Zum dritten Mal endet wohl im Sommer 2026 beim FC Bayern eine große Torhüter-Ära. Nach dann 15 Jahren wird Manuel Neuer vermutlich aufhören. Doch wer wird sein Nachfolger?

Nachfolger einer Ikone zu werden, ist nie leicht. Das gilt für alle Berufsleben. So auch für den Leistungssport und den Fußball. Und hier besonders für drei Berufsgruppen: Einem Trainer, Torjäger oder Torhüter nachzufolgen, der eine Ära geprägt hat, ist unglaublich undankbar. Ständig mit dem Vorgänger gemessen zu werden. An Maßstäben, die vielleicht gar niemand erfüllen kann. Nur schon deshalb als Problem angesehen zu werden, obwohl man eigentlich gute Leistungen bringt. Daran sind schon viele gescheitert und zerbrochen.
Auf der Torhüter-Position hatte der FC Bayern München viele Jahre keine Probleme. Denn gleich drei Torhüter prägten in München großartige Ären. In den bisherigen 60 Bundesliga-Jahren standen in insgesamt 42 entweder Sepp Maier, Oliver Kahn oder Manuel Neuer im Tor. Jeder von ihnen für 14 Jahre. Neuer geht zwar nun noch ins 15., doch dann ist er schon 40. Ein Karriere-Ende im Sommer 2026 erscheint dann doch wahrscheinlich. Und es wird Zeit für einen Nachfolger. Wer das werden soll, ist derzeit aber komplett offen. Schauen wir uns zunächst an, wie der FC Bayern die Verluste bei den bisherigen beiden Malen auffing. Und dann, wer der neue Neuer werden könnte.

Die erste Bank im Tor des FC Bayern hieß Sepp Maier. Nach dem Aufstieg 1965 hütete der Weltmeister-Keeper von 1974 fast anderthalb Jahrzehnte durchgängig das Tor. Im ersten Jahr fehlte er mal für drei Partien, danach spielte er immer in allen 34 Saisonspielen. Die 442 Erstliga-Einsätze hintereinander sind bis heute Weltrekord. Da gab es keine Zeit und keinen Gedanken, eine echte Nummer zwei heranzuziehen. Zumal Maiers Karriere-Ende unerwartet und abrupt kam. Gerade hatte der 35-Jährge noch ein Angebot aus den USA abgelehnt und dem 21 Jahre alten Ersatz-Torhüter Walter Junghans angekündigt, er werde „hinter mir zum Althans“, da hatte er im Juli 1979 einen schweren Autounfall, musste sogar notoperiert werden.
Junghans musste ins Tor. Doch die Bayern holten noch Manfred Müller, 33, aus Nürnberg. Nachdem Junghans mit 29:5 Einsätzen im ersten Jahr noch fast gesetzt war, vollzogen die beiden danach zwei Jahre Jobsharing. 19:17 und 19:16 inklusive Einwechslungen lautete die Einsatz-Bilanz für Junghans. Im Pokalfinale 1982 gegen Nürnberg stand der erfahrene Müller im Tor und kassierte ein Tor aus 40 Metern. Und Hilde Breitner, Ehefrau von Paul, fragte angeblich: „Wofür haben wir eigentlich einen Torwart? Wohl nur, dass irgendjemand das Trikot mit der Nummer eins trägt?“
Waren immer echte Rivalen gewesen

Also investierten die Münchener eine Million Mark in den Belgier Jean-Marie Pfaff, der bei der WM in Spanien gerade überzeugt hatte. Junghans ging zum FC Schalke 04, Müller war nur noch die klare Nummer zwei. In seinem ersten Spiel fing sich Pfaff eines der kuriosesten Eigentore der Bundesliga-Geschichte, als er einen Einwurf von Uwe Reinders zum 0:1 in Bremen ins eigene Tor lenkte. Dennoch wurde er nicht nur zum Publikumsliebling, sondern zum Leistungsträger. Auch wenn er seinen Platz nach einer Verletzung zwischenzeitlich nicht wieder direkt von Raimond Aumann zurückeroberte, löste Pfaff für stolze sechs Jahre das Torhüter-Problem des FC Bayern. Er holte fünf Titel mit den Münchenern, stand mit ihnen 1987 im Finale des Europapokals der Landesmeister und wurde auch abseits des Platzes als Spaßvogel bekannt. So spielte er 1987 im Film „Zärtliche Chaoten“ mit Thomas Gottschalk eine Rolle und sang ein Lied ein, das in Belgien Gold-Status erreichte.

