Seit den 1950er-Jahren prägte sie die deutsche Schauspielszene. Auch am Theater und als Regisseurin feierte sie große Erfolge, insbesondere mit den von ihr initiierten Berliner „Jedermann“-Festspielen. Grothum feierte am 26. Februar ihren 90. Geburtstag.
Es gibt kaum etwas, das Brigitte Grothum in ihrer Branche nicht schon mal gemacht hat: Theater, Film, Fernsehen, Bühnenregie, Festival-Leiterin oder Synchronsprecherin. Den meisten Zuschauern ist Grothum aber bekannt durch ihre Rolle als „Berliner Schnauze“ Magda Färber in der 70er-Jahre-Fernsehserie „Drei Damen vom Grill“. Dort gab sie neben Brigitte Mira, Gabriele Schramm, Harald Juhnke und Günter Pfitzmann 16 Jahre lang Einblicke ins bunte Treiben rund um eine Berliner Imbissbude. Grothum wird heute noch fast täglich auf diese Serie angesprochen: „Wir würden die Serie gern wieder aufleben lassen oder ein Theaterstück draus machen. Aber wir kommen an die Rechte nicht dran“, sagt Grothum in der „Apotheken Umschau“.
Im Gegensatz dazu hatte Grothum auch großen Erfolg mit eher schaurigen Sujets: In den 70er-Jahren spielte sie an der Seite von Klaus Kinski die weibliche Hauptrolle in den Edgar-Wallace-Verfilmungen „Die seltsame Gräfin“, „Das Gasthaus an der Themse“ und „Der Fluch der gelben Schlange“.
Mit Klaus Kinski vor der Kamera
Grothum, die heute als eine der profiliertesten deutschen Theaterdarstellerinnen verehrt wird, wollte eigentlich Pianistin werden, musste wegen einer Fingerverletzung aber einen anderen Berufsweg gehen. Nach einem Besuch der „Zauberflöte“ stand für sie fest: „Ich werde Schauspielerin!“ Schon 1954 stand sie erstmals auf einer Bühne und kann inzwischen auf eine über 70-jährige Karriere zurückblicken. An ihrem 90. Geburtstag am 26. Februar blickte sie voller Dankbarkeit auf ein erfülltes Leben zurück. „Ich habe sehr viel Glück gehabt im Leben. Ich habe eine wunderbare Ehe gehabt, habe zwei wunderbare gesunde Kinder und kann in meinem hohen Alter wirklich immer noch das machen, was ich am allerliebsten mache, nämlich Theaterspielen und auch Fernsehen machen“, betont Grothum beim rbb.

Selbst an ihrem 90. Geburtstag stand sie auf der Bühne des Berliner Schlosstheaters ihres Freundes Dieter Hallervorden: An der Seite von dessen Sohn Johannes spielte sie die Hauptrolle in der Komödie „Omas Trick“, die danach noch mehrmals im Theater am Frankfurter Tor auf dem Programm steht. Auf Hallervordens Bühne ist Grothum zudem noch in drei Edgar-Wallace-Live-Hörspielen zu sehen. Hauptbetätigungsfeld Grothums ist jedoch seit fünf Jahren ihre Rolle als Goebbels-Sekretärin Brunhilde Pomsel in der literarischen Solo-Lesung „Ein deutsches Leben“, die auf einem Interview der 102-Jährigen basiert und ihre Erlebnisse an der Seite des NSDAP-Propagandachefs thematisiert. In den kommenden Monaten ist Gro-thum noch mehrmals damit im Schlosstheater zu sehen. Sie bezeichnet diese Arbeit als einen ihrer „späten Lebenshöhepunkte“, zumal sie auf diese Weise den Tod ihres 2019 verstorbenen Mannes Manfred Weigert verarbeiten konnte. Das Stück habe ihr „das Leben gerettet“.
Grothum steht seit 2016 auch alljährlich bei den Bad Hersfelder Festspielen auf der Bühne, im Vorjahr beispielsweise in der Wiederaufnahme von „Wie im Himmel“. Große Verdienste erworben hat sie sich auch als Initiatorin und Gründerin der Berliner „Jedermann-Festspiele“. Seit 1987 konnte sie dafür alljährlich zahlreiche prominente Darsteller gewinnen und wurde so zu einer Institution des Berliner Kulturlebens. 2014 musste sie altersbedingt das Festival aufgeben, das bis dahin über eine halbe Million Zuschauer angelockt hatte. „Das war die schwerste Entscheidung meines künstlerischen Lebens.“
Aktuell im TV als Wirtin Gisela
Wer über 70 Jahre lang als Schauspielerin gearbeitet hat, kann natürlich gut Vergleiche zwischen früher und heute anstellen. Vor allem bei der Sprache sieht Grothum eine negative Entwicklung. Wenn sie heute neue Aufführungen anschaue, denke sie bei gut der Hälfte: „Warum sprechen die alle nicht gescheit?“ Das solle wohl modern und natürlich wirken, aber „Theater soll nichts Alltägliches sein.“ Ihre alten Serien sieht sie sich nicht mehr an, da sie Zurückliegendes gut abhaken könne. Dank einer Art „zunehmender Altersweisheit“ stelle sie gerade fest: „Bei Dingen, die mich mit 70 noch aufgeregt hätten, sagt mir heute die Erfahrung: Es ist nur Theater, Unterhaltung und keine Operation am offenen Herzen.“
Dieser Gelassenheit schreibt sie auch ihr deutlich jüngeres Aussehen zu. Sie freue sich einfach über jedes weitere Jahr und betrachtet ihren Beruf als Jungbrunnen: „Die zwei Stunden auf der Bühne bin ich in einer andern Welt.“ Hier sei sie nicht mehr sie selbst, könne loslassen und private Dinge ausblenden, „das ist wie eine Droge.“ Auch ins Fernsehen ist Grothum wieder mal zurückgekehrt und spielt seit 2021 in der Vorabendserie „WaPo Berlin“ mit.
Sie bedauert allerdings, dass viele ihrer ehemaligen Kolleginnen und Kollegen inzwischen verstorben sind: „Es ist furchtbar, wenn man die Letzte ist, die noch lebt.“ So denke sie heute als 90-Jährige doch schon öfter mal an den Tod. Vor allem aber denkt sie an die Rollen, die sie weiterhin auf der Bühne umsetzen kann.