Nirgendwo in Namibia ist die Tierbeobachtung so abwechslungsreich wie im Etosha Park. Doch wo lassen sich Geparden und Leoparden finden? Welche Löwenrudel leben an welchem Wasserloch? Bei Game-Drives profitieren Reisende vom Know-how lokaler Guides.

Augen offen halten!“ Darum hatte Anna Pokoti gebeten: Die letzte Stunde im Park ist nämlich oft die spannendste. Trotzdem dämmern langsam alle weg. So sehr man sich bemüht, aufmerksam zu bleiben: Nach einem langen Tag auf Achse wiegt einen selbst die elendigliche Rüttelei der Schotterpiste in den Schlaf. Anna scheint aber nicht nur mit dem siebten Sinn gesegnet, sondern hat als Guide zudem noch den Adlerblick. Sie beschleunigt, biegt zügig ab zum Wasserloch, lässt den Wagen ausrollen. Alle ihre Gäste sind jetzt plötzlich wieder hellwach.
Zebrahengst passt auf seine Damen auf

Schlafkatzen haben wir bei Safaris schon häufiger gesehen. Die liegen dann gerne unfotogen im Schatten eines Busches herum. Für ein Beweisfoto reicht das, aber Tiere in Aktion zu sehen macht mehr Freude. So wie jetzt: Fünf junge Löwen sind auf dem Weg zum Trinken. Zielstrebig tapsen sie über die von weißem Kalkstein übersäte Ebene rund um die kleine Wasserstelle. Die heißt nicht von ungefähr Gemsbokvlakte: Hier sind viele Oryxantilopen zu Hause, die man auf Afrikaans Gemsbok nennt. Nun stieben die Tiere zu Seite. Auch der Zebrahengst hält seine Damen auf Abstand. Niemand hier will als Sundowner-Snack vernascht werden.
Homob, Olifantsbad, Newbrowni und eben Gemsbokvlakte: Aktuell sind diese vier Wasserlöcher im Süden des Etosha Parks von jeweils einem Löwenrudel okkupiert. „Natürlich weiß ich nie exakt, wo die Tiere sich aufhalten.“ Das hängt von der Jahreszeit ab, von den Wanderungen der Beutetiere, von der Dynamik innerhalb der Löwenpopulation. „Eine Garantie gibt es nie. Aber mit der Zeit hat man es als Guide im Gefühl, welchen Weg man wählt“, erzählt Anna Pokoti.

Die Mittvierzigerin und Mutter von drei Kindern bringt seit Jahren Besucher in den Park. Inzwischen arbeitet die sympathische Frau für die „Etosha Oberland Lodge“, eine der besten Unterkünfte am Ombika-Tor. Etosha ist aber noch aus einem weiteren Grund das Zuhause von Anna Pokoti: Sie gehört zum Volk der Hai||om, das hier lange vor der Ankunft anderer Menschen als Jäger und Sammler lebte. Mit ihr als Guide lernt man also nicht nur die Tierwelt kennen, sondern erfährt auch mehr über die Geschichte des Parks und das Schicksal von Namibias Ureinwohnern. Erst 1954 mussten die letzten Menschen den Park verlassen. Heute wollen deren Nachkommen vom Tourismusboom profitieren und fordern mit einer Klage gegen Namibias Regierung die Rückgabe.
Etosha Park super für Selbstfahrer

Wie kein zweites Schutzgebiet in Namibia eignet sich der Etosha Park für eine Selbstfahrer-Safari. Hier muss niemand Angst haben, im tiefen Sand stecken zu bleiben wie im Khaudum National Park. Hier sind die Elefantenbullen deutlich entspannter als in der Caprivi-Region, wo man besser ordentlich Abstand hält. Hier gibt es Unterkünfte für jedes Budget, staatlich betriebene Restcamps im Park sowie private Campsites und Lodges außerhalb der Tore. Hier kann man sich treiben lassen und entspannt von Wasserloch zu Wasserloch fahren. In der Regel ist die Ausbeute dabei gar nicht übel. Was aber für schlechte Stimmung sorgt: Den Guides in ihren offenen Geländewagen immer hinterherfahren und somit ohne Gegenleistung von deren Know-how und Ortskenntnis profitieren.

Besser ist es, ab und an einen Game-Drive zu buchen. So übernimmt nicht nur die anstrengende Fahrerei ein Profi: Im offenen Geländewagen sieht man viel besser.
Wir sind im Süden gestartet, wo neben den Löwen auch viele Nashörner zu Hause sind. Anschließend werden wir den Osten erkunden, wo zwischen der Fischerspfanne und dem Etosha Lookout die Chance auf eine Sichtung von Geparden und Leoparden deutlich höher ist, weil hier auch viele kleine Antilopen grasen. Hier wie da verrät ein Blick auf die Karte, dass man selbst bei einer mehrstündigen Fahrt immer nur eine kleine Region entdeckt.

