Die zweifache Oscargewinnerin Renée Zellweger hat im Laufe ihrer 30-jährigen Karriere in vielen Rollen geglänzt. Aber für ein großes Kinopublikum wird sie für immer Bridget Jones sein. In „Bridget Jones – Verrückt nach ihm“ spielte sie jetzt zum vierten Mal die Rolle, mit der sich so viele Frauen identifizieren können.

Ein Vierteljahrhundert ist es her, seit Renée Zellweger in der Verfilmung von Helen Fieldings Roman „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ einen Kinohit landete und zum ersten Mal in ihrer Karriere für den Oscar nominiert wurde. In der Rolle als tollpatschige, Chardonnay trinkende, britische Single-Frau mit bodenständigem Humor und jeder Menge Herz-Schmerz-Problemen ist sie im Laufe der Jahre für viele weibliche Fans so etwas wie die „beste Freundin“ geworden. Mit Bridget, die hautfarbene Unterhosen in Übergröße trug und so gut wie kein Fettnäpfchen ausließ, konnten sich viele Zuschauerinnen eher identifizieren als mit den aufgestylten New Yorker Modepüppchen à la „Sex in the City“. „Nach all den Jahren sprechen mich immer noch Frauen an, die sich dafür bedanken, dass ich als Bridget so lebensecht und glaubwürdig war. Bridget war eben eine von ihnen, sie gehörte quasi zur Familie“, meint Renée Zellweger schmunzelnd. „Und auch für mich waren die Dreharbeiten zu unserem neuen Film wie ein großes Familientreffen. In den vergangenen 25 Jahren ist ja in unser aller Leben viel passiert. Wir sind älter und reifer geworden. Diese Veränderungen sind auch in den neuen Film mit eingeflossen.“
In „Bridget Jones – Verrückt nach ihm“ kümmert sich Bridget nun, nach dem Tod ihrer großen Liebe Mark Darcy (Colin Firth), als alleinerziehende Mutter um den neunjährigen Billy und die vierjährige Mabel. Bei ihrem Versuch, ihre Familie und den Beruf unter einen Hut zu bringen – und gleichzeitig auch ihr Liebesleben neu anzufachen – gerät Bridget wieder in emotionale Turbulenzen. Vor allem dann, wenn gleich zwei neue Männer in ihr Leben treten: das 29-jährige Tinder-Match Roxster (Leo Woodall) und Scott (Chiwetel Ejiofor), der Lehrer ihres Sohnes.
„Wäre gern mit Bridget befreundet“

„Bridget ist mir im Laufe der Zeit wirklich sehr ans Herz gewachsen. Und mit jedem Film („Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns“, 2004 und „Bridget Jones’ Baby“, 2016; Anm. d. Red.) habe ich sie besser verstanden. Genau wie sie haben wir alle in unserem Leben doch auch Tiefschläge, Enttäuschungen und Niederlagen erlebt. Das gilt ganz sicher auch für mich. Am meisten schmerzt es natürlich, wenn man in der Liebe enttäuscht wird. Aber Bridget ist eine Frau, die sich von solchen Schicksalsschlägen nie hat unterkriegen lassen. Sie ist eine echte Überlebenskünstlerin. Das imponiert mir sehr. Mit so jemandem wäre ich gern befreundet.“
Renée Zellweger wurde 1969 in Baytown, einem Vorort von Houston, Texas, geboren. Eine Kleinstadt, in der es noch nicht einmal ein Kino gab. Hollywood war damals für sie ein „magisches Märchenland irgendwo in Kalifornien“. Sie studierte Englische Literatur in Austin und belegte das Fach Schauspiel zunächst nur, weil sie für ihren Abschluss noch einen weiteren Kursnachweis brauchte. Schnell fand sie aber Gefallen an der Schauspielerei und trat sogar zusammen mit Matthew McConaughey in einigen Theaterproduktionen auf. Zu Beginn der 90er-Jahre zog sie nach Los Angeles und versuchte, dort als Schauspielerin unterzukommen. Renée Zellweger erinnert sich: „Ohne eine Portion Glück schafft es ein etwas linkisches Vorstadtmädchen aus Texas mit etwas Schauspielerfahrung und Cheerleader-Vergangenheit ganz sicher nicht, in Los Angeles Fuß zu fassen. Meine ersten Hollywood-Erfahrungen waren ja auch alles andere als glorreich. Erst als mich Tom Cruise als seine Freundin in ‚Jerry Maguire – Spiel des Lebens‘ haben wollte, hat sich der Wind für mich gedreht. Danach bekam ich viel bessere Rollenangebote und stand plötzlich bei vielen interessanten Regisseuren auf der Liste. Das hat mich natürlich auch künstlerisch weitergebracht. Ich werde oft gefragt, was denn das Beste ist, das mir der Schauspielberuf gegeben hat. Er hat mir viel gegeben – aber das Beste sind wohl die intensiven Begegnungen mit diesen vielen hochbegabten und einzigartigen Künstlern, mit denen ich das Privileg hatte, eine Zeit lang arbeiten zu können.“

