Mit rücksichtsloser Zerstörungskraft wollen Elon Musk und US-Präsident Trump den Staat angeblich effizienter machen und vor Betrug schützen. Der vorgeschobene Sparkreuzzug hat Auswirkungen weltweit. Zum Beispiel auf die Forschung und HIV-Patienten.
Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei hat es vorgemacht: die radikale Zerschlagung des Beamten- und Staatsapparates. Der Grund ist laut Milei ganz einfach: Der Staat sei „das Böse“, der Unternehmer der Wohltäter der Gesellschaft. Also deregulierte er die Wirtschaft, begünstigte ohnehin finanzstarke Konzerne steuerlich, entließ fast 40.000 Staatsdiener und schloss zehn von 18 Ministerien. Die Staatsausgaben sanken, die hohe Inflation ebenfalls. Gleichzeitig stieg die Zahl der Arbeitslosen und der in Armut lebenden Argentinier deutlich an. Ob Mileis harter Kurs langfristig Früchte trägt, muss sich noch zeigen. Spuren hinterlässt er jedenfalls in der argentinischen Wissenschafts-Community: Laut dem renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ kürzte Milei die Ausgaben für nationale Forschungen um 30 Prozent. 70 Prozent der Universitätsdozenten in Argentinien liegen mit ihrem Gehalt mittlerweile unterhalb der Armutsschwelle.
Nach dem Vorbild von Xavier Milei
Fans hat Milei dennoch viele. Unter anderem US-Multimilliardär Elon Musk, dem Milei auf der vergangenen CPAC-Konferenz der Republikaner in den USA symbolisch eine Kettensäge schenkte. Mit dem Wohlwollen des US-Präsidenten darf Musk nun seit drei Monaten nach Gutdünken selbst US-Institutionen zerschlagen – von der Entwicklungshilfe, die seiner Einschätzung nach eine „woke Agenda“ exportiert, bis zum nationalen Wetterdienst, der vor dem Klimawandel warnt, den Trump ohnehin für einen Witz hält. Dabei werden schon mal aus Versehen wichtige Funktionsträger für die nukleare Sicherheit entlassen und später wieder eingestellt, Forschungsmittel im Kampf gegen Krankheiten wie Krebs und Ebola eingespart und später wieder freigegeben.
Die Reaktionen reichen von Jubel über den beispiellos radikalen Staatsabbau bis hin zu Entsetzen. Denn nicht nur Staatsbedienstete sind betroffen, sondern auch eine Vielzahl von Forschungsprogrammen oder internationale Fördergelder. Diese fallen nun buchstäblich von einem auf den anderen Tag weg, unter anderem direkt vor der eigenen Haustür. Im Saarland nahm beispielsweise der Leiter des Deutsch-Amerikanischen Instituts seinen Hut, aus internen Gründen, wie es heißt. Das Institut fördert seit Jahrzehnten den kulturellen und politischen Austausch zwischen Deutschland und den USA. Dem Institut, das ein Viertel seiner Gelder aus den USA erhält, wurde das Budget gekürzt. Das bedeute weniger Mitarbeiter sowie weniger Veranstaltungen, sagte der ehemalige Leiter Bruno von Lutz im Saarländischen Rundfunk. Außerdem gebe es massive Einflussnahme auf Referenten und die Themen von Vorträgen. Gegenüber FORUM wollte sich von Lutz nicht mehr zu den Vorgängen äußern. Weltweit hat der US-Kahlschlag in der Wissenschaft sogar potenziell tödliche Auswirkungen: Wegen des eingeleiteten Sparprogramms läuten unter anderem in Deutschlands Aids-Forschung die Alarmglocken. „Es ist ein gravierender Verstoß gegen die Menschenrechte und ethisch wie epidemiologisch unverantwortlich, Menschen die lebensrettende Therapie vorzuenthalten“, sagt Prof. Dr. Stefan Esser, Vorsitzender der Deutschen Aids-Gesellschaft (DAIG). Die USA betrieben ihr Aids-Bekämpfungsprogramm (Pepfar) mit einem jährlichen Etat von mehreren Milliarden Dollar und sind die größte Finanzierungsquelle des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria sowie von UN-Aids, dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen gegen Aids. Die HIV-Therapien von schätzungsweise 20 Millionen Menschen weltweit – der Hälfte aller mit HIV Lebenden – hängen von dieser Finanzierung ab.

