Den Tuli-Block im Südosten von Botswana kennen nur Eingeweihte. Inmitten einer spektakulären Landschaft voller Baobab-Bäume gibt es im Boden eingelassene Foto-Verstecke, von denen aus sich die Tiere am Wasserloch aus Ameisenperspektive beobachten lassen.
Dem Ungeduldigen läuft alles davon. Aber alles kommt zu dem, der geduldig warten kann.“ Klingt ziemlich schlau, diese Safari-Weisheit. Aber ist sie denn tatsächlich wahr? Wir sind gerade dabei, das zu überprüfen. Immerhin ist das Ausharren keine Tortur: Man röstet nämlich nicht auf dem Sitz eines offenen Geländewagens in der Sonne, sondern lümmelt auf einem komfortablen Stuhl in einem schattigen Versteck. Kaffee dampft im Becher. Und weil es die Küche gut mit ihren Gästen meint, hat sie dem Guide ein halbes Blech noch ofenwarmer Rusks mitgegeben, die tausend mal besser schmecken als langweiliger Zwieback. Das ist also die Luxus-Variante des Wartens. Eine lange Stunde passiert: nichts.
Na ja, nicht ganz. Wir werden verpfiffen von den Lärmvögeln. Sie hatten uns als Amateure der Tarnung mit ihren Adleraugen natürlich sofort entdeckt, als wir uns der „Matebole Hide“ näherten. Sie hatten genau beobachtet, wie wir durch eine Luke im Dach in dem in der Erde eingegrabenen Container verschwanden. Nun sind wir zwar unsichtbar, denn die Fenster sind nah am Boden und getarnt.
Doch die tierischen Aufpasser haben ein gutes Gedächtnis. Sie lassen sich nicht beirren und warnen penetrant quäkend den ganzen Busch. Trotzdem wagt sich ein mutiges Perlhuhn ans Wasserloch, keckernd folgt die ganze Truppe. Durchs Unterholz schleicht eine einsame Hyäne. Dann steht auf einmal fest, dass die Safari-Weisheit zumindest hier und heute stimmt: Das Warten hat sich gelohnt.
Elefanten kommen lautlos heran
Wie Elefanten es schaffen, trotz ihrer Größe und ihres tonnenschweren Gewichts quasi lautlos durch den Busch zu streifen, bleibt ihr Geheimnis. Sie kündigen sich natürlich nicht wie im Zirkus trompetend an. Doch nicht einmal dezentere Laute, knackende Äste oder raschelndes Laub verraten sie. Plötzlich, unerwartet treten sie zwischen den Bäumen ins Freie. Die alte Leitkuh geht gemächlichen Schrittes voraus und führt die Tanten, Mütter und Kälber zum Wasserloch. Alle kommen überraschend dicht an unser Versteck heran: Die ganze Herde vergnügt sich direkt neben dem vergrabenen Container, manchmal keinen Meter entfernt. So nah, aus einer derart dramatischen Ameisenperspektive, in freier Wildbahn und ohne Risiko kann man die größten Landtiere der Welt sonst nirgendwo sehen.

Bei Pirschfahrten im Geländewagen begegnet man ausgewachsenen Elefanten zwar nicht auf Augenhöhe, blickt aber oft herab auf ihren Nachwuchs. Sitzt man nun einmal zu ihren Füßen, oder sogar noch tiefer, auf dem Niveau des Bodens, wirken bereits die Kälber beeindruckend groß. Die Elefantenkühe sind Riesen, drei Meter hoch und massig wie ein Lieferwagen. Ewig lang wirken auch die von 100.000 Muskeln gesteuerten Rüssel, die unter viel Prusten und Plantschen das Wasser aufsaugen. Zwischendurch schnuppern die Allzweckinstrumente immer wieder in unsere Richtung. Natürlich wissen die Tiere längst, dass wir sie aus nächster Nähe beobachten. Endlich gibt es die Möglichkeit, einmal ganz genau hinzuschauen. Man entdeckt lange schwarze Wimpern, folgt dem Faltenwurf der Haut und hofft insgeheim auf eine Reaktion der kleinen braunen Augen.
