Die Kunst der Rasur hat eine lange Tradition – schon die Ägypter setzten auf glatte Haut. Heute gibt es drei Typen: den Pragmatiker mit dem Elektrorasierer, den Systemrasierer für die gründliche Nassrasur und den Traditionalisten mit Rasierhobel.

Im 18. Jahrhundert kommt an den Höfen in Frankreich, England und Deutschland die Nassrasur in Mode. Es ist die Zeit der Barbiere, die Bruderschaften und Gilden bilden. Das hat einen guten Grund, denn zu der Zeit finden Nassrasuren ausschließlich mit Rasiermessern statt. Ein Unterfangen, das noch heute großer Geschicklichkeit und viel Übung bedarf. Damals wie heute können Männer sich dem wohltuenden Ritual der Nassrasur mit einem (Wechselklingen-)Rasiermesser hingeben. Der geübte Barbier verwöhnt das Gesicht und dessen Haut mit Pflege und der Entfernung der Barthaare. Barber Shops erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Dabei beginnt die Behandlung mit dem Auflegen warmer Handtücher auf das Gesicht. So bereitet der Barbier die Haut für die Rasur vor, indem er die Poren öffnet und die Haut geschmeidig macht. Anschließend kommen Rasierseife oder Rasiercremes zum Einsatz, die er mit einem Rasierpinsel durch kreisende Bewegungen in die Poren einarbeitet. Dadurch quellen die Barthaare auf und schieben sich weiter an die Oberfläche. Die Rasur ist dadurch nachhaltiger, da die Klinge die Barthaare tiefer abschneidet. Das ist jedoch nicht der einzige Sinn des Einseifens oder -cremens. Die kreisenden Bewegungen sind wie eine Massage für die Haut, die sie belebt und widerstandsfähiger macht. Nach der Rasur mit einem Wechselklingen-Rasiermesser trägt der Barbier einen After Shave Balm oder ein Rasierwasser auf, um die Haut zu desinfizieren und zu beruhigen. Dem ersten Prickeln der Desinfektion folgt ein wohliges Gefühl der Entspannung. Ein Wechselklingen-Rasiermesser sieht aus wie ein Rasiermesser, trägt aber eine Rasierklinge, die nach jeder Rasur gewechselt wird. Das ist aus hygienischen Gründen wichtig. Kommt ein Rasiermesser ohne Wechselklingen zum Einsatz, ist dieses bei täglich einmaligem Gebrauch etwa alle sechs Monate nachzuschleifen. Nicht jeder kann und will dieses Ritual allzu oft vom Barbier vollführen lassen, denn das ist nicht immer ganz preisgünstig.
Wie eine sanfte Massage für die Haut

Im Dezember 1904 machte King Camp Gillette den Männern dieser Welt quasi ein Weihnachtsgeschenk. Er ließ Rasierklingen, wie wir sie heute kennen, patentieren. In England nannte man die in Deutschland als Rasierhobel bezeichneten Rasierer auch Sicherheitsrasierer, weil die Rasur mit den neu patentierten Klingen deutlich weniger anfällig für Verletzungen ist als die Rasur mit den bisher verwendeten Rasiermessern. Auch heute kann es passieren, dass man sich bei einer Nassrasur schneidet, aber die Tiefe der Schnitte ist nicht so erheblich wie die derjenigen, die bei einer unsachgemäßen Rasur mit einem Rasiermesser entstehen können. Die Qualität der Rasur ist aber genauso gut. Einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2004 zufolge rasierten sich 56 Prozent der Männer nass, zumindest teilweise.
Merten Hannemann vom Online Rasierershop Hannemann und Fred Schulz vom Mühle-Rasierershop aus den Hackeschen Höfen in Berlin sind sich einig, ein Anfänger der Rasur mit einem Rasierhobel braucht etwa vier bis fünf Rasuren, bis er das Ritual beherrscht. Dann ist die Rasur mit einem Rasierhobel ein reiner Genuss. Es dauert länger, sich mit einem Rasierhobel zu rasieren als mit einem Elektro- oder einem Systemrasierer. Es ist aber Zeit, die Mann sich für sich nimmt. Zeit, in der Mann sich pflegt. Zeit, in der Mann seinem Gesicht, seiner Haut etwas Gutes tut. Die Rasur mit einem Rasierhobel ist wie eine Meditation. Mann konzentriert sich allein auf sich, auf sein Gesicht, seinen Bart. Es ist nicht notwendig, in den Spiegel zu gucken, um sich zu rasieren, denn Mann fühlt mit den Fingerspitzen, wo noch Stoppeln zu entfernen sind. So entsteht ein ganz neues Körperbewusstsein. Ein gutes Gefühl, nicht nur für sich selbst, wenn die Haut glatt wie ein Pfirsich ist. An dieser Stelle sei an Ovid erinnert: „Stoppeln am Kinn sind gemein, zeige Dich immer gut rasiert.“
Klingenwechsel ist Kopfsache
Um in diesen Genuss zu kommen ist einiges zu beachten, denn es gibt eine Vielfalt an Produkten, vom Rasierhobel über die Klingen, den Rasierpinsel bis hin zu den Pflegemitteln.
Bei Rasierhobeln ist grundsätzlich Geschmackssache, welchen man benutzt. Die Variabilität ist groß: Modelle mit längerem Griff, kurzem Griff, Griffen aus edlen Hölzern, Edelstahl, Porzellan oder Rasierhobel, die mit Kohlenstoff beschichtet und somit fast so hart wie Diamanten sind. Die Rasierklingen passen immer, denn sie sind genormt. Für den Anfänger ist wichtig, dass er einen Rasierhobel mit so genanntem geschlossenem Kamm verwendet. Bei diesen Modellen ragt die Klinge nur ein kurzes Stück aus der Halterung heraus und es ist einfacher, den Rasierer richtig zu führen. Die Alternative sind Rasierhobel mit offenem Kamm. Sie sind eher für erfahrene Selbstrasierer mit starkem Bartwuchs sinnvoll. Wer mit solch einem Rasierer anfängt, dürfte deutlich längere Zeit brauchen, bis er sich entspannt rasieren kann.

