Kaum ein heimischer PC läuft ohne es – das Betriebssystem von Microsoft. Vor 50 Jahren gründeten der 2018 verstorbene Paul Allen und der damals gerade 19-jährige Bill Gates das Software-Unternehmen, das beide zu Multimilliardären machte.

Auch wenn der Marktanteil von Windows als führendem Computer-Betriebssystem seit Jahren zurückgeht, ist Hersteller Microsoft nach wie vor der Gigant der Software-Unternehmen. Unter den größten Firmen der Welt liegt Microsoft auf Platz 26. Doch wie so viele Firmen hat auch diese einmal ganz klein angefangen – und zwar vor genau 50 Jahren.
Viele verbinden mit dem Unternehmen bis heute den Namen Bill Gates. Doch der jetzige Multimilliardär war anfangs nicht alleine. Die erste Programmiersprache entwickelte er zusammen mit Monte Davidoff und Paul Allen. Mit Letzterem gründete er am 4. April 1975 eine Firma, die erst später den Namen Microsoft erhielt. Dennoch gilt das Datum als die Geburtsstunde des heutigen Software-Riesen. Gates war damals 19, Allen 22 Jahre alt. Sie hatten sich zuvor an der Lakeside School in Seattle kennengelernt. Jene Schule ist damals eine der ersten weltweit, die einen Computer besitzt. Zu jener Zeit füllt so ein Gerät einen ganzen Raum.
Chef ein Milchbubi mit Nerd-Brille

Gates und Allen schwänzen sogar den Sportunterricht, um ihre Zeit in diesem Raum zu verbringen. Sie entwerfen gemeinsam ihre erste Software, ein Programm zur automatischen Verwaltung der Stundenpläne. Das Ergebnis soll besser gewesen sein als jegliche Programme, die es damals im Handel zu erwerben gab. Die beiden Freunde beginnen recht schnell, mit ihren Programmierkenntnissen Geld zu verdienen. Nach dem Abschluss trennen sich ihre Wege. Gates beginnt 1973 in Harvard damit, Rechtswissenschaften zu studieren, schließlich soll er es nach dem Willen seiner Eltern dem Vater gleichtun. Allen geht derweil einem Job als Programmierer bei Honeywell in Boston nach.
Was die beiden wieder zusammenbringt, ist das Erscheinen des ersten Personal Computers (PC) der Welt: Der Altair 8800 ist ein rechteckiger Kasten mit ein paar Kippschaltern an der Front, kostet damals 495 Dollar (nach heutiger Kaufkraft etwa 2.630 Euro) und verfügt weder über eine Tastatur noch über einen Bildschirm. Trotzdem elektrisiert es Allen ungemein, als er auf dem Titel einer Elektronik-Zeitschrift dieses Gerät abgebildet sieht. Sofort rennt er damit zu Gates: Man könne doch diesen Kasten mit Leben füllen, sprich mit Software. Ohne überhaupt einen Altair 8800 zu besitzen, entwickeln die beiden mit Hilfe von Monte Davidoff das Altair Basic, eine auf den Heim-Computer angepasste Version der bereits vorhandenen Programmiersprache Basic. An Arbeitsspeicher braucht diese gerade einmal vier Kilobyte; heutige Laptops besitzen vier Millionen Mal so viel und noch weit mehr. Davidoff – ebenso wie Gates Student in Harvard – sagt später, die beiden hätten sich abends getroffen, die Nacht über programmiert, am nächsten Tag ausgeschlafen und anschließend die Nachmittagsvorlesungen besucht.