„Hohe Dichte an Raubkatzen“
Platz dafür haben die Elefanten hier jedenfalls genug, denn Zäune gibt es keine. Das Northern Tuli Game Reserve, von Reiseveranstaltern oft einfach nur als Tuli-Block bezeichnet, ist mit über 70.000 Hektar Fläche eines der großen privaten Schutzgebiete im südlichen Afrika. Es liegt im äußersten Südosten Botswanas und wird von zwei Flüssen begrenzt: Auf der anderen Seite des Limpopo liegt Südafrika, auf der anderen Seite des Shashe liegt Simbabwe. Vor mehr als 50 Jahren startete der Tourismus, inzwischen gibt es mehrere Camps. Eines Tages soll hier ein grenzübergreifendes Naturschutzgebiet entstehen, die 6000 Quadratkilometer große Greater Mapungubwe Transfrontier Conservation Area. Eine Absichtserklärung haben Botswana, Südafrika und Simbabwe bereits vor Jahren unterschrieben. Viel getan hat sich seither nicht: Der Tuli-Block wird unter Safari-Enthusiasten noch immer als Geheimtipp gehandelt.
„Land der Giganten“ wird Tuli auch genannt, weil hier die Natur vieles mächtiger, intensiver und beeindruckender gestaltet hat als anderswo. Weite Blicke über zerklüftete Felslandschaften lassen sich genießen, aber auch die Solomon’s Wall am Motloutse River bezwingen. Von dem gut 30 Meter hohen Deich aus Basalt sieht man im trockenen Flussbett Elefanten nach Wasser graben. Große Herden Elenantilopen ziehen durch den Mopanewald, mächtige Nyala-Bäume säumen die Lebensader Limpopo. In den Ebenen findet man nicht nur seltene Geparden, sondern auch Riesentrappe und Strauße, die zu den größten Vogelarten der Welt zählen. In der Nacht brüllen die Löwen unter dem von keinem Zivilisationslicht getrübten, von Abermillionen Sternen verzierten Firmament. Auch die Möglichkeiten, Leoparden zu beobachten, sind im Tuli-Block so gut wie an nur wenigen anderen Orten im südlichen Afrika. „Wir haben eine recht hohe Dichte an Raubkatzen“, erklärt unser Guide. „Die Leoparden sind außerdem auch an die Fahrzeuge gewöhnt und lassen sich in den Trockentälern mit ihrer kargen Vegetation gut verfolgen.“ Es gibt nur wenig Busch, der die Sicht verstellt. Anders als in den staatlichen Nationalparks dürfen die Guides in den meisten Sektionen offroad fahren und auch noch nach Sonnenuntergang auf die Pirsch gehen.
Statt am Nachmittag eine Pause zu machen und in der Lodge zu entspannen, will man folglich auf den Game-Drive nicht verzichten. Die Guides suchen lange nach Hinweisen auf die schwer zu fassenden Raubkatzen, ohne quäkendes Funkgerät oder andere fremde Hilfe. Kurz nach dem Sundowner, wir sind eigentlich bereits auf dem Rückweg, finden sie eine heiße Spur. Sie führt in den Galeriewald eines Flussbetts. Scheinwerfer streifen über die Äste, doch nichts zeigt sich.
Doch manchmal braucht man auf Safari eben auch ein Quäntchen Glück. So wie hier und heute: Plötzlich klettert ein junger Leopard einen Baum hinauf und zeigt im Licht des Strahlers beim Gähnen seine spitzen Zähne. Ein geschmeidiger Sprung, dann kuschelt er sich an einen abgestorbenen Ast. Er legt den Kopf aufs Holz, lässt dekorativ die Pfote hängen, und starrt mit einem geradezu spöttisch wirkenden Augenaufschlag direkt in die Kameras – das perfekte Fotomodell.