Deutschland entwickelt sich zu einem wichtigen Standort für Rechenzentren. Mit der wachsenden Bedeutung Künstlicher Intelligenz explodieren die Datenmengen – und damit auch der Energieverbrauch. Doch gibt es auch klimafreundliche Aspekte dieser Entwicklung?

Herr Wagner, Sie sind Nachhaltigkeitsexperte beim Digitalverband Bitkom. Herr Meyer-Breitkreutz, Sie sind dort Bereichsleiter Nachhaltigkeit und Umwelt. Das heißt, Sie beide sind in der aktuell leistungsstärksten Branche zu Hause. Leistung und Energie hängen eng zusammen, auch in der Energiewende. Unsere Leser interessiert, wie auch das Klima von Digitalisierung, KI und Big Data profitieren kann.
Zunächst einmal zum Grundsätzlichen: Warum verursachen virtuelle Daten überhaupt klimaschädliche Emissionen? Wenn ich am Computer arbeite, wirble ich doch keinen Dreck auf?
Kilian Wagner: Jedes Mal, wenn wir digitale Dienste nutzen, werden Rechenzentren aktiv. Ob beim Aufrufen von Webseiten, der Nutzung von Streamingdiensten, Messengern oder der Cloud, Rechenzentren spielen eine zentrale Rolle. Sie sind essenziell für die Speicherung, Verarbeitung und Übertragung großer Datenmengen und verbrauchen dafür Energie, vor allem für den Betrieb der Server und deren Kühlung. Der Stromverbrauch ist dabei die Hauptquelle der Emissionen von Rechenzentren. Und diese hängen maßgeblich von der Stromquelle ab: Energie aus fossilen Brennstoffen führt zu höheren Emissionen. Die Treibhausgasemissionen sinken durch die Energiewende also und viele Betreiber setzen zusätzlich auf erneuerbare Energien. Weitere Emissionen entstehen durch den Bau des Gebäudes und der Infrastruktur sowie durch Herstellung und Entsorgung der IT.

