„Die Motivjäger“ nennt sich eine Gruppe saarländischer Hobbyfotografen. Spezialgebiet ist die Lichtmalerei, bei der die Kamera durch Langzeitbelichtung bewegte Lichter aufnimmt. Das Ergebnis sind mythisch schöne Bilder.

Sven Kley war schon immer vom Fotografieren fasziniert. Mit der damals herrschenden analogen Technik hatte der 53-Jährige viel experimentiert und das Arbeiten mit der Kamera zu seinem Hobby gemacht. Im Urlaub hat er fotografiert und auch Blumen und Gebäude ins rechte Licht gerückt. Als die Digitalfotografie Anfang der 2010er-Jahre kam, war Sven Kley immer mehr unterwegs, stets auf der Suche nach aufregenden Motiven. Eines Tages, so erinnert er sich, traf er bei einer dieser Expeditionen auf Axel Mohr. „Wir kamen ins Gespräch und fachsimpelten über das Fotografieren“, erzählt Kley. Mohr berichtete von seinen Versuchen, mit seiner Digitalkamera nachts oder an künstlich verdunkelten Orten zu arbeiten, um ganz gezielt nur eine bewegte Lichtquelle zu fotografieren. Sven Kley war sofort begeistert von diesem Projekt. „Das war der Beginn unserer Lichtmalerei“, sagt Axel Mohr, der sein Handwerk in Kursen der Volkshochschule gelernt hat. Bis heute entwickeln die Fotografen zusammen mit etwa 15 weiteren Enthusiasten die Kunst der Lichtmalerei weiter und stellen ihre Bilder regelmäßig aus.
„Alles ist möglich, auch etwas ganz Abstraktes“
Für die Lichtmalerei werden in einem dunklen Raum oder in der Natur bei Nacht unterschiedliche Lichtquellen verwendet, um mit ihnen Bilder oder Muster zu erzeugen. „Eine einfache Taschenlampe reicht“, sagt Mohr. Verwendet wird die Lampe wie ein Pinsel, mit dem der Zeichner in der Luft oder vor einem ausgesuchten Hintergrund die geplante Form nachzeichnet. Eine Digitalkamera mit langer Belichtung nimmt die Szene auf, sodass die Bewegungen des Lichts das Motiv entstehen lassen. Die Person, die sich mit der Lampe im Raum bewegt, ist dunkel gekleidet, die Kamera nimmt sie nicht wahr. Auf dem fertigen Bild zeigt nur der Lichtschweif die Umrisse des Motivs. „Dabei ist eigentlich alles möglich“, erläutert Sven Kley. Blumen, Häuser, die Silhouetten von Personen, „oder auch mal etwas ganz Abstraktes“.
Lichtmalerei ermöglicht den Künstlern, ihre Kreativität auf eine neue Weise auszudrücken. Jeder könne mit Licht malen, sagt Axel Mohr. Eine Lampe und ein Stativ für die Kamera sind nur der Anfang. Besondere visuelle Effekte werden erzielt, wenn zum Beispiel rund um die Lichtquelle goldfarbene Aluminiumstreifen geklebt sind, die das Licht auf diese Weise diffus erscheinen lassen. So ist zum Beispiel eines der bekanntesten Bilder der Lichtmaler entstanden. Im ehemaligen Glasbläsersaal der Wadgasser Cristallerie malte Axel Mohr mit der Lampe und den befestigten Alustreifen zuvor durchgeplante Strecken, die Kameras zeichneten diese Choreografie auf. Anschließend wurden Feuerwehrmänner aus der Gemeinde Wadgassen mit ihrem Equipment aus Helmen, Schläuchen und Gasmasken aufgenommen und mit der Lichtmalerei kombiniert. Das Ergebnis ist ein faszinierendes Bild, auf dem es aussieht, als ob die Feuerwehrleute ein wirres, fremdartiges Feuer bekämpfen.

Die Möglichkeiten der Lichtmalerei scheinen unendlich. „Wir haben schon ganze Lichterketten an Räder montiert und diese Bewegungsmuster fotografiert“, sagt Mohr. Auch Stablampen und viele andere Leuchtmittel wurden umfunktioniert und in der Dunkelheit als Lichtpinsel mit unterschiedlichen Farben eingesetzt. Die fertigen Bilder zeigen etwa geometrische Figuren wie Kreise oder auch florale Gebilde, die wie von Geisterhand im Raum schweben. Durch geschickte Belichtung können die Umgebung, die Wände oder im Raum stehende Gegenstände sichtbar gemacht werden, sodass Felsen, Bäume oder auch im Raum aufgestellte Kunstwerke ein mythisches Zusammenspiel mit den nicht greifbaren Lichtgebilden entstehen lassen.
Ob die Arbeit am Ende von Erfolg gekrönt ist, zeigt sich erst später. „Jede Menge Tüfteln und Experimentieren gehören zu unseren Herausforderungen“, sagt Kley, der hauptberuflich im Sozialwesen als Fachwirt für junge Erwachsene arbeitet. Axel Mohr ist Einzelhandelskaufmann. Aus diesen Erfahrungen bringen sie ebenso wie die anderen Mitglieder der Gruppe unterschiedliche Ideen für die Lichtmalerei mit. „Jeder hat andere Kenntnisse, Einfälle und handwerkliche Fähigkeiten, sodass wir uns als Lichtmaler immer weiter entwickeln“, erklärt Mohr. „Wir lernen voneinander, alleine kämen wir nicht weiter.“
Mythisches Zusammenspiel

