Bereits der kurze Eröffnungstrack „October“ macht hier augenblicklich klar: „Temporary“ ist ein ungewöhnliches Album. Schubladen gibt es dafür nicht. Und zwar an keiner Stelle, auch wenn die Akteure durchaus in Genres agieren. Sampha bespielt ja einen weit gesteckten Rahmen zwischen R & B, Soul und Hip-Hop. Bill Callahan nuschelt bevorzugt dunkle Folk-Weisen, Alabaster DePlume verbindet Jazz mit Poesie, Noah Cyrus (Mileys Schwester) bezirzt üblicherweise mit Country-Pop, Florence Welch ist als Indie-Rock-Ikone bekannt, Kamasi Washington überwältigt gerne mit opulenten Jazz-Gesten und Jah Wobble sorgte einst für den stoischen Bass-Puls bei den Krautrockern Can. Eine fürwahr illustre Schar ist hier kreativ vereint! Doch was bringt all diese Menschen zusammen? Darüber gibt der eingangs erwähnte, zunächst rätselhafte Eröffnungsdia-log Aufschluss, denn sein Fazit ist dann doch unmissverständlich: Wir sind nur Gäste auf dieser Welt – „Temporary“ eben.
Die Idee zu diesem bemerkenswerten, abwechslungsreichen, auch sehr berührenden Album hatte Produzent Richard Russell, der sich im Rahmen solcher Kollaborationen Everything Is Recorded nennt. Wenn Russell anfragt, kommen alle – und erschaffen Unerwartetes. Auch das Thema hat er gesetzt: „Das Leben heiligen – gerade wegen der darin innewohnenden Vergänglichkeit.“ Diese Auseinandersetzung erfordert Ehrlichkeit und Hingabe. Und auf diesem Album spürt man wahrlich reichlich davon.
„Maybe let someone embrace me / Before the aliens erase me“ – singt Sampha sehnsüchtig in „My and Me“, später in „Losing You“ sind es explizite Verlustängste, die ihn umtreiben. Bill Callahan wiederum lässt in „Norm“ den Vermissten fröhlich (mit-)sprechen. Denn: Auch das Vergangene bleibt in der Welt. Nämlich über die Erinnerung. Das ist zutiefst tröstlich.
Musikalisch handelt es sich bei „Temporary“ um eine eigentlich unfassbar gelassene, betörend sanfte, jederzeit das Genre sprengende Wundertüte. Der Titel eines Can-Albums hätte daher ebenfalls trefflich zu diesem Werk gepasst: „Flow Motion“.