Im Nikolaiviertel überrascht das „Moon Exquisite“ mit äußerst raffinierter europäischer und asiatischer Fusions-Küche unter der Führung eines ehemaligen Tänzers und leidenschaftlichen Feinschmeckers.

Seit eh und je sind Flüsse die Lebensadern der Menschen. An den Wasserstraßen sind viele Städte und Kulturzentren entstanden, unzählige Künstler ließen sich von ihnen für ihre Werke inspirieren. Flüsse tauchen auf in Gemälden, in Gedichten und in Musikstücken. Bedrich Smetana komponierte ein Stück über die Moldau, Johann Strauß schrieb einen Walzer über die Donau, und Richard Wagner widmete dem Rhein ein Epos. Fasziniert von der Inspiration durch Flüsse ist auch Hoa Viet Vu. Der 40-jährige Sachse mit vietnamesischen Wurzeln ist zwar kein Komponist, aber nach seiner Karriere als Tänzer durch und durch eine Künstlerseele. Vor Kurzem hat der kreative Kopf sein zweites Restaurant in Berlin eröffnet. Das „Moon Exquisite“ befindet sich direkt am Wasser, genauer gesagt an der Spree. „In Vietnam steht Wasser für Glück“, erzählt er im Gespräch mit uns. Das neue Restaurant befindet sich im ehemaligen „Balthazar“, das jahrelang unter der Regie des bekannten Berliner Kochs Holger Zurbrüggen stand. Gelegen ist das Lokal unweit vom Roten Rathaus im historischen Stadtkern Berlins, im Nikolaiviertel.
„Ich schreibe mein eigenes Buch“

Wir betreten die Location über die große Terrasse, deren mit Lichterketten geschmückte Bäume einen freundlichen und einladenden Eindruck machen. Das Ambiente im Inneren von Hoa Viet Vus Restaurant ist überaus stilvoll. Mobiliar aus natürlichem Kirschholz, goldgerahmte Spiegel, Designer-Leuchten und in Smaragdgrün gehaltene Wände geben dem Interieur einen edlen Schliff. Wer mag, kann sich unter den 120 Plätzen an einem Tisch direkt am Fenster niederlassen und seinen Blick über die Außenterrasse und die Spree schweifen lassen.
Im Gespräch mit Hoa Viet Vu treffen wir auf einen äußerst charismatischen Menschen mit geschmeidigen Bewegungen, beredten Gesten und offenkundiger Passion für alles Künstlerische und die Kunst der Kulinarik. Seine feingliedrigen Finger sind auffällig beringt, die Nägel akkurat mit schwarzem Nagellack lackiert. „In meinem Kopf kreiere ich eigentlich ständig irgendetwas“, sagt er über sich. Hoa Viet Vu wuchs in Nordvietnam auf und wanderte als Elfjähriger mit seiner Familie ins sächsische Plauen aus. Nach dem Schulabschluss zog er ins bayerische Nürnberg. Dort studierte er Bühnentanz und Tanzpädagogik an der Berufsfachschule und tanzte mehrere Jahre Ballett und zeitgenössischen Tanz. Doch nach und nach wuchs die Suche nach etwas Stetigerem. „Ich habe viel in der Gastronomie gearbeitet, außerdem hat der liebe Gott mir eine feine Zunge geschenkt“, sagt der zweifache Familienvater und erklärt dann bewusst metaphorisch: „Ich schreibe mein eigenes Buch, und das hat viele Kapitel.“

2018 eröffnete der Wahl-Berliner mit dem „Moon Cusine“ an der Langhansstraße in Weißensee sein erstes Restaurant. Nach dessen erfolgreichem Start zog es Hoa Viet Vu für eine Weile zurück in sein Geburtsland. „Ich kannte Deutschland viel besser als mein Heimatland“, erinnert er sich und erzählt, wie er mit Zügen und dem Motorrad quer durch Vietnam gefahren ist, um das Land am Südchinesischen Meer besser kennenzulernen. In Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, gründete er im Jahr 2023 mit dem „Unyfé“ ein eigenes Café.
Zwei Jahre später eröffnet der Gastronom nun in Berlin das „Moon Exquisite“. Während sich Hoa Viet Vu mit seinem Team im „Moon Cusine“ auf authentische vietnamesische Speisen fokussiert, verfolgt er mit seiner neuen Location am Spreeufer seine ganz eigenen Vorstellungen kulinarischer Kunst. In der Küche am Spreeufer wird eine Fusionsküche zelebriert, die sowohl asiatische als auch europäische Einflüsse vereint.
Unterstützt wird er von seinem Küchenchef Hoan Nguyen, der die kulinarischen Visionen Vus mit handwerklicher Präzision in jedes Detail der Gerichte einfließen lässt. Der mittlerweile 30-Jährige kam mit Anfang 20 von Hanoi nach Berlin und machte eine Ausbildung als Koch im „Novotel“. Weitere Stationen führten ihn durch verschiedene Küchen wie das „Loretta“, das „Grace“ und das „Reinhardts“. Ursprünglich wollte Hoan Nguyen Psychologe oder Sänger werden, doch dann kam es anders: Als sein Großvater im Sterben lag, bat er seinen Enkel, das kulinarisches Erbe in der Familie fortzuführen. „Mein Großvater war Koch, er hat auch in Moskau gekocht und ein Kochbuch veröffentlicht“, erinnert sich Hoan Nguyen. „Jetzt beziehe ich meine Inspiration durch die Erinnerung an ihn.“
Geniale Süßigkeit in Flüssigform

