Drei Fragen
„Dazu gehört auch weniger Bürokratie“
Weitere Milliarden für die Bundeswehr sind auf dem Weg. Doch wenn wir so weitermachen wie bisher, dauert es Jahre, bis das Geld auch Wirkung zeigt, warnt Militärexperte Prof. Carlo Masala von der Bundeswehruniversität München.
Herr Prof. Masala, beim 100-Milliarden-Sondervermögen hat es ein Jahr gedauert, bis die ersten Bestellungen rausgingen, woran lag das?
Nachdem das Sondervermögen im Februar 2022 verkündet wurde, musste erst mal das Grundgesetz geändert werden. Im Juni war es so weit, aber erst im November hat dann der Haushaltsausschuss des Bundestages das Geld auch freigegeben. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr konnte nun bestellen, aber Anschaffungen über 25 Millionen Euro, was bei Großgerät automatisch der Fall ist, müssen dann wiederum vom Parlament genehmigt werden. Es wurden erneut Vorlagen geschrieben und zur parlamentarischen Abstimmung eingereicht. Damit war das erste Jahr auch schon rum.
Bestellt ist noch nicht geliefert, warum dauert das so lange? Die Hersteller wissen doch, was gebraucht wird.
Natürlich wissen die großen Rüstungsfirmen, was gebraucht wird, doch wenn das Beschaffungsamt bestellen darf, muss mit der Industrie natürlich erst mal ein Vertrag ausgehandelt werden. Auch die Verträge müssen dann wieder abgesegnet werden, dieser Prozess kostet erneut Zeit, da es keine Vorverhandlungen gibt. Kommt das Okay zu den Verträgen, dann wird bestellt. Solange die Industrie aber nicht mit Sicherheit weiß, dass auch tatsächlich bestellt wird, geht der Hersteller auch nicht in die Produktion. Wofür ich Verständnis habe, es handelt sich um ein Wirtschaftsunternehmen, das genau planen muss.
Aber mit so einem Verfahren kann man doch keiner drohenden Verteidigungs-Notlage, wie der derzeitigen, begegnen. Wie kann die Arbeit des Beschaffungsamts beschleunigt werden?
Wir brauchen Strukturen, die auf Krise eingerichtet sind. Bestes Beispiel: der Bau der LNG-Terminals. Der Druck durch das fehlende Gas aus Russland war so groß, dass verzögernde Bau- und Verfahrensvorschriften aufgehoben wurden. Und genau das muss jetzt bei der Beschaffung geschehen, es besteht die Möglichkeit der Aussetzung des europäischen Vergaberechts, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Unsere französischen Nachbarn machen das unter Verweis darauf ständig und bestellen. Darum müssen wir jetzt weg von unserer Friedens-, hin zur Krisen- und Notlagenmentalität, sonst sind wir in Jahren noch nicht verteidigungsfähig. Interview: Sven Bargel

Ohne Lkw-Ladesäulen keine Antriebswende
Branchenverbände für den Güterverkehr in Europa haben einen Forderungskatalog für die Mobilitätswende im Speditionsgewerbe aufgestellt und der EU-Kommission übergeben. Noch immer fehlen demnach wichtige Faktoren, damit die überwiegende Mehrheit der Transportunternehmen in der Lage ist, in emissionsfreie Fahrzeuge zu investieren, so der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL). „Kurz- bis mittelfristig muss die Technologieneutralität weiterhin vorrangig sein. Erneuerbare Kraftstoffe wie Biogas und HVO müssen weiterhin eine wichtigere Rolle spielen“, so BGL-Chef Dirk Engelhardt. Er begründet dies damit, dass es für den Güterverkehr auf der Straße bis zum heutigen Tag nicht mal ein geordnetes Planverfahren für Lkw-E-Mobilität gibt, weder in Deutschland, noch in der EU. „Damit gibt es auch keine Ladeinfrastruktur für den Güterkraftverkehr und schon gar keine ausreichende Versorgung mit grünem Strom.“ Der Bund plant nun eine Lkw-Ladeinfrastruktur an zunächst 350 Standorten in Deutschland.
Eutelsat für Ukraine
Ein Signal der Unterstützung: Die Ukraine, die derzeit vor allem mithilfe Elon Musks Starlink-System ihr ziviles und militärisches Mobilfunknetz aufrechterhält, könnte bald Ersatz erhalten. Der französisch-britische Betreiber Eutelsat hat nun angekündigt, das Starlink-System in der Ukraine ersetzen zu wollen. Dazu seien bereits Gespräche mit der EU-Kommission erfolgt, so Eutelsat-CEO Eva Berneke. Im Gespräch mit dem US-Sender Bloomberg sagte sie, dass der Konzern die Lieferung von 40.000 Terminals prüfe. Um die erforderliche Zahl zu beschaffen, spreche man gerade mit Lieferanten. Es werde ein paar Monate dauern, die Starlink-Anlagen vollständig zu ersetzen, hieß es. 630 Satelliten von Eutelsat könnten dann die mobile Kommunikation übernehmen. Starlink nutzt das ukrainische Militär beispielsweise als stabile Datenverbindung zur Steuerung von Drohnen. Das ursprüngliche Mobilfunknetz des Landes hatten russische Cyberangriffe lahmgelegt.
Schutzstatus abgesenkt
Wölfe sind jetzt nicht mehr „streng geschützt“, sondern nur noch „geschützt“. Der in der Berner Konvention festgelegt Schutzstatus wurde angepasst. Dafür hatte sich auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eingesetzt. Nach Angaben seines Ministeriums sind die Wolfsbestände in Europa in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen – von 11.200 Tieren im Jahr 2012 auf über 20.300 im Jahr 2023. In Deutschland leben derzeit 209 Wolfsrudel, vor allem in Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen. Parallel dazu häufen sich Konflikte mit der Landwirtschaft: Jährlich werden in Europa rund 65.500 Nutztiere, überwiegend Schafe und Ziegen, von Wölfen gerissen, zum Teil trotz Schutzmaßnahmen wie Zäunen und Herdenschutzhunden. Der abgesenkte Status sei deshalb „eine gute Nachricht für alle Weidetierhaltenden und es ist auch keine schlechte für den Artenschutz, denn Schafe, Ziegen und Rinder auf der Weide stärken die Artenvielfalt und den Erhalt wertvoller Kulturlandschaften“.
Zivilschutz ohne Zeitenwende

