Die Trump-Leute suchen bereits nach einem Nachfolger für den Präsidenten
Lange Zeit wurde Wolodymyr Selenskyj weltweit als Meister der Kommunikation gefeiert. Wenige Tage nach dem Einmarsch der Russen am 24. Februar 2022 sendete der ukrainische Präsident eine Videobotschaft, die ihn mit seinem engsten Führungskreis mitten in Kiew zeigte: „Wir sind alle hier. Unsere Soldaten sind hier. Wir verteidigen unsere Unabhängigkeit. So wird es laufen“, sagte Selenskyj. Unbeugsame Entschlossenheit und Widerstand lagen in den Gesichtern. Keine Spur von Angst, geschweige denn Panik. Die Botschaft des Staatschefs an seine Bürger war so simpel wie klar: Wir bleiben bei euch im Kampf gegen die Übermacht der Invasoren.
Selenskyjs Reden, die oft per Videoschalte in die Parlamente übertragen wurden, waren legendär. In olivgrüner Montur saß er am Schreibtisch des Präsidialgebäudes in Kiew, trommelte für Waffenlieferungen gegen den Aggressor. Für jedes Land hatte er einen maßgeschneiderten Appell. Das David-gegen-Goliath-Narrativ ging rund um den Globus.
Doch angesichts der neuen amerikanisch-russischen Annäherung steht Selenskyj zunehmend unter Druck. US-Präsident Donald Trump hat eine demonstrative Charme-Offensive Richtung Kremlchef Wladimir Putin gestartet. Er will den für ihn lästigen Ukraine-Krieg um jeden Preis beenden, um sich der großen Herausforderung China zuzuwenden. Dabei übernimmt er Putins Sichtweise oft eins zu eins.
Bereits früh stichelte Trump gegen Selenskyj als „Diktator ohne Wahlen“. Die reguläre Amtszeit des ukrainischen Präsidenten war zwar im Mai 2024 abgelaufen, doch das Kriegsrecht verbietet einen Urnengang. Der historische Eklat am 28. Februar im Weißen Haus läutete endgültig die Zeitenwende ein: Die Vereinigten Staaten sind nicht mehr Führungsmacht des Westens, sie stehen nicht mehr an der Seite des um seine Unabhängigkeit und Freiheit kämpfenden Landes. Trump arbeitet an einem Deal der Großmächte. Der Ukraine soll ein Diktatfrieden zu Putins Bedingungen aufgezwungen werden.
Es besteht kein Zweifel: Amerika und Russland wollen Selenskyj loswerden. „Wir brauchen einen Führer, der mit uns verhandeln kann, der auch mit den Russen verhandeln und diesen Krieg beenden kann“, betonte Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz Anfang März. Noch deutlicher wurde Mike Johnson, Sprecher des US-Repräsentantenhauses: „Selenskyj muss zur Vernunft kommen und mit Dankbarkeit zum Verhandlungstisch zurückkehren, oder jemand anderes muss das Land führen, um das zu tun.“
Laut dem amerikanischen Magazin „Politico“ streckten die Trump-Leute bereits ihre Fühler zu potenziellen Nachfolgekandidaten aus. So sollen Vertreter der US-Administration zum ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko sowie zur früheren Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko Kontakt aufgenommen haben. Das Problem dabei: Beide befinden sich in Umfragen auf hinteren Plätzen.
Nach einer am 26. Februar veröffentlichten Erhebung des Center for Social and Market Research (SOCIS) in Kiew würden nur 5,6 Prozent Poroschenko zum Präsidenten wählen. Tymoschenko käme auf 2,7 Prozent. Der im Westen bekannte frühere Box-Champion und Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko würde bei 0,8 Prozent landen. Selenskyj läge mit 15,9 Prozent an zweiter Stelle.
Es gibt nur einen Politiker, der deutlich beliebter als der jetzige Präsident ist: Walerij Saluschnyj, der ehemalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte und jetzige Botschafter in Großbritannien. Der Ex-General toppt die SOCIS-Umfrage mit 27,2 Prozent. Unter seiner Führung hielt das ukrainische Militär den russischen Einmarsch im Frühjahr 2022 auf. In der Bevölkerung wird er immer noch als „Verteidiger von Kiew“ verehrt. Aber auch Saluschnyj wäre für Washington zu unbequem. Kürzlich übte er scharfe Kritik an Trumps Kurs. Dass Amerika Russlands Aggression gegen die Ukraine nicht mehr als solche benenne, zeigt laut Saluschnyj: „Nicht nur Russland und die Achse des Bösen versuchen, die Weltordnung zu zerstören, auch die USA zerstören sie endgültig.“
Nach dem wutgeprägten Showdown im Weißen Haus konnte Selenskyj immerhin seinen Rückhalt bei der heimischen Bevölkerung verbessern: Seine Popularitätswerte stiegen von 57 auf 68 Prozent. In der Stunde der Not scharen sich die Ukrainerinnen und Ukrainer um ihren Präsidenten. Dennoch: Für Selenskyj wird die Luft dünner.