halben Dutzend gerahmter Farbfotografien. Motive wie das Kolosseum in Rom oder die Amalfiküste dürften bei manch einem Gast Erinnerungen an vergangene Italienurlaube wecken.
Während ich mich weiter mit dem Gründer unterhalte, packt der begleitende Fotograf sein Equipment aus. Hier ein zweites Objektiv, da ein weißer Schirm und dort die Fotolampe. Weil es schnell zu unruhig für das Fotoshooting wird, verlagern wir die Szenerie schon bald in das noch ruhige Untergeschoss. Über eine Holztreppe – wahlweise steht auch ein Aufzug zur Verfügung – und einen langen, geheimnisvollen Schacht gelangen wir in das geflieste Kellergewölbe und nehmen an einem großen, runden Tisch Platz.
Erfahrene Köche aus ganz Italien

Während wir auf unsere Vorspeisen warten, erzählt uns Kevin Chmill noch etwas von sich und seinem Team. Der 36-jährige Gastronom kommt ursprünglich aus Düsseldorf und hat in Hamburg Betriebswirtschaftslehre studiert. Später arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler als Standortleiter für „Casual Food“ am Flughafen Berlin-Brandenburg, war Betriebsleiter in Roland Marys „Café am Neuen See“ und zuletzt Restaurantleiter in „The Dry Gin & Beef Club“. Dort lernte er auch den englischen Küchenchef Matthew „Matt“ Smith kennen, den er jetzt als Chefkoch für seine Trattoria gewinnen konnte. „Matt hat sein Handwerk in Frankreich gelernt und in Irland und Australien gearbeitet“, sagt der Entrepreneur über den kreativen Koch. „Er hat zwar keine Erfahrung mit gluten- und laktosefreiem Kochen, war aber offen genug für neue Herausforderungen.“ Das Küchenteam rund um den britischen Chefkoch besteht aus erfahrenen Köchen querbeet aus ganz Italien.

Anstelle von Kuhmilchprodukten und Weizen werden in der neuen Location an der Hannoverschen Straße passende Alternativen verwendet. So kommen zum Beispiel Mais, Hülsenfrüchte, Quinoa und Amaranth zum Einsatz. Die Trattoria arbeitet mit der Berliner Bäckerei „Aera“ zusammen, die glutenfreie Backwaren produziert. Andere Lebensmittel wie etwa Gemüse und Fleisch werden von Großhändlern wie „Rungis Express“ und „Frischeparadies“ erworben. Hinzu kommen diverse Importe aus Bella Italia. Das Löffelbiskuit etwa stammt vom Südtiroler Familienunternehmen Dr. Schär, die Pasta wird von De Cecco bezogen und der Mascarpone von Galbani.
Auf der Karte finden sich eine Handvoll bekannter italienische Klassiker wie Carbonara, Lasagne und Ragù alla bolognese, welches auch in der veganen Variante angeboten wird. Fleischliebhaber könnten bei einer Cotoletta alla milanese auf ihre Kosten kommen. Wer Auberginenaufläufe mag, könnte einen Teller mit Parmigiana di Melanzane geniessen.
Weißwein mit fruchtig-birnigem Aroma

Für uns beginnt die fröhliche Schlemmerei mit einer Bruschetta al Pomodoro, von der insbesondere der begleitende Fotograf angetan ist. Dass das geröstete Brot aus der Aera-Bäckerei aus Sauerteig besteht, schmeckt er sofort heraus. „Ich bin ganz verliebt in die Bruschetta“, sagt er. Das Mehl, so erfahre ich später, kommt vom Bio-Hof Bauck. Anstelle von Weizen besteht der Sauerteig vor allem aus Maisstärke, Braunhirse und Reismehl. Mein persönlicher Favorit unter den Antipasti ist der köstlich-knackige Caesar Salad aus Römersalat, Sardinen, Kapern, Senf, etwas Knoblauch und geriebenem Grana Padano, der ohnehin laktosefrei ist.
Positiv überrascht sind wir auch von den Hauptgängen. Das Saltimbocca wird im Hause „Senza“ an Stelle von Kalbfleisch mit äußerst zartem Hühnchen zubereitet. Sein klassisches Finetuning mit Salbei macht das Gericht besonders aromatisch. Die Pasta erhält von unserem Fotografen den ultimativen kulinarischen Ritterschlag: „Sehr schön al dente und lecker“, sagt er beim Kosten der Carbonara. Er muss es wissen, denn er ist Italiener mit einem anspruchsvollen Gaumen. Außerdem ist ihm gar nicht klar, dass die Pasta hier gänzlich ohne Hartweizen auf den Tisch kommt. „Ach so, ich habe mich schon gefragt, warum das Restaurant ‚Senza‘ heißt“, bemerkt er erstaunt, nachdem ich ihn aufgeklärt habe.
Abgerundet wird unser Genusserlebnis mit einem leichten Weißwein aus der Gegend am Vesuv. Das fruchtig-birnige Aroma der Falanghina-Reben hat es mir sofort angetan. Am Ende löffeln wir noch leicht-fluffiges Tiramisu und den berühmten Schokoladenkuchen aus Capri, die Torta Caprese. Da das Originalrezept sowieso schon aus Mandelmehl besteht, passt die saftig-schokoladige Kreation perfekt in das Konzept der Trattoria. Wie schön, dass an der Hannoverschen Straße 1 alles so stimmig ist. Und alle auf ihre Kosten bekommen – auch diejenigen, die gar keine Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben.