Leo Pföderl ist kein Mann großer Worte, aber großer Taten. In der Hauptrunde glänzte der Stürmer, dafür wurde er nun geehrt. Doch wichtiger ist ihm der Erfolg mit den Eisbären.
Zwei Tage vor dem Viertelfinalstart für die Eisbären gegen die Straubing Tigers rockte ein anderer die Berliner Uber Arena. Der US-amerikanische Rocksänger Lenny Kravitz machte für seine Blue Electric Light Tour einen Stopp in der Hauptstadt – und Leo Pföderl wollte sich dieses Highlight nicht entgehen lassen. „Da hole ich mir frische Energie für die Playoffs“, sagte der Stürmer der Eisbären Berlin über den Konzert-Besuch, der sicher auch deswegen von Trainer Serge Aubin genehmigt wurde. Und außerdem hatte sich Pföderl eine Extra-Belohnung mehr als verdient: Der 31-Jährige spielte die beste DEL-Hauptrunde seiner Karriere und kam in 51 Spielen auf 71 Scorerpunkte (26 Tore und 45 Assists). Pföderl ist einer, der nicht lange die Scheibe an der Kelle führt: Oft schließt er direkt ab oder passt schnell weiter. Er spielt quasi Rock ’n’ Roll auf dem Eis. Dafür wurde er bei der Gala der Deutschen Eishockey Liga kürzlich zum besten Spieler und zum besten Stürmer des Jahres gewählt.
„Ich muss mich an dieser Stelle einfach einmal bei der ganzen Eisbären-Familie bedanken, die einen unglaublichen Job macht, damit wir einfach nur unsere Arbeit auf dem Eis machen können“, sagte Pföderl. Der gebürtige Bayer, der bei der Wahl zum Spieler des Jahres seinen Berliner Teamkollegen Ty Ronning und Evan Barratt von den Nürnberg Ice Tigers auf die Plätze zwei und drei verwies, spricht öffentlich nicht gern über sich und seine Leistungen. Eigentlich spricht Pföderl generell nur wenig mit den Medien. „Er wirkt sehr ernst“, meinte Bundestrainer Harold Kreis, „aber er hat ein unglaubliches innerliches Lächeln, diese Freude bringt er aufs Eis“. In der Kabine kann der sonst so wortkarge Pföderl tatsächlich humorvoll sein, was ihn bei seinen Teamkollegen in Berlin und bei der Nationalmannschaft sehr beliebt macht. Noch mehr mögen sie aber Pföderls Treffsicherheit: Allein in der DEL kommt der Angreifer in seiner Karriere nun schon auf über 250 Tore – nur sechs Spieler haben es in der DEL-Geschichte auf mehr gebracht.
Seine enorme Torgefahr entwickelte Pföderl einst in seiner Zeit in Nürnberg, als er in Trainer Rob Wilson einen großen Förderer hatte. „Wenn wir im Training Zwei gegen Eins gespielt haben und ich passen wollte, hat er abgepfiffen und gesagt: Du passt nicht, du schießt aufs Tor. Sobald du über die blaue Linie fährst, schießt du aufs Tor“, sagte der Angreifer der „Berliner Morgenpost“. „Als junger Typ hatte ich da einfach viel Spaß, ein gutes Gefühl und konnte mich super entwickeln.“ Den nächsten Entwicklungsschritt machte der Mann aus Bad Tölz aber in Berlin bei den Eisbären, zu denen er 2019 wechselte. Hier gewann er nicht nur drei Meistertitel, sondern fügte seinem anfangs sehr auf Abschluss bedachten Spielstil weitere Facetten hinzu. „Vielleicht werde ich nicht schneller und schieße auch nicht härter. Aber vom Spielerischen her, beim Lesen einer Partie, vom Eishockeyverstand, vom Selbstvertrauen her kann man immer ein bisschen zulegen“, erklärte Pföderl. Seine jüngsten Top-Ausbeuten in der Scorerwertung erklärte er auch mit einem veränderten Rollenbild. Im Überzahlspiel stehe er nun viel öfter an der blauen Linie oder an der Flanke, „da hast du viel mehr den Puck. Da passiert viel mehr. Da machst du automatisch mehr Punkte, wenn das Überzahlspiel funktioniert.“
