Nach dem Ende der Negativserie muss Hertha BSC nun die Leistung vom Braunschweig-Spiel bestätigen. Wichtig ist: Diese Ausnahme muss zur Regel werden.

Wer gewinnt, hat letztlich alles richtig gemacht – so war auch der Tenor im Blätterwald der Hauptstadt nach dem deutlichen 5:1-Sieg im zum Schicksalsspiel erhobenen Match von Hertha BSC bei Eintracht Braunschweig zu verstehen. Da wurden etwa auch die psychologischen Fähigkeiten von Stefan Leitl betont, weil er im Vorfeld der Partie den Druck schlicht auf der Seite des Gegners wissen wollte („Wir müssen nicht gewinnen“) – auch wenn etwa der lobende „Berliner Kurier“ die These des neuen Trainers in diesem Zusammenhang selbst als „gewagt“ bezeichnete. Es darf also durchaus bezweifelt werden, dass dieser psychologische Kniff bei den Spielern der Eintracht angekommen war und seine Wirkung nicht verfehlte – schließlich haben die Ostniedersachsen auch nach der Heimpleite in der Rückrunde immer noch drei Zähler mehr geholt als die Hauptstädter.
Durchaus „gewagte“ These
Daher dürfte das Selbstvertrauen auf ihrer Seite vor dem wegweisenden Aufeinandertreffen eigentlich nicht in Mitleidenschaft gezogen gewesen sein – und die Tatsache, dass sie im eigenen Stadion Hertha BSC dann eigentlich nichts entgegenzusetzen hatten, eine echte Überraschung. Sicherlich war die frühe Führung des Gegners zu verarbeiten, was den Hausherren letztlich nicht gelang – auch weil der Spielverlauf nach eindeutigem Chancenplus für die blau-weißen Berliner mit den zwei weiteren Treffern unmittelbar vor der Halbzeit schon eine Vorentscheidung brachte.
Als ebenso überraschend wie die enttäuschende Vorstellung der Braunschweiger musste an diesem Nachmittag allerdings auch registriert werden, dass die Berliner das Meiste richtig machten – und das über die volle Spieldistanz. Hatte die Mannschaft im Verlauf der Saison immer wieder während einer Partie zwei Gesichter gezeigt, so blieb sie diesmal über 90 Minuten konzentriert, giftig und vor allem auch abschlussstark.
In diesem Fall hatte Stefan Leitl ebenso alles richtig gemacht, in dem er auf den angeschlagenen Luca Schuler in der Sturmzentrale verzichtete und neben Fabian Reese mit Derry Scherhant einen zweiten Angreifer aufbot, der mehr über die Außenbahn zu kommen pflegt und ein Plus an Schnelligkeit mitbringt. Die beiden wirbelten dann die gegnerische Abwehr durcheinander, unterstützt vom im offensiven Mittelfeld operierenden Ibrahim Maza sowie dem ins Team zurückgekehrten Michaël Cuisance. Das sah in der Tat verheißungsvoll aus – doch bei einer Mannschaft wie Hertha BSC werden selbst positive Darbietungen nicht nur wegen zuvor eines Punkts aus sieben Partien mit Argwohn betrachtet. Schließlich standen in Braunschweig neun Spieler in der Startelf, die 14 Tage zuvor beim 0:4 in Elversberg einen desaströsen Eindruck hinterlassen hatte – und das in der zweiten Partie unter der Regie des neuen Trainers, dessen Änderungen nach dem 0:0 zu Hause gegen Nürnberg bereits gepriesen worden waren.
Damals stand zu befürchten, dass das Team sich frühzeitig den Effekt des Neuanfangs selbst zerstört hatte – bei der folgenden 1:2-Heimniederlage kamen die Spieler jedenfalls auch erst im zweiten Durchgang aus sich heraus. Es blieb aber keine Zeit, nach dem 1:1-Ausgleich die Verkrampfung abzulegen, weil man sofort wieder in Rückstand geriet – wegen eines Elfmeters, den ausgerechnet Routinier Toni Leistner durch einen schlampigen Pass im eigenen Strafraum eingeleitet hatte. Dazu steigerte sich die Chancenverwertung während der 90 Minuten von „grob fahrlässig“ bis am Ende zu „slapstickhaft“. Bei dieser Niederlage waren es sogar zehn Profis, die eine Woche später zum überzeugenden Erfolg in Braunschweig beitrugen – und die den Rucksack gegen Schalke nicht hatten ablegen können.
Umso verblüffender nun der allgemeine Tenor: „Befreiungsschlag“ war wohl der meist strapazierte Begriff in den Medien – selbst bei jenen, die normalerweise nicht zur Euphorie neigen, wie etwa der „Kicker“ oder der „Tagesspiegel“. Dabei verschaffen sechs Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz unstrittig erst einmal deutlich Luft im Vergleich zu einer ebenso möglich gewesenen Punktgleichheit mit Braunschweig sowie Münster im Fall einer Niederlage. Doch es war auch „nur“ der erste Sieg im vierten Spiel unter Leitl – und bedeuten fünf Tore in 90 Minuten nach zuvor einem in viereinhalb Stunden, dass der Knoten einfach nur aufgehen musste und die Mannschaft nun ihr zweifelsohne vorhandenes Potenzial abrufen und auch in entsprechende Resultate umsetzen wird? Zweifel bleiben, und so kommt dem „Freundschaftsspiel“ gegen den Karlsruher SC – beide Fanlager pflegen seit Jahrzehnten ihre Verbundenheit – am Sonnabend im Olympiastadion gleich wieder als Probe aufs Exempel eine besondere Bedeutung zu.
Freundschaftsspiel gegen den KSC

Mit einer ähnlich überlegenen Darbietung von Hertha BSC ist dabei nicht zu rechnen, auch wenn der KSC zuletzt mit einem Punkt und ohne Treffer in zwei Spielen keine Bäume ausgerissen hat. Für einen Leistungsausfall ähnlich dem von Eintracht Braunschweig erscheinen die Badener jedoch insgesamt zu stabil – außerdem müsste Neu-Coach Leitl die bislang von ihm auch noch nicht geknackte Heimschwäche (zwei Partien, ein Punkt und ein Tor) in den Griff kriegen. Mit acht Punkten aus zwölf Begegnungen im Olympiastadion ist Hertha BSC so weiterhin noch deutliches Schlusslicht in der Heimtabelle der 2. Liga. Hier gilt es also, bereits das nächste Kardinalproblem in den Griff zu kriegen und dafür auch ein zählbares Zeichen zu setzen. Gut, dass zumindest die handelnden Personen dabei – im Gegensatz zum jüngsten Medienecho – unisono den Ball flach halten. „Die Situation hat sich nicht geändert, die Liga ist brandgefährlich“, formulierte es etwa Stefan Leitl nach dem Sieg in Braunschweig, „es war nur ein Spiel“ mahnte Sportdirektor Benjamin Weber – und Wortführer Fabian Reese hieb in dieselbe Kerbe: „Das war der erste Schritt, aber die Saison ist längst noch nicht durch.“ Bei acht noch ausstehenden Partien der Spielzeit 2024/25 bleibt so vorerst nur zu hoffen, dass die Brisanz der Lage für Hertha BSC dank der Bestätigung der Leistung von Braunschweig bald nachlässt.