Bei den Rasierköpfen gibt es ebenfalls Unterschiede. Am einfachsten sind die Klingen bei einem Rasierer mit Butterfly-Kopf zu wechseln. Dabei dreht man am unteren Ende des Griffs einen Knopf, und am Rasierkopf öffnen sich zwei Flügel, die unter sich die Rasierklinge aufnehmen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dieses Modell für Anfänger ungeeignet ist, weil hier die Klinge zu weit aus der Halterung herausragt. Die Reinigung ist umständlich und nicht besonders gut durchführbar. Alternativen sind Rasierköpfe, die man zum Einlegen der Klingen vollständig abschraubt. Dazu dreht man den Griff, und die Grundplatte des Rasierkopfes löst sich, genauso wie die Kopfplatte. Zwischen diesen beiden Platten legt man die Rasierklinge ein und schraubt alles wieder zusammen. Diese Modelle sind gut sauber zu halten und mit ein wenig Übung leicht bedienbar. Ein Kompromiss sind die Modelle, bei denen die Grundplatte am Rasiergriff befestigt ist und man lediglich die Kopfplatte des Rasierers mit einem Drehknopf am Griff abschraubt. Damit hat man weniger Einzelteile zu handhaben, und der Wechsel der Klingen ist ein Kinderspiel. Die Reinigung ist genauso gut möglich wie bei den Modellen, bei denen man den Rasierkopf vollständig abschraubt.
Welche Klingen zum Einsatz kommen sollen, ist Geschmackssache. Für Anfänger empfehlen sich Klingen, die nicht allzu scharf sind, weil sie noch üben müssen, den Rasierer in der optimalen Neigung von 30° über die Haut zu führen und vor allem keinen Druck auf den Rasierer auszuüben, wie es bei Systemrasierern notwendig ist. Wenn man sich dann doch mal schneidet, ist es nicht so schlimm. Um eine mögliche Blutung zu stoppen, nimmt man Alaun. Das ist ein Kristall, der dafür sorgt, dass sich die Haut schnell zusammenzieht und eine Blutung stoppt. Man befeuchtet dafür entweder den Alaunstein oder einen „Blutstoppstift“ mit etwas Wasser und führt ihn über die Wunde.
Rasierklingen ohne Plastikanteil
Gängige Klingen sind die von Astra, Personna, Mühle oder Feather. Hierbei gelten die von Feather als die schärfsten, die es auf dem Markt gibt. Grundsätzlich gilt, dass man sich weniger oft schneidet, je schärfer die Klingen sind. Bevor man sich eine ganze Packung Rasierklingen kauft, sollte man verschiedene ausprobieren. Mühle bietet ein Set von vier verschiedenen Klingen für zwei Euro an. Gute Rasierklingen gibt es ab rund 2,50 Euro für zehn Klingen. Deutlich weniger Geld, als für Systemklingen zu zahlen ist.
Neben den Klingen ist der Rasierpinsel ein wichtiges Utensil für eine gelungene Rasur. Es gibt Modelle ab rund 30 Euro. Diese sind allerdings nicht unbedingt empfehlenswert. Bislang galten Rasierpinsel aus Dachshaar als die Besten. Je heller das Haar, desto höher die Qualität. Wer jedoch aus berechtigten ethischen Bedenken keinen Dachshaarpinsel verwenden möchte, findet bei Mühle eine Alternative aus Kunstfaser. Der „Silvertip Fibre“ besteht aus einer Kunstfaser, die die Eigenschaften eines Dachshaarpinsels sogar übertreffen soll. Wichtig ist hierbei, dass die Haarspitzen sich nach dem kreisenden Andruck auf die Haut wieder aufrichten, aber dennoch ein angenehmes Gefühl der Massage bieten. Die Fasern sind leicht auszuwaschen und trocknen schneller als Naturhaar, was vor allem auf Reisen interessant ist, wenn man das Rasierzeug verstaut.

Für die Behandlung des Gesichts mit Rasierseife hat Fred Schulz aus dem Mühle-Rasiershop in Berlin in den Hackeschen Höfen einen Tipp, der wohl in keiner Rasieranleitung steht. Er empfiehlt, die Rasierseife an der Oberfläche feucht zu halten und diese in einer geschlossenen Dose aufzubewahren, damit das Tageslicht die Inhaltsstoffe nicht zersetzt. So kann man auf eine Rasierschale verzichten, und die Rasierseife lässt sich dennoch leicht auf den Rasierpinsel übertragen. Wer Wert auf eine exzellente Beratung und große Auswahl an Rasierern und Rasurutensilien legt, ist bei Fred Schulz an der richtigen Adresse.
All dies beschreibt zwar die Rasur des männlichen Bartes, gilt aber für jegliche Körperbehaarung aller Geschlechter. Für die Rasur von Körperhaaren gibt es spezielle Rasierhobel, mit schmalen Öffnungen an den Rasierköpfen, die auf die feineren Haare auf der Haut ausgelegt sind.
Die Rasur mit Rasierhobeln ist nachhaltig, da die Klingen ohne Kunststoff auskommen und recyclebar sind. Pflegemittel sind oft nachfüllbar, so dass weniger Verpackungsmüll anfällt. Ein Rasierhobel kann ein Rasierer fürs Leben sein, bei vielen sind auch die Köpfe austauschbar.