„Die Bevölkerung ist im Verteidigungsfall nicht ausreichend geschützt“, warnt der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Christian Reuter. Die Zeitenwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ausgerufen hat, hat auch drei Jahre später „im Bevölkerungsschutz nicht stattgefunden“, kritisiert Reuter. Im Notfall fehlen Unterbringungsmöglichkeiten für bis zu 1,7 Millionen Menschen, vor allem in Ballungsräumen, die vermutlich im Konfliktfall im Zentrum stehen würden. Dazu kommt ein Mangel an ausreichend im Katastrophenschutz geschulten Menschen, an Notfallkapazitäten in Krankenhäusern und einer sicheren Antibiotikaversorgung. „Der Zivilschutz ist auf den Verteidigungsfall nicht vorbereitet“, so die eindringliche Warnung von Reuter. Für ihn heißt dies: Aus dem geplanten 500 Milliarden Euro „Sondervermögen Infrastruktur“ müssten kurzfristig 20 Milliarden für den Zivilschutz bereitgestellt werden.

Krankenversicherung
Mehr Geld gefordert
In Anbetracht der angekündigten Hunderten von Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur fordern nun auch die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ein ähnliches Instrument für ihre finanzielle Gesundung. Im vergangenen Jahr haben die GKV einen Verlust von über 600 Millionen Euro eingefahren, die Tendenz für dieses Jahr ist eher steigend, trotz satter Beitragserhöhungen. Es geht um den Klinik-Transformationsfonds, der zur Hälfte in Höhe von 25 Milliarden durch die gesetzlichen Krankenversicherer in den kommenden zehn Jahren mitfinanziert werden soll. Im Klartext: von den Versicherten, weitere Beitragserhöhungen sind damit vorprogrammiert. Für den AOK-Vorstandsvorsitzenden Jens Martin Hoyer gehört das in das geplante Infrastruktur-Sondervermögen. „Wir fordern das ausdrücklich. Die hälftige Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds durch die GKV wäre verfassungswidrig, denn die dringend notwendigen Investitionen in die Krankenhausstrukturen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollten daher aus diesen Steuermitteln bezahlt werden“, sagte Hoyer.
Frauenherzsprechstunde gestartet
Herzinfarkte gelten oft als Männerkrankheit, doch auch Frauen sind betroffen. Laut Statistischem Bundesamt starben 2021 in Deutschland 30,2 von 100.000 Frauen an einem Herzinfarkt. Zudem verlaufen Herzinfarkte bei Frauen häufiger tödlich. Ein Grund ist die oft untypische Symptomatik: Statt Brustschmerzen klagen sie über Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit, Übelkeit oder Erbrechen. Viele Patientinnen erhalten dadurch zu spät eine Diagnose. Um dem entgegenzuwirken, bieten die Knappschaft Kliniken Sulzbach seit dem 8. März eine spezielle Frauenherzsprechstunde an. Jeden Mittwoch von elf bis 13 Uhr beraten Chefarzt Dr. Bassam Al-Najjar und Oberärztin Dr. Jasmin Saar Frauen mit bekannten oder vermuteten Herzerkrankungen. Zur Diagnose nutzen sie moderne Verfahren wie Echokardiografie, Belastungstests und Laboranalysen. „Wir nehmen alle Beschwerden ernst und prüfen die Diagnosen genau“, betont Dr. Saar.
Mehr Infos: www.knappschaft-kliniken.de
50 Jahre Telefonseelsorge
Vor einem halben Jahrhundert, genau am 10. März 1975, hat das erste Beratungsgespräch am Telefon stattgefunden. Seither ist die Telefonseelsorge Saar ununterbrochen erreichbar. Bei rund 10.000 Anrufen im Jahr macht das rund eine halbe Million Gespräche. Dazu kommt die Beratung per Chat oder Mail, auch persönliche Gespräche vor Ort sind möglich. Getragen wird die Telefonseelsorge Saar als Gemeinschaftseinrichtung vom Bistum Trier und der Evangelischen Kirche Saar. Derzeit sind über 70 Ehrenamtliche in der Beratung tätig, die ihrerseits intensiv auf dem Umgang mit Menschen in Not vorbereitet, geschult und begleitet werden. Ein dominierendes Thema der Ratsuchenden ist seit Jahren die zunehmende Einsamkeit, in jüngster Zeit aber auch immer mehr psychische Belastungen und Erkrankungen. Insofern ist die Telefonseelsorge auch eine Art Seismograf gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die Beratung ist anonym und kostenlos, bundesweit ist sie erreichbar unter (0800) 111 0 111.
Flügelkampf und fehlende Stimmen

