Aliens nachzuweisen wird immer wahrscheinlicher. So sehen das jedenfalls die Wissenschaftler. Eine aktuelle Publikation deutet darauf hin, dass intelligentes Leben kein Vorrecht der Erde ist, sondern in der Unendlichkeit des Weltalls recht weit verbreitet sein könnte.

Eines der größten Rätsel der Menschheitsgeschichte dreht sich noch immer um die Frage: „Sind wir allein im Universum?“ Oder gibt es in den schier unendlichen Weiten des Universums noch weitere Formen intelligenten Lebens? Allein in unserem beobachtbaren Teil, aus dem bislang einzig das Licht der dortigen Sterne zu uns auf die Erde gelangen konnte, enthält es laut dem WDR-Wissenschaftsmagazin „Quarks“ derzeitigen Schätzungen zufolge rund zwei Billionen Galaxien. Da die Galaxien sich aus einer Vielzahl von Sternen zusammensetzen, die wiederum von mehreren Planeten umkreist werden, ist daher laut „Quarks“ „die Wahrscheinlichkeit groß, dass darunter auch welche sind, die unserer Erde ähneln. Nicht zu nah am Zentralstern, damit es nicht zu heiß ist, und nicht zu weit weg, damit nicht alles Leben erfrieren würde“. Zusätzlich müssen laut „Quarks“ nach unserem irdischen Verständnis für die Entstehung von Leben noch einige weitere Kriterien erfüllt sein, vor allem das Vorhandensein von Oberflächenwasser und ein ausreichend starkes Magnetfeld zum Schutz vor gefährlicher kosmischer Strahlung.
Hard-Steps-Theorie aus dem Jahr 1983
Wobei es aber auch denkbar ist, dass auf fernen Exoplaneten das Leben mit ganz anderen chemischen Prozessen abläuft als auf der Erde und beispielsweise das Gas Methan dabei eine wichtige Rolle spielen könnte. Deshalb konzentriert sich die Forschung bei der Suche nach außerirdischem Leben auf die Ermittlung von sogenannten Biosignaturen (Lebensspuren), ganz egal ob es sich dabei um einfache oder kompliziertere organische Moleküle handelt. „Forscher schätzen“, so „Quarks“, „dass es in der Milchstraße Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden bewohnbare Planeten geben könnte. Im ganzen bislang beobachtbaren Universum sollen es nach derzeitigem Wissensstand um die fünf Billionen sein.“
Schon frühere Geistesgrößen wie Giordano Bruno, René Descartes, John Locke, Gottfried Wilhelm Leibniz oder das vor einigen Jahren verstorbene Genie Stephen Hawking glaubten an die Existenz von intelligenten Außerirdischen. Wobei Letzterer vor einer Kontaktaufnahme dringend abgeraten hatte, weil er in solchen Aliens eine existentielle Bedrohung für die irdische Zivilisation vermutet hatte. Hawking argumentierte, dass allein schon die schier endlose Zahl von Galaxien und Sternen für die Existenz außerirdischen Lebens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sprechen würde.
Diesen optimistischen Einschätzungen bezüglich der Wahrscheinlichkeit außerirdischen Lebens steht jedoch das schon 1983 vom renommierten US-Astrophysiker Brandon Carter aufgestellte hypothetische Modell der sogenannten Hard Steps (Schwierige Schritte) gegenüber. Es liefert eine Erklärung für das vom italienischen Physiker Enrico Fermi bereits 1950 formulierte sogenannte Fermi-Paradoxon, das die Problematik auf den Punkt gebracht hatte, dass es bei Voraussetzung der Akzeptanz extraterrestrischer Intelligenz doch ziemlich paradox sei, dass diese fraglos hochentwickelte außerirdische Zivilisation noch keinerlei Anzeichen ihrer Präsenz, beispielsweise durch Radiosignale, in unserer Milchstraße hinterlassen hatte und auch die irdische Suche nach ihr bislang erfolglos geblieben war. Das seit über vier Jahrzehnten auf der Suche nach Aliens tätige SETI-Institut (Search for Extraterrestrial Intelligence) konnte bislang trotz des Einsatzes modernster Radioteleskope und zusätzlichem Fahnden nach Lasersignalen jedenfalls noch keine Erfolgsmeldungen liefern – mit Ausnahme des am 15. August 1977 aufgenommenen sogenannten „Wow!“-Signals, dessen Herkunft aber nicht eindeutig zugeordnet werden konnte. Zumal es extrem schwierig sein dürfte, eine etwaige interstellare Nachricht auch als solche identifizieren und verstehen zu können. Schon allein weil nicht vorausgesetzt werden kann, dass sich auch Aliens der verbindlichsten Sprache, nämlich der Mathematik, bedienen könnten.
