Gigantische Summen zu beschließen, ist das eine. Sie richtig, zielgenau und effektiv einzusetzen, das andere. Dabei wird sich auch zeigen, wie ernst es mit Bürokratieabbau und Einsparungen im Kernhaushalt ist.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Grundgesetzänderungen noch nicht unterschrieben, da lief schon eine intensive Verteilungsdiskussion. Bei den gigantischen Summen, die nun für Investitionen bereitgestellt werden, will keiner außen vor bleiben. Und durch die Bank haben so gut wie alle, die sich gemeldet haben, für ihre Ansprüche auch gute Gründe vorzutragen.
500 Milliarden für Investitionen in Infrastruktur im weitesten Sinne, dazu dreistellige Milliardenbeträge für Kommunen und Klimaschutz – sie sind letztlich die Konsequenz aus dem, was in der Vergangenheit nicht angepackt wurde.
Die Summen sind gigantisch, aber wenn man sie auf die geplante Laufzeit der nächsten zehn Jahre runterbricht, wird deutlich, dass damit längst nicht alles und sofort möglich sein wird. Der lange Zeitraum bietet immerhin Planungssicherheit und erfüllt damit eine der wichtigsten Grundforderungen.
Das wird auch einhellig begrüßt, angefangen vom Zentralverband des Deutschen Handwerks über den Bundesverband Spedition und Logistik bis hin zum Bauhauptgewerbe – um nur einige wenige zu nennen, die in der Vergangenheit unter ausbleibenden Investitionen gelitten haben und an denen jetzt die konkrete Umsetzung liegen wird.
Gelder bereitzustellen, ist das eine, sie aber in konkreten Projekten auch sichtbar werden zu lassen, das andere. Das zeigen auch etliche Statistiken über nicht abgerufene Mittel. Mal fehlte es an der in aller Regel geforderten Co-Finanzierung (sei deren Anteil auch noch so gering), mal mangelte es an Planungskapazitäten und mal schlicht an Kapazitäten zur Umsetzung.
Eine schnelle und vor allem sichtbare Umsetzung ist nicht zuletzt auch geboten, um Vertrauen und Zuversicht zurückgewinnen, dass es wieder vorangeht und dass Dinge angepackt werden. Konkret für die Menschen erfahrbar ist das vor allem in den Kommunen.
Um Verteilung der Gelder wird gerungen
100 Milliarden sind in dem Paket für die Länder vorgesehen, die diese an ihre Kommunen weiterreichen sollen. Die Kommunen hätten das gerne möglichst schnell und unkompliziert: „Je einfacher das Verfahren ist, desto schneller haben wir das Geld auf der Straße und die Menschen merken, dass etwas passiert“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Beschlüsse in Bundestag und Bundesrat waren nur der erste Schritt, mit dem die Grundlagen geschaffen wurden. Der neue Bundestag muss nun über die konkreten Umsetzungsmaßnahmen beschließen. Unter anderem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat vorgeschlagen, die Mittel mithilfe des sogenannten Königsteiner Schlüssels auf die Länder zu verteilen.
Das ist ein Schlüssel, der sich aus einer Kombination von Steueraufkommen und Bevölkerungszahl der Länder errechnet und der standardmäßig bei der Verteilung angewendet wird. Den zugrunde zu legen, klingt einerseits plausibel. Auf der anderen Seite wäre es kaum verwunderlich, wenn Länder auf ihre jeweils unterschiedlichen Situationen verweisen würden mit der Forderung, diese bei der Verteilung zu berücksichtigen. Das dürfte vor allem für Länder mit besonders notleidenden Kommunen gelten.
