Donald Trump hat keine Strategie zur Beendigung des Ukraine-Krieges
Die Geschichte liest sich wie das Kapitel eines politischen Kitschromans. Steve Witkoff, US-Sondergesandter zur Lösung des Ukrainekriegs, schwärmt von Wladimir Putin, als ob der Kremlchef gerade in ein Kloster der Russisch-Orthodoxen Kirche eingetreten wäre. Am 13. März traf Witkoff den russischen Präsidenten in Moskau, um die Chancen für eine Waffenruhe auszuloten. Dabei habe ihm Putin anvertraut, dass er nach dem Anschlagsversuch im US-Wahlkampf im Juli vergangenen Jahres für Donald Trump gebetet habe, sagte Witkoff jetzt in einem Interview. Mit seinem Priester habe der russische Staatschef in der „örtlichen Kirche“ Gott um Beistand für den Amerikaner angefleht. „Nicht weil Trump Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, sondern weil er mit ihm befreundet war und für seinen Freund betete“, fügte Witkoff mit bewegter Stimme hinzu.
Doch Putin beließ es nicht bei frommen Wünschen. Er habe im Kreml auch ein „wunderschönes Geschenk“ überreicht bekommen, berichtete Witkoff. Es handele sich um ein Porträtgemälde von Donald Trump, das ein bekannter russischer Künstler angefertigt habe. Dieses habe er dem US-Präsidenten bereits übergeben, so Witkoff. „Er war davon sichtlich berührt.“
Witkoff, langjähriger Immobilienunternehmer und Golfkumpel von Trump, bringt für seine heikle diplomatische Mission keinerlei politische Erfahrung mit. Er ist offensichtlich in die Putin-Falle getappt. Denn der ehemalige KGB-Offizier beherrscht die Kunst des Tarnens und Täuschens wie kaum ein anderer. Witkoff hat sich in Putins Propagandanebel derart verirrt, dass er die nackten Realitäten völlig ausblendet: Russland hat die Ukraine überfallen. Aus den besetzten Gebieten gibt es zahlreiche Berichte über Folter und Kriegsverbrechen, über die Witkoff den Mantel des Schweigens hüllt.
Der Amerikaner entpuppt sich als Putin-Versteher, der zu einem ganz anderen Schluss kommt: „Ich halte Putin nicht für einen schlechten Menschen.“ Er glaube, der russische Präsident wolle Frieden.
Die Ausführungen von Trumps Sondergesandtem sind erschreckend naiv. Seit dem 11. März liegt der von den USA und der Ukraine gebilligte Vorschlag für eine 30-tägige Waffenruhe auf dem Tisch. Putin erfindet tausend Gründe, warum dies nicht funktionieren könne, und überfrachtet die Initiative mit Maximalbedingungen. Jedwede Rhetorik der „Freundschaft“ gegenüber Trump darf nicht darüber hinwegtäuschen: Der Kremlchef will den seit 1991 unabhängigen Staat Ukraine vernichten. Das Land gehört für ihn historisch zu Russland. Die Installierung einer moskaufreundlichen Regierung in Kiew ist aus seiner Sicht unabdingbar.
Auch die in Saudi-Arabien gestartete Pendeldiplomatie zwischen den USA, Russland und der Ukraine wird Putin von seinem großen Ziel nicht abbringen. Erprobte Instrumente auf dem Weg dahin sind Nebelkerzen, Verzögerungsmanöver, Scheinkonzessionen. Und er hofft darauf, dass der Wille zur Unterstützung der Ukraine im Westen nachlässt.
Die traurige Wahrheit ist: Im Gegensatz zu Putin hat der US-Präsident keinen Plan und keine Strategie zur Beendigung des Ukraine-Krieges. „Trump denkt erkennbar opportunistisch und an Gelegenheiten orientiert. Er bedenkt nicht die langfristigen Folgen“, unterstreicht der Politikwissenschaftler Herfried Münkler.
Bereits in Trumps erster Amtszeit bestand Außenpolitik mehr aus Show und Inszenierung denn Substanz. Dreimal traf er sich mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, um diesen von seinen Atomwaffenplänen abzubringen. Ergebnis: null. Im Februar 2020 sagten die USA den Taliban einen Abzug aus Afghanistan bis Mai 2021 zu – ohne Bedingungen. Ergebnis: Die Radikalislamisten überrannten das Land und sorgten für internationales Flüchtlingschaos.
Aus alledem folgt, dass sich Europa auf Trump nicht verlassen kann und seine eigene Verteidigung als Schutz gegen Putins neo-imperiale Pläne organisieren muss. Das Problem dabei: Der Prozess dauert fünf bis zehn Jahre. Daher sind die Europäer gezwungen, parallel vorzugehen: Sie müssen aus sich selbst heraus wehrfähig werden und dürfen gleichzeitig die Bande zur nuklearen Supermacht Amerika nicht kappen. Sie sollten versuchen, Trump irgendwie an Bord der Nato zu halten. Das ist kraftraubend, bitter und mitunter frustrierend. Aber so funktioniert Realpolitik.