Die Abwärme, die Rechenzentren erzeugen, nutzen beispielsweise Universitäten zum Heizen. Was halten Sie davon, die Wärme, die beim Kühlen der großen Server entsteht, generell für Wohn- und Geschäftsgebäude zu verwenden?
Kilian Wagner: Das ist eine sehr gute Idee, die wir schon seit langer Zeit unterstützen. Diese Wärme, die sonst ungenutzt in die Umgebung abgegeben wird, kann sinnvoll zur Beheizung von Gebäuden eingesetzt werden. Dadurch können theoretisch ganze Stadtteile oder Bürokomplexe mit dieser nachhaltigen Wärmequelle versorgt werden. So kann der Bedarf an konventionellen Heizmethoden, die oft auf fossilen Brennstoffen basieren, reduziert werden und Rechenzentren zu einer gelungenen Wärmewende beitragen. Für die vermehrte Abgabe der CO2-freien Abwärme braucht es jedoch passende Abnehmer. Rechenzentren möchten ihre Abwärme häufig kostenneutral abgeben, finden jedoch keine Abnehmer. Der konsequente Ausbau moderner Wärmenetze ist dabei der größte Hebel, da häufig nicht die nötige Infrastruktur besteht. Außerdem ist die Abnahme aufgrund der nötigen Infrastruktur und der Temperaturniveaus häufig nicht wirtschaftlich. Hier muss nachgebessert werden, damit sich die sinnvolle Abwärmenutzung auch für die Wärmebranche und die Endkunden rechnet. Aufgrund der lokalen Unterschiede muss bei jedem Projekt einzeln geprüft und entschieden werden, ob eine Abwärmenutzung Sinn macht.
Lassen sich Rechenzentren und erneuerbare Energien synchron aufstocken, um die Energie für immer mehr Datenverarbeitung und Big Data aus Sonne und Wind zu gewinnen?
Kilian Wagner: Der gleichzeitige Ausbau von Rechenzentren und erneuerbaren Energien, wie Solar- und Windkraft, ist eine sinnvolle Lösung, um die steigende Nachfrage nach digitalen Diensten und KI nachhaltig zu decken. Eine Herausforderung besteht jedoch darin, dass Energie aus Sonne und Wind nicht kontinuierlich verfügbar ist. Rechenzentren müssen hingegen rund um die Uhr verfügbar sein und lassen sich in der Regel nicht flexibel hoch- oder runterfahren. Wenn jemand eine Webseite aufruft oder auf eine Datei in der Cloud zugreift, kann dies nicht warten. Dies gilt insbesondere für kritische Infrastrukturen wie zum Beispiel Krankenhäuser, Verkehrswesen, Finanzdienstleister et cetera, die auf eine kontinuierliche Datenverfügbarkeit angewiesen sind. Daher muss das Ziel ein zuverlässiges, dauerhaft verfügbares, günstiges und nachhaltiges Energiesystem sein. Speichertechnologien können hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Was unternehmen Entwickler von Hardware, Software und KI, damit geschäftige Daten möglichst wenig Energie verbrauchen? Wie sieht hier die vorläufige Erfolgsbilanz aus?
Kilian Wagner: Hardware-, Software- und KI-Entwickler arbeiten intensiv daran, den Energieverbrauch von Datenoperationen zu reduzieren. Auf der Hardwareseite kommen energieeffiziente Prozessoren und optimierte Architekturen zum Einsatz, die speziell darauf ausgelegt sind, weniger Energie pro Rechenoperation zu verbrauchen. In Rechenzentren werden zudem innovative Kühltechnologien und modulare Designs eingesetzt, um Energieverluste zu minimieren. Im Bereich der Software werden Algorithmen so gestaltet, dass sie weniger Rechenleistung benötigen, etwa durch optimierte Programmierung oder den Einsatz spezialisierter Chips für bestimmte Aufgaben. Auch bei der Entwicklung von KI-Systemen rückt die Energieeffizienz zunehmend in den Fokus: Mit sogenannten Green-AI-Ansätzen werden Modelle so trainiert und betrieben, dass der Energieverbrauch bei Inferenz und Training minimiert wird.
Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen dokumentieren: Behindern oder helfen sich Digitalisierung und Klimaschutz im betrieblichen Alltag? Ließen sich hier Aufwand und Energie gleichermaßen einsparen?
Niklas Meyer-Breitkreutz: Digitalisierung und Klimaschutz ergänzen sich zunehmend im betrieblichen Alltag. Unternehmen profitieren von digitalen Werkzeugen, mit denen sich Nachhaltigkeitskennzahlen effizient erfassen und analysieren lassen. Beispielsweise ermöglichen Sensoren und cloudbasierte Plattformen eine genaue Erfassung von Energieverbrauchs- und Emissionsdaten, wodurch Einsparpotenziale identifiziert und umgesetzt werden können. Gleichzeitig reduziert die Automatisierung von Prozessen den manuellen Aufwand für Dokumentation und Reporting.

Allerdings stellt die Einführung solcher Systeme zunächst eine ökologische und ökonomische Herausforderung dar, da sie Investitionen und Anpassungen erfordern. Langfristig überwiegen jedoch die Vorteile: Unternehmen berichten häufig von sinkenden Betriebskosten und einer verbesserten Datenbasis für nachhaltige Entscheidungen. Digitale Lösungen ermöglichen es also, Aufwand und Energieverbrauch gleichermaßen zu senken und gleichzeitig die Transparenz in der Berichterstattung zu erhöhen.
Wo und wie tragen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung gezielt zum Energiesparen und somit zum Klimaschutz bei? Gibt es ermutigende Erfolgsmeldungen aus der Kombi von KI und Klima?
Niklas Meyer-Breitkreutz: Künstliche Intelligenz und Digitalisierung tragen zum Energiesparen bei, indem sie beispielsweise komplexe Systeme optimieren. Im Energiemanagement helfen KI-Algorithmen, Stromnetze effizienter zu steuern und Verluste zu minimieren, indem sie den Energiebedarf präzise vorhersagen und die Erzeugung erneuerbarer Energien optimieren. In der Industrie werden Produktionsprozesse durch KI-gestützte Steuerungssysteme energieeffizienter gestaltet, während im Verkehrssektor intelligente Logistiklösungen und Verkehrsmanagementsysteme den Energieverbrauch und die CO₂-Emissionen deutlich reduzieren.
Früher haben wir fleißig Dateien und E-Mails bald wieder gelöscht, um Speicherplatz freizubekommen.