1988, mit 34, ging Pfaff zurück nach Belgien. Doch der Nachfolger war schon da. Aumann hatte Pfaff immer unter Druck gesetzt, die beiden waren immer echte Rivalen gewesen. Nun blieb Aumann sechs Jahre im Tor, gewann Titel und hatte auch Sternstunden wie 1988 im Europapokal bei Inter Mailand. Er darf sich auch Weltmeister nennen, weil er 1990 zum deutschen Kader zählte. Dass er dort niemals eine Chance hatte, am vier Jahre jüngeren Bodo Illgner vorbeizuziehen, widersprach aber dem Münchener Selbstverständnis, die Nummer eins immer in ihren Reihen zu haben. Aumann, der später 27 Jahre in der Fanbetreuung des FC Bayern arbeitete, war sehr gut, als Weltklasse-Torhüter sahen ihn viele nicht. Zudem sahen manche bei ihm immer ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, „Balu“ wurde sein Spitzname. Und er war einige Male verletzt. In der ohnehin schlimmen Saison 1991/92, die die Münchener mit negativem Punkteverhältnis auf Platz zehn beendeten, wurde das zum großen Problem. Aumann verletzte sich nach dem sechsten Spieltag schwer am Knie, sein etatmäßiger Ersatz Sven Scheuer fiel ebenfalls für Monate aus. Amateur-Torhüter Gerald Hillringhaus spielte mäßig. Also reaktivierten die Bayern nach drei Niederlagen in Folge mit mindestens drei Gegentoren den 37 Jahre alten Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher, der seine Karriere im Sommer eigentlich beendet hatte. Acht Spiele machte Schumacher, die Rückrunde teilten sich Hillringhaus und der langsam genesene Aumann.

4,6 Millionen Mark, so viel wie nie in der Bundesliga-Geschichte für einen Torhüter, investierte Manager Uli Hoeneß dann in Oliver Kahn vom Karlsruher SC – der dann endlich wieder eine Maier-mäßige Ära prägte. Der zum Leitwolf wurde, zum Nationalmannschafts-Kapitän, zum Titan. Scheuer, Bernd Dreher oder Stefan Wessels kamen immer nur dann zum Einsatz, wenn er fehlte. Als er 2008 seine Karriere beendete, schien der Nachfolger längst auserkoren: Michael Rensing, damals 24. Noch während Kahn bei den Bayern spielte, hatte Hoeneß sich weit aus dem Fenster gelehnt. Nach der WM 2006 hatte er getönt: „Lehmanns Nachfolger in der Nationalelf wird auf jeden Fall Rensing und sonst keiner. Da können sich alle anderen auf den Kopf stellen.“ Doch so kam es nicht. Rensing absolvierte nie ein A-Länderspiel. Drei Jahre dokterten die Bayern an der Kahn-Nachfolge mit ihm, Thomas Kraft und dem erfahrenen Hans Jörg Butt herum. Bis sie 2011 Neuer aus Schalke holten.
30 Millionen Euro kostete die schon damalige Nummer eins der Nationalelf. Die Bayern-UItras lehnten ihn mit Plakaten wie „Koan Neuer“ zunächst ab, weil er auf Schalke jahrelang bei deren Ultras in der Nordkurve gestanden hatte. Doch Neuer wurde ein echter Bayer. Kapitän, mehrfacher Welttorhüter, Weltmeister, für viele der beste Schlussmann, den die Welt je hervorgebracht hat. Weil er als mitspielender Torhüter, als „Manu, der Libero“ auch stilprägend war. Andere, wie Tom Starke oder Sven Ulreich, waren maximal die klare Nummer zwei.
Neuer als Platzhirsch

zur Kultfigur des Clubs - Foto: imago / Kolvenbach
Bis die Bayern 2020 den 23 Jahre alten Alexander Nübel aus Schalke holten und ihn als Nachfolger des zehn Jahre älteren Neuer in Stellung brachten. Doch Neuer wollte nicht mal die paar Spiele abgeben, die Sportchef Hasan Salihamidzic Nübel versprochen haben soll. Der ließ sich nach Monaco und Stuttgart ausleihen und kündigte an, nicht zurückzukommen, solange Platzhirsch Neuer da ist. Er zeigte durchaus Leistung, wurde mit Stuttgart Vizemeister und Nationalspieler.
Nübel hat in München noch einen Vertrag bis 2029, wäre also eigentlich der prädestinierte Nachfolger Neuers. Doch die „Bild“ schrieb immer wieder von Zweifeln in der Münchener Führungsriege. Als Belege dienen, dass die Bayern im Sommer 2023 fünf Millionen für den Israeli Daniel Peretz ausgaben und nun im Winter sieben Millionen für Jonas Urbig – zu diesem Zeitpunkt Ersatztorhüter des Zweitligisten 1. FC Köln. Urbig hatte in Köln als klare Nummer eins auf Jahre gegolten, doch als die Mannschaft im Herbst wankte, kehrte der erfahrene Marvin Schwäbe zurück ins Tor, der entgegen seiner Ankündigung im Sommer doch nicht gewechselt war.
Wer wird also nun die Nummer eins? Ulreich, inzwischen 35, ist zu alt. Peretz wird die ganz große Karriere wohl doch nicht zugetraut. Also wird es am Ende ein Zweikampf werden zwischen Nübel und Urbig. Der 21 Jahre alte Urbig musste kurz nach seinem Wechsel schon ins kalte Wasser springen. Er wurde im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Meister Bayer Leverkusen für den verletzten Neuer eingewechselt, stand im Rückspiel 90 Minuten im Tor. Er blieb zweimal ohne Gegentreffer und Sportchef Max Eberl sprach danach von einer „exzellenten“ Leistung.
Urbig oder Nübel, einer von beiden soll im Sommer 2026 also der neue Neuer werden. Falls die Münchener nicht kurzfristig noch eine Idee haben. Und falls Neuer 2026 dann auch wirklich aufhört. Ausdrücklich angekündigt hat er dies nämlich bis heute nicht.