Die Situation der Kommunen wird immer prekärer. 95 Prozent der Städte und Gemeinden leben finanziell mehr oder weniger von der Hand in den Mund, so die jüngste Erhebung des Deutschen Städtetages.
Die eingestürzte Carolabrücke über die Elbe in der Dresdner Innenstadt hat es weltweit zu trauriger Berühmtheit gebracht. Sie steht als Sinnbild für den beklagenswerten Zustand der deutschen Infrastruktur. Auch der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster Markus Lewe (CDU) kommt bei der Vorstellung der alarmierenden Zahlen zu den kommunalen Finanzen um das Beispiel Carolabrücke nicht herum.
Zukunftsaufgaben werden mehr
Den Städten und Gemeinden werden allein in diesem Jahr 15 Milliarden Euro fehlen. Über ein Drittel der Kommunen rutschen in diesem Jahr in die roten Zahlen, weitere fast 50 Prozent können ihre zu erwartenden Defizite nur durch die eigenen Rücklagen ausgleichen. Doch diese Rücklagen „sind eher schneller als langsamer aufgebraucht“, warnt Markus Lewe. Dass die kommunalen Finanzen immer schneller in eine völlige Schieflage geraten sind, erklärt der Präsident des Deutschen Städtetages zum einen mit den stark gestiegenen Energie- und Personalkosten – die Inflationsrate macht auch vor den Städten und Gemeinden nicht halt. Dabei sind die aktuellen Tarifverhandlungen von Beamtenbund und Ver.di für den öffentlichen Dienst logischerweise noch gar nicht berücksichtigt. Die Personalkosten werden aber auf jeden Fall weiter steigen. Doch die Einnahmen der gut 11.000 Kommunen in Deutschland werden nicht automatisch mit steigen.
Dabei werden die Zukunftsaufgaben nicht weniger, sondern – ganz abgesehen von den dringenden Sanierungsmaßnahmen der bereits bestehenden, aber maroden Infrastruktur – mehr. Wollte man nur kaputte Brücken, Straßen, Schulen oder Kitas bundesweit wieder auf Vordermann bringen, bedürfte es eines kommunalen Investitionspakets von gut und gerne 170 Milliarden Euro, so eine Überschlagsrechnung des Städtetages. „Doch das ist dann nur die halbe Wahrheit und hat die größte finanzielle Herausforderung für die Städte und Kommunen noch gar nicht in der Rechnung“, warnt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
Er ist Vizepräsident des Deutschen Städtetages und hat als Stadtoberhaupt eine echte Fleißarbeit hinter sich: die kommunale Wärmeplanung. Als einer der ersten Oberbürgermeister deutschlandweit hat Burkhard Jung den finanziellen Bedarf für die klimaneutrale Umstellung der Wärmeversorgung von Leipzig erstellt. „Wenn wir bis 2040 auf CO2-frei, also klimaneutral, nur bei der Wärme in meiner Stadt umstellen wollen, dann brauchen wir in den nächsten 15 Jahren etwa 12 bis 15 Milliarden Euro, nur in Leipzig. Wenn Sie das dann auf ganz Deutschland hochrechnen, dann sind das mindestens zwei Billionen Euro, die das kosten wird.“ Wie die Zweitausend Milliarden Euro finanziert werden sollen, ist nicht nur dem Leipziger Oberbürgermeister schleierhaft.
Weitere massive Herausforderung
Die Kommunen werden es nicht schaffen, auch die Länder dürften in Anbetracht der gigantischen Summe überfordert sein. Für Leipzigs OB liegt darum auf der Hand: „Am Ende wird der Verbraucher zahlen müssen für das, was aus der Heizung kommt. Wir werden ja nicht dauerhaft alles mit öffentlichen Mitteln finanzieren können.“
Zwar wird es eine soziale Abfederung geben müssen, so Burkhard, aber „am Ende wird das über den Strom- und Wärmepreis auch beim Verbraucher landen, da führt kein Weg drum herum. Ich gehe davon aus, dass Strom und Wärme perspektivisch in den nächsten zwanzig Jahren sicherlich zwei- bis dreimal so teuer sein werden wie heute.“
Dass diese enormen zusätzlichen Kosten über ein „Sondervermögen Energiewende“ durch den Bund mitfinanziert werden könnten, hält der Leipziger Oberbürgermeister für illusorisch. „Kein Bundesfinanzminister würde dem zustimmen, egal von welcher Partei er kommt“, ist sich der Sozialdemokrat Burkhard sicher.