23.000 Quadratkilometer: Der Etosha National Park ist größer als Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern. Im Jahr 1907 von Gouverneur von Lindequist als Wildschutzgebiet proklamiert, hatte das Areal damals sogar eine noch vier Mal größere Ausdehnung. Ursprünglich weidete das Wild nämlich die meiste Zeit des Jahres in anderen Landesteilen und wanderte erst im Sommer nach ergiebigen Regenfällen in die Umgebung der gigantisch großen Salzpfanne. Etotha, so der korrekte Name, heißt auf Oshindonga „der Ort, an dem keine Pflanzen wachsen“.
Durch Südafrikas Homeland-Politik wurde das Schutzgebiet stetig verkleinert und auch eingezäunt, um Konflikte zwischen Mensch und Tier zu vermeiden. Geblieben sind die weiten Entfernungen zwischen den Inselbergen aus Dolomit im äußersten Westen und dem roten Kalaharisand im Nordosten, zwischen den Grasebenen im Zentrum und den Mopanewäldern im Süden. Maximal 100 Kilometer von Nord nach Süd, rund 300 Kilometer von West nach Ost: Um den Park zu erkunden, muss man definitiv verschiedene Unterkünfte kombinieren.

Auch im wildreichen Gebiet um das Namutoni-Restcamp hilft der geschulte Blick lokaler Guides dabei, dass die Safari-Tage erfolgreich enden. Außerhalb des Von-Lindequist-Gates liegen die Unterkünfte der Mushara Collection. Von dort startet Morgen für Morgen ein fünfköpfiges Dream-Team in den Park: Einige der Guides sind schon 15 Jahre und länger im Geschäft. Es ist in Etosha zwar inzwischen üblich, dass sich die Profis per Funk und Whatsapp über besondere Sichtungen auf dem Laufenden halten. Dennoch gibt es unerwartete Begegnungen.
Mit viel Glück sieht man Geparden
Mit Guide Johannes Munale finden wir westlich der Schotterpiste zum King-Nehale-Gate einen Fleckenuhu. Eigentlich versteckt sich der Raubvogel perfekt getarnt im Unterholz, doch Munales geschulte Augen erspähen die imposanten Federohren. Am Tsumcor-Wasserloch trifft sich eine Herde Elenantilopen, muss dann aber einer Truppe heranstürmender Elefanten Platz machen. Bei Klein Okevi macht eine Afrikanische Wildkatze Jagd auf Flughühner. Die Vögel haben Startschwierigkeiten und suchen eher ungelenk das Weite: Sie haben das Gefieder voller Wasser, um es zu ihren Küken im Nest zu transportieren.
Für den abwechslungsreichsten Tag im Park sorgt aber Emelda Bezuidenhout. Auch sie ist als Guide bei Mushara schon lange im Einsatz. Heute muss sie lange fahren, bis wir den gewünschten Geparden erspähen, den wir noch erleben wollten. Auch in Etosha ist die Art recht selten, die Tiere können sich nicht gut gegen stärkere Raubkatzen behaupten. Also gehen sie tagsüber auf die Jagd, wenn die Konkurrenz ruht. Wir passen uns an: Statt früh in die Lodge zurückzufahren, dehnen wir den Game-Drive bis zur Mittagszeit aus. Und erleben dann tatsächlich ein Prachtexemplar, das sich an Springböcke heranschleicht.
Abends, mit der Sonne im Rücken, verbringen wir noch Zeit am Wasserloch von Klein Namutoni, wo sich ein ganzes Dutzend Giraffen tummelt. Das Wasser kommt aus den weit entfernten Otavi-Bergen und drückt hier nach oben, ohne dass mit einer Pumpe nachgeholfen werden muss. „Lass uns noch einen kleinen Schlenker fahren“, meint dann Emelda. Auf dem Dik-Dik-Drive sieht man nämlich verlässlich jene namensgebenden Zwergantilopen, die kaum größer sind als ein Feldhase.
Doch warum schaut Emelda dort hoch in die Bäume? Weil es einen bestimmten Tamboti-Baum gibt, der sich gut als Ausguck eignet. Tatsächlich: Heute Abend ist der Ast wieder mal der Ruheplatz von Angel. So heißt die entspannte Leopardin, die sich vom Geräusch eines Geländewagens nicht aus der Ruhe bringen lässt.