Renée Zellwegers aparte Mischung aus Schüchternheit und frischer Unbekümmertheit macht viel von dem Charme aus, der nicht nur Tom Cruise begeisterte. 2002 gab ihr Regisseur Rob Marshall in seinem Film-Musical „Chicago“ die Hauptrolle als Vaudeville-Tänzerin Roxie Hart. Sie spielte Roxie mit so viel Leidenschaft und Sinnlichkeit, dass sie die Herzen der Zuschauer im Sturm eroberte. Außerdem bekam sie dafür auch ihre zweite Oscarnominierung. Zwei Jahre später gewann sie dann die begehrte Trophäe als beste Nebendarstellerin im Drama „Unterwegs nach Cold Mountain“. Danach konnte sie sich ihre Filme aussuchen und schaffte sogar das Kunststück, als waschechte Texanerin die begehrte Rolle der durch und durch englischen Bridget Jones zu ergattern. In den Nullerjahren des neuen Millenniums gehörte Renée Zellweger zu den gefragtesten Stars in Hollywood, die pro Film Millionengagen einstreichen konnten. In dieser Zeit drehte sie pro Jahr zwei bis drei Filme und war ständig in aller Welt unterwegs. „Ich lebte damals aus dem Koffer heraus und habe nie ganz ausgepackt – bis ich vielleicht 41 Jahre alt war“, scherzt sie heute.
Bewusste Auszeiten vom Filmgeschäft

Für den Ruhm und Reichtum bezahlte Renée Zellweger aber einen hohen Preis. Sie hatte zwar großen Erfolg an der Kinokasse, war regelmäßig auf den Covern von „Vogue“, „People“, „Rolling Stone“, und „Cosmopolitan“ zu sehen und hatte einen Celebrity-Status, für den andere Hollywoodstars getötet hätten – aber ihr Liebesleben blieb so ziemlich auf der Strecke. Beziehungen zu ihren Co-Stars Jim Carrey und Bradley Cooper gingen nach kurzer Zeit in die Brüche. Ihre Ehe mit dem Country-Sänger Kenny Chesney ließ sie nach vier Monaten annullieren. Zeitweise litt sie sogar unter Depressionen und legte deshalb zweimal ihre florierende Karriere auf Eis. Das erste Mal 2010 – für ganze sechs Jahre. Als sie nach dem Ende der Auszeit gefragt wurde, ob sie denn keine Angst davor gehabt habe, dass Hollywood sie inzwischen abgeschrieben hätte, sagte sie: „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Denn mein Ausstieg aus dem Filmbusiness war dringend notwendig. Ich habe nämlich damals einen Film nach dem anderen gemacht und stand auch zwischen den Dreharbeiten andauernd unter Strom, weil ich mich auf den nächsten Film vorbereitet habe. Dieser Stress war auf die Dauer sehr ungesund. Also habe ich kurz vor dem Burnout die Reißleine gezogen. Außerdem war mein Privatleben total auf der Strecke geblieben, und auch das wollte ich wieder reaktivieren. Ich wollte einfach wieder nur Renée sein und mich intensiv um meine Familie und Freunde kümmern. Es tat mir in der Seele gut, dass ich zum Beispiel sehr viel Zeit mit meinen Nichten und Neffen verbracht habe. Mein Vater ist Schweizer und meine Mutter Norwegerin, also besuchen wir oft unsere Verwandten in diesen Ländern. Oder meine Schwester, die mit einem Italiener verheiratet ist und in Australien wohnt. Keiner von ihnen hat je ein Filmstudio von innen gesehen. Und diese Menschen sind mir viel wichtiger als jede noch so glamouröse Hollywood-Clique.“