Geobiologen stellen Theorien auf den Kopf
Das Hard-Steps-Modell besagt, dass unser evolutionärer Ursprung aufgrund der langen Zeit, die der Mensch im Vergleich zur Gesamtlebensdauer der Sonne für seine Entwicklung auf der Erde benötigte, höchst unwahrscheinlich und die Entstehung intelligenten Lebens auf unserem Planeten eine sehr unwahrscheinliche Folge extrem seltener Bedingungen gewesen ist. Die Entstehung menschlichen Lebens auf unserem Planeten sei daher einem Riesenzufall zu verdanken, der sich im Universum wohl nur selten wiederholt haben dürfte. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit, dass es außerhalb der Erde menschenähnliche Wesen geben könne, als äußerst gering einzuschätzen. Carter vermutete, dass die Evolution auf der Erde deshalb so lange benötigte und im Verhältnis auf die von ihm berechnete Lebensdauer der Sonne von rund zehn Milliarden Jahren erst ziemlich spät eingesetzt habe, weil sie erst einige „Schwierige Schritte“ habe bewältigen müssen, bevor das Leben intelligente Formen annehmen konnte. Andere Forscher haben diese Schritte genauer beschrieben, beispielsweise die Entwicklung von Leben aus toter Materie, das Auftauchen der Photosynthese, die Evolution sogenannter Eukaryoten (die schon eine Art von zellulärer Komplexität aufweisen) oder schließlich die Evolution der Tiere. Die für die Entwicklung von intelligentem Leben auf der Erde benötigte Zeitspanne war aus Carters Sicht viel länger als die typische Lebenszeit von Sternen. Oder anders ausgedrückt: Die Sonnen, die für lebensfreundliche Bedingungen auf dafür infrage kommenden Planeten sorgen konnten, hatten laut Carter in der Regel nicht den langen Atem, der nötig war, um das Auftreten von intelligenten Zivilisationen zu ermöglichen.
Das „Hard-Steps“-Modell wurde 1998 vom US-Wirtschaftswissenschaftler Robin Manson durch das hypothetische Konzept des sogenannten Großen Filters weiterentwickelt. Es besagt, dass jede Menge evolutionärer Schritte überwunden werden müssen, damit eine Zivilisation entstehen und danach auch lange genug existieren kann, um sich durch die Entwicklung moderner Kommunikationstechnik im Weltall bemerkbar machen zu können.
Natürliche Evolutionsschritte
Doch im Februar 2025 hat ein interdisziplinäres Forschungsteam, dem nicht nur Astro-Physiker, sondern auch Geobiologen der Pennsylvania State University und der University of Rochester angehörten, die Gültigkeit des „Hard-Steps“-Modells im Fachmagazin „Science Advances“ infrage gestellt. „Obwohl diese Fragen die Evolutionsgeschichte der Biosphäre der Erde betreffen, haben seltsamerweise vergleichsweise wenige Erdhistoriker und Evolutionsbiologen in der Literatur auf Carters Argumente reagiert und Astrophysiker, Ökonomen und Futuristen ungehindert das ‚Hard-Steps‘-Modell vertreten lassen“, erklärt der Erstautor der Studie, Dan Mills, Postdoktorand an der Technischen Universität München und vormals Student am Astrobiologie-Labor der Penn State. „Könnte es angesichts dieser Situation sein, dass das ‚Hard-Steps‘-Modell nur deshalb so lange Bestand hatte, weil die Bereiche, die es am besten widerlegen könnten, sich historisch nicht damit befasst haben?“
„Wir argumentieren, dass intelligentes Leben möglicherweise keine Reihe von Glücksfällen benötigt, um zu existieren“, sagt Dan Mills. „Der Mensch hat sich nicht ‚früh‘ oder ‚spät‘ in der Erdgeschichte entwickelt, sondern genau zu dem Zeitpunkt, als die Bedingungen dafür gegeben waren. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, und vielleicht sind andere Planeten in der Lage, diese Bedingungen schneller zu erreichen als die Erde, während andere Planeten vielleicht noch länger brauchen.“ Aus Sicht des Forscherteams waren es in erster Linie die sich positiv verändernden Umweltbedingungen auf unserem Planeten, die es dem Leben ermöglichten, zur nächsten evolutionären Entwicklungsstufe aufsteigen zu können.