Nun hat die Trump-Regierung den Ausstieg bei UN-Aids verkündet, alle internationalen Hilfsmaßnahmen ausgesetzt. Für lebensnotwendige Therapien gibt es offiziell eine Ausnahmeregelung, die aber nur bedingt wirke, so die DAIG. Viele Einrichtungen in stark von HIV betroffenen Ländern haben bereits geschlossen, Personal wurde entlassen, Verträge wurden gekündigt oder pausiert. Die Zukunft des Pepfar-Programms, das am 25. März auslief und vom US-Präsidenten hätte erneuert werden müssen, ist mehr als ungewiss. Schätzungen der DAIG zufolge haben bereits mehr als 20.000 Menschen durch das Aussetzen der Hilfsprogramme ihr Leben verloren, viele weitere könnten bald erkranken und sterben. Unkontrollierte Therapiepausen könnten bei HIV zudem die Förderung von Resistenzen gegen die Medikamente zur Folge haben, heißt es seitens DAIG. Fallen die US-Mittel dauerhaft aus, ist laut UN-Aids bis Ende 2029 mit rund neun Millionen neuen HIV-Infektionen, mehr als sechs Millionen Aids-Toten und etwa dreieinhalb Millionen Aids-Waisen zu rechnen. Das „Science“-Magazin berichtet nun von einer steigenden Zahl von Anfragen von Wissenschaftlern aus den USA an europäische Forschungseinrichtungen. Dazu gehören vor allem aus Europa stammende Wissenschaftler, die US-amerikanischen Arbeitgebern den Rücken kehren wollen. Die französische Universität Aix Marseille reagierte Anfang März am schnellsten mit der Initiative „Safe Place for Sciences“. „In einem Kontext, in dem sich einige Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten in ihrer Forschung bedroht oder behindert fühlen, kündigt unsere Universität die Einführung des Programms ‚Safe Place For Science‘ an“, so die Universität im Süden des Landes. Das Programm heiße Wissenschaftler willkommen, die „ihre Arbeit in einem Umfeld fortsetzen möchten, das Innovation, Exzellenz und akademische Freiheit fördert“. Dafür stellt die Universität bis zu 15 Millionen Euro bereit. „Wir werden mit lokalen Institutionen zusammenarbeiten, um etwa 15 Forscher aufzunehmen“, sagte Eric Berton, Präsident der Universität.
Mehrere Millionen Aids-Tote befürchtet
Mittlerweile ist ein Brief bei der EU-Kommissarin für Forschung und Innovation, Ekaterina Zaharieva, eingetroffen, unterzeichnet von den Wissenschafts- und Kulturministern von 13 Mitgliedsstaaten. Darin wird die Kommission aufgefordert, „einen Akt der Solidarität“ mit den Wissenschaftlern zu zeigen, die unter der „Einmischung in die Forschung und unmotivierten und brutalen Mittelkürzungen leiden“. Eine Konferenz zuständiger Minister der EU-Mitgliedsstaaten soll sich nun mit konkreten Schritten befassen.
Die Wissenschaft ist Teil eines unabhängigen Informationsraumes, der für die aktuelle US-Administration in ihrem Kulturkampf nur schwer zu kontrollieren ist. Gegen evidenzbasierte Fakten lässt sich der emotionale Kampf eben nur schwer führen, folglich erklärt man Wissenschaftler zum Gegner. US-Vizepräsident JD Vance, damals noch Senator, erklärte Professoren in einer Rede 2021 zum Feind, weil Universitäten „das Wissen unserer Gesellschaft kontrollieren, bestimmen, was wir Wahrheit und was wir Falschheit nennen, und die Forschung betreiben, die einigen der absurdesten Ideen unseres Landes Glaubwürdigkeit verleiht“. Unis seien per se unehrlich, weil sie Macht wollten, behauptete Vance.
In Wahrheit geht es ihm um eine der wichtigsten Währungen im politischen demokratischen Prozess, Vertrauen. Vances Ziel ist es, das Vertrauen in diese Institutionen und ihre Unabhängigkeit zu untergraben. Denn wenn sich Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, die sich der Wahrheitsfindung mithilfe von Hypothesen und Experimenten, Fakten und Daten verschreibt, in der Breite der Gesellschaft durchsetzt, haben es Meinungen und Emotionen, Lügen und „alternative Fakten“ einfacher. Das wissenschaftlich Faktische bedroht die Vorherrschaft des Postfaktischen.