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat sich bereits mit Forderungen bemerkbar gemacht. Das Bündnis, in dem sich vor allem besonders notleidende und hoch verschuldete Kommunen zusammengetan haben, kämpft seit 2008 um eine bessere Finanzausstattung der Kommunen, vor allem aber um eine Altlastenregelung und eine strikte Konnexität, frei nach dem Motto: Wer bestellt, bezahlt. Dahinter steht die Kritik, dass den Kommunen immer mehr Aufgaben vor allem durch den Bund (aber auch durch die Länder) auferlegt werden, sie die Kosten dafür aber in der Regel zum Teil erstattet bekommen. Bürgermeister und Kämmerer aus der ganzen Republik sind deshalb während der laufenden Koalitionsverhandlungen vor die Parteizentralen von CDU und SPD gezogen, mit dabei eine Musikkapelle, die symbolisch die Forderung untermauern sollte: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.“
Die Forderung nach einer Altlastenregelung für hochverschuldete Kommunen war zwar schon im Koalitionsvertrag der Ampel als Ziel festgeschrieben, aber bekanntlich nicht verwirklicht worden. Ob Union und SPD das wieder aufgreifen, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Eine weitere Forderung zieht sich durch so gut wie alle Diskussionsbeiträge um die Umsetzung der Milliardenpakete: Genehmigungsverfahren zu beschleunigen durch Straffung, Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie strukturelle Veränderungen.
Im Wahlkampf gehörte das zum Grundtenor bei allen Auftritten. In der Realität ist das aber ein offensichtlich komplexes Vorhaben, wie bereits die Bürokratieentlastungspakete der Ampel-Regierung gezeigt haben. Vor einem Jahr hatte die Ampel mit der Umsetzung des sogenannten „Meseberger Entlastungspakets“ Maßnahmen beschlossen, die Unternehmen Einsparungen von drei Milliarden Euro bringen sollten, ein „Schritt bei der Bekämpfung des Bürokratie-Burnouts“, erklärte der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann.
Digitalisierung kann beim Bürokratieabbau ein ganzes Stück helfen, wird aber eine gründliche Entrümpelung des Dickichts aus Zuständigkeiten und Regelungskreisen nicht ersetzen. Die ist allerdings leichter gefordert als umgesetzt, zumindest wenn man unter Bürokratie nicht einfach die Absenkung oder Abschaffung von Standards verstehen will.
Und bei allen großen Investitionsvorhaben aus Sondervermögen wird auch kein Weg daran vorbei führen, im sogenannten „Kernhaushalt“ weiter zu sparen. Genau das hatten auch die vier Wirtschaftsexperten angemahnt, die die Idee für eine Reform der Schuldenbremse und Investitionen als Vorlage formuliert hatten.
Strukturelle Maßnahmen gefordert
Der saarländische Finanzminister Jakob von Weizsäcker, zuvor Chefökonom des damaligen Finanzministers Olaf Scholz, hatte das renommierte Quartett mit Clemens Fuest (Präsident des Ifo-Instituts), Michael Hüther (Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft), Moritz Schularick (Präsident des Kieler IfW) und den Düsseldorfer Ökonomen Jens Südekum zusammengebracht. Jakob von Weizsäcker selbst hatte den saarländischen „Transformationsfonds“ (drei Milliarden Euro) konzipiert, mit dem das Land unter anderem die Transformation der stark von der Automobilindustrie abhängigen Wirtschaft und den Umbau zu grünem Stahl bewältigen will. Eine Blaupause, die schnell Nachahmer in anderen Ländern fand.
Noch während der laufenden Koalitionsverhandlungen zeigten sich einzelne aus dem renommierten Quartett nicht mehr so ganz glücklich. Nachdem die großen Brocken alle großen Hürden (Zwei-Drittel-Mehrheiten) geschafft hatten, schien es mit dem angemahnten Willen zum Sparen und Umstrukturieren nicht so ganz weit her zu sein. Das legten zumindest Entwürfe aus den Verhandlungs-Arbeitsgruppen nahe.
Aber da war noch beachtlich viel in eckigen Klammern, will heißen, offene Punkte, bei denen man sich in den Arbeitsgruppen nicht abschließend verständigen konnte und die nun zur Entscheidung bei den Chefs der drei Parteien liegen.
SPD-Chef Lars Klingbeil meinte vor den entscheidenden Runden: „Ich halte es für völlig normal, dass es an der ein oder anderen Stelle durchaus Unterschiede gibt und dass es auch mal ein bisschen knirscht.“ Zuvor hatte auch schon Friedrich Merz erklärt: „Wir müssen jetzt hart verhandeln.“
Beide Seiten hatten zu diesem Zeitpunkt bereits erkennen lassen, dass der ohnehin schon einigermaßen ehrgeizige Zeitplan womöglich nicht ganz einzuhalten sein könnte.