Wie können wir aktuell auch im Privaten den Energieverbrauch reduzieren, der von Daten-Umsätzen verursacht wird? Würde eine Social-Media-Diät helfen?
Niklas Meyer-Breitkreutz: Auch im privaten Bereich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Energieverbrauch durch Datenverkehr zu reduzieren. Eine regelmäßige Datenbereinigung wie das Löschen alter Dateien, E-Mails oder Fotos in der Cloud hilft, den Speicherbedarf in Rechenzentren zu reduzieren. Das Streamen oder direkte Herunterladen von Videos in niedriger Qualität spart Energie. Besonders effizient ist es, Inhalte herunterzuladen statt sie mehrfach online anzusehen.
Ein bewusster Umgang mit Social Media könnte ebenfalls einen spürbaren Effekt haben. Weniger Konsum bedeutet weniger Datenverkehr und somit einen geringeren Energiebedarf in Rechenzentren. Haben neuere Smartphones – analog zu neuen Kühlgeräten – eine bessere Energiebilanz oder sogar mehr Emissionen im Gepäck als die Vorgängermodelle?
Niklas Meyer-Breitkreutz: Obwohl neuere Smartphones im Betrieb oft energieeffiÂzienÂter sind, weil sie leistungsfähigere und stromÂsparendere Prozessoren verwenden, bleibt die Herstellung ein Problem. Mehr als 80 Prozent der Emissionen eines Smartphones entstehen während der Produktion, insbesondere durch den Abbau seltener Rohstoffe und die energieintensive Herstellung.
Daher ist es wichtig, die Lebensdauer dieser Geräte zu verlängern. Zum Beispiel durch den Einsatz von Refurbished-IT oder die Rückführung von Altgeräten in den Kreislauf. Ein langlebiges Smartphone ist aus Klimasicht immer nachhaltiger als ein häufiges Upgrade auf neue Modelle.
Kann Digitalisierung den Energieverbrauch der Digitalisierung ausgleichen?

Niklas Meyer-Breitkreutz: Die Digitalisierung kann ihren eigenen Energieverbrauch nicht vollständig kompensieren, aber sie kann in anderen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens weit mehr Energie einsparen, als sie selbst benötigt. Intelligente Technologien optimieren den Betrieb von Stromnetzen, Produktionsanlagen und Logistiksystemen und ermöglichen so erhebliche Energieeinsparungen.
Durch den Einsatz erneuerbarer Energien in Rechenzentren und die zunehmende Fokussierung auf energieeffiziente Technologien sinkt zudem der direkte CO2-Fußabdruck der Digitalisierung. Während die Digitalisierung einen steigenden Energiebedarf hat, zeigt sich, dass ihre Anwendung in der Praxis große Potenziale zur Effizienzsteigerung bietet.
Profitiert unterm Strich das Klima von Digitalisierung, KI und Big Data in der Energiewende?
Niklas Meyer-Breitkreutz: Wird die Digitalisierung im Energiebereich gezielt eingesetzt, profitiert das Klima. Digitale Technologien sorgen dafür, dass erneuerbare Energien effizienter verteilt und gespeichert werden können. Gleichzeitig ermöglichen Big-Data-Analysen präzise Prognosen, die den Ausbau und die Integration erneuerbarer Energien erleichtern.