Der evolutionäre Fortschritt könne durch die schrittweise Öffnung von sogenannten Habilitäts- oder Bewohnbarkeitsfenstern über die Erdgeschichte hin erklärt werden. Diese Fenster hätten sich durch Umweltfaktoren wie Veränderungen der Nährstoffverfügbarkeit, der Meeresoberflächentemperatur, des Salzgehalts der Ozeane oder der Sauerstoffmenge in der Atmosphäre öffnen können. Angesichts all dieser Faktoren, so das Team, sei die Erde als natürliches Ergebnis dieser Umweltveränderungen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit für Menschen bewohnbar geworden.
Die Umwelt der Erde sei für viele Lebensformen ursprünglich unwirtlich gewesen. Entscheidende evolutionäre Schritte seien erst möglich geworden, als die globale Umwelt einen „permissiven“ Zustand erreicht habe. So sei etwa für komplexes tierisches Leben ein bestimmter Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre erforderlich. Die Anreicherung der Erdatmosphäre mit Sauerstoff durch photosynthetisierende Mikroben und Bakterien habe daher laut Dan Mills einen natürlichen Evolutionsschritt für den Planeten dargestellt und gleichzeitig ein Zeitfenster für die Entwicklung neuerer Lebensformen geschaffen. „Wir sind der Ansicht, dass unsere Vorhersagen nicht auf der Lebensdauer der Sonne basieren sollten, sondern wir eine geologische Zeitskala verwenden sollten, denn so lange dauert es, bis sich Atmosphäre und Landschaft verändern. Dies sind normale Zeitskalen auf der Erde. Wenn sich das Leben mit dem Planeten entwickelt, dann wird es sich auf einer planetarischen Zeitskala und in planetarischem Tempo entwickeln“, sagt Jason Wright, Professor für Astronomie und Astro-Physik an der Penn State. „Die neuen Erkenntnisse stellen denn auch einen bedeutenden Wandel in unserer Sichtweise auf die Geschichte des Lebens dar“, sagt Jennifer Macalady, Professorin für Geowissenschaften an der Penn State. „Sie legen nahe, dass die Evolution komplexen Lebens weniger auf Zufall beruht, sondern vielmehr auf dem Zusammenspiel zwischen Leben und seiner Umwelt – und eröffnen spannende neue Forschungswege auf unserer Suche nach unseren Ursprüngen und unserem Platz im Universum.“

Ähnliche Prozesse wie auf der Erde könnten auch auf anderen Planeten abgelaufen oder derzeit noch im Gange sein. „Diese neue Perspektive deutet darauf hin“, so Prof. Jason Wright, „dass die Entstehung intelligenten Lebens vielleicht doch nicht so unwahrscheinlich ist. Statt einer Reihe unwahrscheinlicher Ereignisse könnte die Evolution eher ein vorhersehbarer Prozess sein, der sich entsprechend den globalen Bedingungen entfaltet. Unser Rahmen gilt nicht nur für die Erde, sondern auch für andere Planeten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es anderswo Leben gibt, das dem unseren ähnelt.“
Als nächsten Forschungsschritt möchte das Team sein neues Modell weiter testen und dabei die „Hard Steps“ noch nachhaltiger hinterfragen. Dabei möchte es beispielsweise die Suche nach Biosignaturen in den Atmosphären von Exoplaneten aufnehmen. Und es möchte überprüfen, wie schwierig die vermeintlichen „Hard Steps“ tatsächlich gewesen sein könnten, indem es einzellige und mehrzellige Lebensformen probeweise extremen Umweltbedingungen wie niedrigen Sauerstoff- und Temperaturwerten aussetzt.
Darüber hinaus hat das Team die Wissensgemeinschaft aufgefordert, vorbehaltlos in künftigen Forschungen zu ergründen, ob evolutionäre Innovationen wie die Entstehung des Lebens, die oxygene, molekularen Sauerstoff freisetzende Photosynthese, die Bildung eukaryotischer Zellen mit echtem Kern oder tierische Vielzelligkeit sowie das Auftauchen des Homo sapiens wirklich einzigartige oder einmalige Ereignisse in der Erdgeschichte gewesen waren. Oder ob es möglicherweise schon in der früheren erdgeschichtlichen Vergangenheit ähnliche Entwicklungen gegeben haben könnte, deren Spuren jedoch durch Aussterben oder andere Faktoren komplett ausgelöscht worden sein könnten.