Nachdem sie genügend Abstand vom Filmbusiness hatte, spürte sie, wie doch wieder der Wunsch in ihr reifte, als Schauspielerin tätig zu werden. Das fiel ihr anfangs gar nicht so leicht. Sie fühlte sich unsicher, war noch dünnhäutiger als sonst. Doch dann sprang sie mutig ins kalte Wasser und wählte für ihr Comeback eine Rolle, dir ihr längst vertraut war: Mit „Bridget Jones’ Baby“ hatte sie 2016 wieder einen Kinohit. Diese positive Erfahrung gab ihr das Selbstvertrauen, sich dann ihrer bisher größten Herausforderung zu stellen. „Als man mir die Rolle der Schauspiellegende Judy Garland anbot, war ich wie vom Donner gerührt. Vor keiner Rolle hatte ich so große Angst, denn ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich es hinkriegen würde, die große Judy so darzustellen, wie sie es verdient. Vor allem bei den Gesangseinlagen habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Vor jedem Drehtag habe ich mich akribisch vorbereitet. Und dann das getan, was mein Job war: zu performen.“ Ihr Einsatz hat sich gelohnt. Mit „Judy“ feierte Renée Zellweger wahre Triumphe. 2020 bekam sie dafür den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Für ihren Freund und „Bridget“-Co-Star Hugh Grant ist es „eine der besten schauspielerischen Leistungen, die ich je gesehen habe.“ Doch die Freude, wieder im Rampenlicht zu stehen, war nur von kurzer Dauer. Wieder klinkte sie sich für fast sechs Jahre aus dem Filmbusiness aus.
„Habe versucht, mir treu zu bleiben“

Wer das Glück hat, mit ihr – für die Dauer eines Interviews – allein in einem Hotelzimmer zu sein, ohne Entourage oder Publizisten, erlebt eine entspannte Renée Zellweger, die den Besucher rührend mit Tee und Plätzchen umsorgt. Und ihm mit großer Offenheit begegnet. Man spürt sofort, dass da eine hochsensible Frau ist, die sich nicht hinter Starallüren oder dem oft üblichen Promotion-Blabla verschanzt. Es ist absolut glaubhaft, wenn sie sagt: „Sie werden lachen, aber ich habe von Anfang an versucht, mir selbst treu zu bleiben und bin es immer noch. Gerade auch in meinem Beruf. Natürlich ist man dadurch auch verletzbar. Aber für mich als Schauspielerin ist es sehr wichtig, mir meine Empathie zu bewahren, denn nur so kann ich den Frauen, die ich darstelle, gerecht werden.“
Renée Zellweger legt Wert auf ihre Gesundheit, unternimmt gern ausgedehnte Wanderungen mit ihrem Hund. „Außerdem ernähre ich mich schon lange sehr gesund und trinke nur ab und zu Alkohol. Zur Zeit bin ich an einem guten Platz in meinem Leben“, meint sie mit einem silberhellen Lachen. „Und ich bin zuversichtlich, dass sich daran auch so schnell nichts ändert.“
In Großbritannien ist bereits vor der Veröffentlichung um „Bridget Jones – Verrückt nach ihm“ ein regelrechter Hype entstanden, im Vorverkauf überholte der Film sogar „Barbie“. Renée Zellweger wird ihre Paraderolle also wahrscheinlich so schnell nicht los. Die Sehnsucht nach einer Freundin wie die von ihr maßgeblich geprägte Bridget ist auch nach all den Jahren immer noch groß.