Wie wichtig ein Team für Lichtmalerei ist, hat Axel Mohr erfahren, als er allein loszog. „Ich fuhr zum Itzenplitzer Weiher am südlichen Ende des saarländischen Ortsteils Heiligenwald“, erzählt er. Dort wollte er nachts die schneebedeckten Wiesen als Kulisse nutzen, um weiße Pilze in die Luft zu zeichnen. „Ich stellte meine Kamera auf und drehte mich mit den mitgebrachten Lampen immer wieder im Kreis, bis ich die Orientierung verloren habe.“ Torkelnd ist er fast in den Weiher gestürzt, nur knapp entging er einem unfreiwilligen Bad im eiskalten Wasser. „Das war mir eine Lehre. Jetzt machen wir die Lichtmalerei immer mit der Gruppe.“ Erfolgreich sei sein Solo-Experiment dennoch gewesen. Fünf gute Pilzbilder sind entstanden, der Weg zum verschneiten Itzenplitzer Weiher in der Nacht hat sich gelohnt. Andere Orte möchten die Lichtmaler noch zu Kulissen ihrer Kunst machen. „Spannend wäre zum Beispiel die Arbeit in der Völklinger Hütte“, sagt Sven Kley. Das ehemalige Eisenwerk wurde im Jahr 1986 stillgelegt in 1994 von der Unesco als erstes Industriedenkmal aus dem Zeitalter der Industrialisierung in den Rang eines Weltkulturerbes der Menschheit erhoben. „Das Zusammenspiel unserer modernen Fotoarbeit mit der saarländischen Kulturgeschichte ist uns wichtig, weil wir selbst oder unsere Familien in dieser Branche gearbeitet haben.“
Auch über die Grenzen des Saarlands hinaus suchen die Lichtmaler nach spannenden Gegenden zum Fotografieren und nach Kollegen, die ebenfalls mit Kamera und Licht arbeiten. Denn seit dem Siegeszug der digitalen Fotografie haben sich überall Gruppen gebildet, die mit dieser Kunst experimentieren. „Wir halten unter anderem gute Kontakte mit Kollegen und Kolleginnen in Hamburg und im Ruhrgebiet“, sagt Kley, der schon im Landschaftspark Duisburg seine Kameras aufgestellt hat. Auch als er Verwandte in Kanada besucht hat, packte er seine Ausrüstung ein. „Wir sind immer offen für neue, uns unbekannte Orte.“ Inzwischen geht er mit geschärftem Blick durch die Stadt oder die Landschaft. Sieht er etwa ein altes, verlassenes Haus, recherchiert er, ob es legal zu betreten ist, um es für die Lichtmalerei zu nutzen.
Die nächste Ausstellung ist in Wadgassen

Mit den Jahren hat die Gruppe eine ordentliche Anzahl an Exponaten geschaffen und stellt sie regelmäßig aus. Zuletzt präsentierten die Lichtmaler ihre Werke unter dem Titel „Die Facetten der Fotografie“ im Kulturbahnhof Bexbach. Zu sehen waren auch Bilder aus der Natur sowie Sehenswürdigkeiten und Objekte der Industriegeschichte des Saarlands, weil eine Gruppe mit dem Namen „Die Motivjäger“ zu den Lichtmalern gehört, die auch klassische Landschaftsmotive, Porträts und Tiere fotografiert.
Die nächste Ausstellung ist für den Herbst in Wadgassen geplant. Welche Bilder präsentiert werden, ist noch offen. „Wir haben etwa 150 Stück zur Auswahl, das ist eine gute Anzahl, um den Besuchern und Besucherinnen etwas Abwechslungsreiches zu bieten“, sagt Kley. Die Fotoarbeiten stehen zum Verkauf, der Preis richtet sich unter anderem nach der Größe. Es gibt Kleinformate ebenso wie größere Exemplare mit Maßen bis zu 120 x 180 Zentimeter. Gedruckt werden die Motive auf unterschiedlichen Materialien, zum Beispiel auf Papier, Leinwand und auf Alu Dibond. Die aus Aluminium bestehenden Platten eignen sich gut für Kunstdrucke, weil sie leicht, robust und widerstandsfähig sind. Einen Gewinn möchten die Lichtmaler mit ihren Verkäufen nicht zwingend erzielen, kostendeckend zu arbeiten sei der Gruppe genug. „Wir freuen uns umso mehr, wenn eines unserer Bilder in einem Zimmer oder in einem öffentlichen Gebäude an einer Wand hängt“, sagen Sven Kley und Axel Mohr.