Meine erste Bekanntschaft mit Hoa Viet Vus neuem Lokal mache ich während eines Presse-Dinners. An diesem Abend erfahre ich auch, dass der passionierte Gastronom lange an seinem Signature-Dish herumgetüftelt hat. Mehr als 60 Enten hatte sein Team im Vorfeld zubereitet, bis die Dry-aged-Enten-Kreation endlich die Aromentiefe erreichte, die sich der Perfektionist vorgestellt hat. Doch noch bevor ich in den Genuss des Federvogels komme, genieße ich vorab einen der fabulösen Cocktails. Dabei zieht mich der alkoholfreie und dessertartige White Berry Punch sofort in seinen Bann. Gekrönt wird die fruchtige Komposition aus Himbeer- und Litschipüree mit Cranberrysaft von einer üppigen Espuma aus Kokosnuss und Kalamansi-Saft. Ein überaus cremiger Traum, süß und fruchtig mit einem Hauch Säure.

Ein paar Tage später bin ich wieder am Spreeufer zu Gast. Dieses Mal begleitet mich unser Fotograf, und auch an diesem Abend nasche ich wieder löffelweise Kokoscreme von meinem White Berry Punch. Wozu braucht die Welt noch Desserts, wenn es doch diese unwiderstehliche Süßigkeit in Flüssigform gibt? Doch eins nach dem anderen. Wir sind schließlich nicht wegen der Naschereien hierhergekommen. Zunächst landen allerlei herzhafte Vor- und Hauptspeisen auf unserem Tisch, die uns kulinarisch um den halben Globus führen sollen.
Für die Vorspeisen bietet Hoa Viet Vu seinen Gästen südostasiatische Tapas zum Teilen an. Je nach Gusto können Gäste hier Varianten mit Fisch, mit Fleisch, vegan oder vegetarisch genießen. Mit dabei ist eine Komposition mit Jakobsmuscheln. Ein seidiger Traum, der angenehm am Gaumen prickelt. Das zarte Muschelfleisch ist gebettet auf eine Knoblauchcreme mit Kurkuma und wird von einer Chili-Jam mit Thaibasilikum gekrönt.
Zu meinen persönlichen Favoriten unter den Tapas zählt die Yuzu Burrata. Hierbei lässt der kreative Kopf gekonnt italienische Cremigkeit mit der Säure der japanischen Zitrusfrucht verschmelzen. Verfeinert wird das Ganze mit Kirschtomaten, Rauchmandeln, karamellisierter Ananas, Soja- und Sweet-Chili-Soße. Ich bin beeindruckt, wie gut der süßliche Geschmack von Ananas und Tomaten mit dem Sauren, dem Scharfen und dem Salzigen harmoniert.
Tolles Spiel mit intensiven Aromen

Bei den Hauptgerichten haben mich besonders die gegrillten Königsgarnelen begeistert. Auch hier spielen Hoa Viet Vu und sein Team erneut mit der Klaviatur intensiver Aromen, wenn sich hausgemachte Kimchi-Mayonnaise zu einer Creme aus Cheddarkäse und einer Avocado-Salsa gesellt.
Mein fotografierender Begleiter ist vor allem von den fleischigen Genüssen begeistert. Dazu zählt auch die tiefenaromatische Dry-aged-Ente an gegrilltem Pak Choi und Hokkaido-Kürbis auf einem Beet aus Kartoffelstampf mit Trüffelchips. Die 18 Tage lang im Trockenschrank vorbereitete Ente sei einzigartig in Berlin und nirgendwo anders in der Stadt zu finden, sagt der Gastronom. Damit sich die Aromen entfalten können, wird der Wasservogel zuvor in Anis, Honig, Zimt, Koriandersamen und süßem Reisessig mariniert und beginnt dann, derart vorbereitet, seine insgesamt zweieinhalbwöchige Kur im Reifeschrank.
Ebenfalls zuvor getrocknet ist auch der Hauptgang mit Rindfleischrippchen, die zudem 14 Stunden in Gewürzen geschmort wurden. Zu der Komposition von Küchenchef Hoan Nguyen gibt es eine in Portwein gekochte Williams-Christ-Birne sowie eine Scheibe Brioche. „Das ist der europäische Einfluss“, erklärt uns sein Chef. Auch diese Kreation ist wieder ein Gaumenschmeichler ohnegleichen. „Gewürze sind die Soße für die Seele“, sagt Hoa Viet Vu im Verlauf des Abends noch, und ich kann ihm da nur zustimmen.
Selbstverständlich hört der Zauber auch bei den fabelhaften Dessertkreationen nicht auf. Wenn europäische und asiatische Kulinarik aufeinandertreffen, kann manchmal ganz große Kunst entstehen.