Dem Bündnis Sahra Wagenknecht fehlten bei der Wahl gut 13.400 Stimmen für den Wiedereinzug in den Bundestag. Die Namensgeberin der Partei macht dafür auch Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen verantwortlich. Die Landeswahlleitung in Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat nun eine Nachzählung der Stimmen in allen 64 Wahlbezirken angewiesen. BSW-Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali setzt große Hoffnung darauf, damit dann doch noch den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Währenddessen tobt innerhalb des Bündnisses ein Machtkampf zwischen den Parteipolitikern um ihre Vorsitzende und den Mandatsträgern in Regierungsverantwortung in Brandenburg und Thüringen. Das BSW ist in beiden Ländern an den neuen Regierungen beteiligt. Katja Wolf, Parteichefin in Thüringen und Finanzministerin des Landes, bot an, sie könne auch noch mehr Verantwortung für die Bundespartei übernehmen. Währenddessen wird aus Teilen der Partei gefordert, das BSW müsse aus beiden Landesregierungen wieder austreten.

Bund der Steuerzahler
Kritik an Milliardenpaket
Heftige Kritik an den geplanten 500 Milliarden Sondervermögen für Infrastruktur und weiteren Milliarden für die Verteidigung kommt erwartungsgemäß vom Bund der Steuerzahler. Deren Präsident Reiner Holznagel ist entsetzt von der angekündigten Ausgabenwut, ausgerechnet von einem wahrscheinlich zukünftigen CDU-Kanzler. „Man muss sich noch mal an Olaf Scholz erinnern, der mit einer Bazooka 200 Milliarden Euro aktiviert hat. Gegen das, was jetzt gemacht wird, ist die Bazooka mehr oder weniger nur eine Schreckschusspistole gewesen.“ Holznagel warnt, dass diese gigantischen Ausgaben die politische Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen nahezu lähmen könnten. „Hier ist eine Einigung geschmiedet worden, die zulasten der zukünftigen Generationen geht und die noch nicht mal garantiert, dass das erreicht wird, was die Politik in Überschriften formuliert.“ Der Präsident des Bundes der Steuerzahler resümiert, dass die aktuellen Probleme nicht am Geldmangel, „sondern an bürokratischen Problemen, an Genehmigungsverfahren, aber auch an Umweltauflagen“ lagen, so Holznagel.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Der Graben zwischen den USA und Europa ist so tief geworden wie der Atlantik breit ist. Wir leben in kollabierenden Konstellationen. Alte Zusammenhänge zersplittern. Kursgebende Klarheit entsteht kaum noch. Schwarz ist Weiß. Weiß ist Schwarz. Moskau ist Washington. Washington ist Moskau.
Das Durcheinander macht es schwer, klare Gedanken zu fassen. Regierende beneide ich nicht. Sie wirken in Europa bisweilen wie Ertrinkende, die mitten im Ozean in einem Strudel strampeln. Immerhin: Sie strampeln. Land kann kommen.
Hinter älteren Europäern liegt der Kalte Krieg. Da konnte man einfach sortieren: pro-russisch oder pro-amerikanisch. Das ist längst vorbei.
Auch die jahrzehntelange Friedensphase ist zerstoben. Sie hat einer ganzen Generation relative Sorgenfreiheit beschert. Auch das ist seit einigen Jahren verweht.
Und nun? Es fällt schwer zu schreiben: Wir sind im Krieg. Nicht überall so wie die Ukrainer. Auf diese prasseln täglich Bomben und Granaten ein.
Bei uns anderen Europäern ist der Krieg ein schleichendes Gift aus der Kreml-Küche: verdeckte Einflussnahme, Cyberangriffe, Kommunikationssabotage. Nun kommt kakophonisches Klackern der Trump-Trommeln dazu: Beihilfe für Extremisten, Sanktionen gegen europäische Firmen, erzwungene Abhängigkeit von US-Energie.
Europa kann sich dagegen schützen. Wir müssen rasend schnell strategische Unabhängigkeit aufbauen. Aber militärische Rüstung allein führt nicht weiter. Der europäische Weg muss auch zur Emanzipation in Politik, Wirtschaft, Energie und Digitalität führen. Es geht um Europas freiheitliche Zukunft. Jetzt.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.