Und das funktioniert bei den Eisbären grandios. Mit einer Erfolgsquote von 27,71 Prozent war der Titelverteidiger im nationalen Vergleich die klare Nummer eins bei diesem Hauptrunden-Ranking. Auch die reine Anzahl von 46 Powerplay-Toren war ligaweit unerreicht. Dass die Special Teams top funktionieren, ist im Eishockey elementar wichtig – vor allem in den Play-Offs. Und die Eisbären haben in den Vorjahren oft genug bewiesen, dass sie mit ihrer Über- und Unterzahl den Unterschied ausmachen und Titel gewinnen können. Das ist auch in dieser Saison das erklärte Ziel. Im Viertelfinale, das am vergangenen Sonntag mit einem Heimspiel begann, muss der Hauptrunden-Zweite aber zunächst im Modus Best-of-Seven die Straubing Tigers aus dem Weg räumen. Keine leichte Aufgabe, immerhin sind die Bayern der letztjährige Halbfinal-Gegner der Berliner gewesen. „Wir haben großen Respekt vor ihnen“, sagte Cheftrainer Serge Aubin. „Wir wissen, dass es hart wird und sind darauf vorbereitet, dass die Serie über die vollen sieben Spiele gehen kann.“
„Sie sind besondere Spieler“
Die Tigers haben sich seit dem Trainerwechsel im Februar zu Craig Woodcroft deutlich verbessert, „sie spielen im Moment gut“, meinte auch Aubin. Doch der Kanadier wollte sich nicht zu sehr mit den Stärken des Gegners beschäftigen, denn: „Wir konzentrieren uns auf unser Spiel. Wir werden nichts ändern, was uns als Team ausmacht.“ Dazu zählt auch, seine beiden besten Scorer Pföderl und Ronning möglichst oft und gut in Torabschluss-Situationen zu bringen. „Sie sind besondere Spieler. Wir brauchen sie, und es ist schön, dass sie Erfolg haben“, schwärmte Aubin über seine Top-Angreifer. „Aber sie interessieren sich nur für die Mannschaft und die Eisbären Berlin. Es geht ihnen darum, zu gewinnen und nicht um persönliche Statistiken.“ Das bestätigte Pföderl, als er den Preis für den Spieler des Jahres entgegennahm und dann sagte: „Der wichtigste Titel fehlt noch.“ Gemeint war natürlich der Meistertitel.
Es wäre sein insgesamt vierter und ein erneuter Beweis, dass sein Schritt raus aus der Provinz und rein in die Metropole Berlin vor sechs Jahren der richtige war. Nicht, dass es dafür noch eines Beweises bedarf: Pföderl ist rückblickend mehr als glücklich mit seiner damaligen Entscheidung, auch wenn die nicht alle in seinem Umfeld verstehen konnten. „Damals meinten viele: Was willst du in Berlin, du bist doch der Ur-Bayer. Das waren aber mehr Leute, die mich nicht richtig kannten, jedoch dachten, das könne nicht funktionieren“, erzählte Pföderl. „Für mich war alles vom ersten Tag an einfach nur grandios. Ich habe immer gewusst, dass mir das gefällt.“ Er habe einen „Aufbruch in ein neues Abenteuer“ gesucht – und bei den Eisbären ohne Zweifel gefunden.
Privat genießt er die Vorzüge der pulsierenden Hauptstadt, „hier kann ich vieles ausprobieren, egal ob Cafés oder Restaurants. Wenn wir freihaben, gehe ich auch ins Museum“, verriet der Eishockeyprofi. Wenn die Chance auf einen Besuch in der bayerischen Heimat besteht, genießt er aber auch die Abwechslung dort. Die Mischung macht’s bei Leo Pföderl: „Für mich habe ich das Beste von allem: die traumhafte Stadt zum Leben und die traumhafte Heimat mit der Natur.“ Trotzdem scheint klar zu sein, dass er nach seinem Karriereende zurück nach Bad Tölz geht. Vielleicht greift der gelernte Maurer dann sogar wieder zur Maurer-Kelle, denn er und sein Bruder „wollen ja den Familienbetrieb am Laufen halten“, wie er sagt. Sein Vater hat eine Baufirma, in den Anfängen seiner Profizeit hat Leo Pföderl noch parallel trainiert und auf dem Bau gearbeitet. Für ihn war das nichts Besonderes. „In meiner Familie sind alle auf dem Bau. Das hat mich immer begleitet, ich bin früher in den Ferien oft mitgegangen. Deswegen gibt es schon eine gewisse Verbindung.“ Die Zeit auf dem Bau sei „cool“ gewesen, „ich weiß aber auch, dass ich nicht der allerbeste Maurer bin“. Das muss er auch nicht, als Eishockeyprofi ist er dafür einer der allerbesten in Deutschland. Die Ehrung zum Spieler des Jahres hat das eindrucksvoll bewiesen.