Für ihre Programmier-Besessenheit benutzen sie die Computer der Universität, was eigentlich nicht erlaubt ist. Gates erhält deshalb sogar mal eine Verwarnung. Das kümmert ihn aber nicht, kann er doch Altair Basic für 3.000 Dollar an MITS, den Hersteller des Altair 8800, verkaufen. Den Erlös steckt er in die Gründung der eigenen Firma mit Paul Allen: Microsoft. Der Name ergibt sich aus den Wörtern „Microcomputer“ – so wurden damals Personal Computer genannt – und „Software“.
Das Harvard-Studium bricht Gates zur großen Enttäuschung seiner Eltern ab und zieht mit Allen nach Albuquerque in New Mexico. Dort sitzt mit MITS der bis dato größte Auftraggeber der Firma. Weitere wie General Electric oder Citibank werden folgen. Betrachtet man Fotos von Gates aus dieser Zeit, sieht man einen Milchbubi mit Nerd-Brille. Den drei Jahre älteren Allen wiederum könnte man für Gates’ Vater halten – wegen seines Vollbarts.
Miriam Lubow, eine der Mitarbeiterinnen, erinnert sich später in einem Dokumentarfilm, dass sie gar nicht glauben konnte, dass Gates ihr Boss ist. Als er in die Firma kommt und geradewegs ins Chefbüro marschiert, weiß sie gar nicht, was sie tun soll. Sie hält ihn für einen frechen oder verpeilten Teenager. Dann aber bemerkt sie, wie besessen Gates von seiner Firma ist: Sie findet ihn an einem Montag schlafend auf dem Fußboden. Einer der anderen Mitarbeiter sagt zu Lubow, dass das ganz normal sei. Wahrscheinlich habe der Microsoft-Boss noch etwas fertigkriegen wollen und das ganze Wochenende durchgearbeitet.
Mit MS-DOS gelingt der Durchbruch
Zunächst geht es nur langsam voran: 1978 besitzt Microsoft gerade mal elf Mitarbeiter. 1979 zieht die Firma von Albuquerque nach Bellevue, Washington, in der Metropolregion Seattle. An der Westküste erhoffen sich Allen und Gates mehr Kontakte zum dortigen aufstrebenden Technologiemarkt. Ihre Programmiersprache Microsoft Basic ist die dominierende der damaligen PCs. Sie läuft sogar auf dem Apple-II-Computer ebenso wie auf dem Commodore 64. Als der große Durchbruch für Microsoft wird aber die Zusammenarbeit mit IBM angesehen, die 1980 begann. Der Hersteller von Groß-Computern hatte die Entwicklung in Richtung bezahlbarer PCs verschlafen und ging erst 1981 mit dem ersten IBM-PC auf den Markt. Zuvor hatte sich die damals weitaus größere Firma an Microsoft gewendet mit dem Wunsch nach einem Betriebssystem.

Nach einigem Hin und Her – unter anderem war der Kontakt von Gates’ Mutter Mary zu IBM-Chef John R. Opel hilfreich – brachte Microsoft das Betriebssystem MS-DOS an den Start. Gates hatte den IBM-Managern einfach erzählt, dass er so etwas programmieren könne, obwohl Betriebssysteme bis dahin gar nicht zu seinem Portfolio zählten. Der Microsoft-Chef musste dazu auf die Hilfe von Tim Paterson zurückgreifen, der ein Betriebssystem namens QDOS entwickelt hatte. Der Name stand für „Quick and Dirty Operating System“, also „schnelles dreckiges Betriebssystem“. Gates kaufte das System für 50.000 Dollar – ohne zu verraten, was er damit vorhatte. Er modifizierte es und benannte es in MS-DOS um – also praktisch in „Microsoft Dirty Operating System“. Damit macht er das Geschäft seines Lebens, denn Gates verlangt von IBM drei Dollar Beteiligung für jeden verkauften Computer. Der IBM-PC entwickelte sich über alle Erwartungen zum Kassenschlager und machte dadurch auch Microsoft populär.
Paul Allen starb 2018 mit nur 65 Jahren

1985 folgte dann ein weiterer Meilenstein des Unternehmens: Das erste Windows-Betriebssystem kam auf den Markt. Eigentlich handelte es sich dabei „nur“ um eine grafische Erweiterung von MS-DOS. Ähnliches hatte Apple bereits 1983 mit seinem System „Lisa“ eingeführt, ebenso die Einbindung einer Maus. Dennoch setzte sich Microsoft letztlich gegenüber allen Konkurrenten durch – bis heute. Sowohl Gates als auch Allen wurden Multimilliardäre durch ihre Firma. Letzterer hatte aber kein Glück mit seiner Gesundheit: Schon 1983 wurde bei ihm das bösartige Hodgkin-Lymphom diagnostiziert, 2018 starb er mit 65 Jahren. Allen besaß riesige Yachten, eine umfangreiche Gemäldesammlung – unter anderem Bilder von Claude Monet und Pablo Picasso – sowie E-Gitarren, die zuvor Eric Clapton oder George Harrison gehört hatten. Auch ein American-Football- sowie ein Basketballteam waren unter seinen Besitztümern.
Aber Allen hortete nicht nur Materielles mit seinem Reichtum: Ähnlich wie Gates stiftete er einen großen Teil seines Vermögens in die medizinische und technologische Forschung. Der heute 69-jährige Gates zog sich 2008 aus dem operativen Geschäft von Microsoft zurück. Derzeit steht er mit 107 Milliarden Dollar in der Forbes-Liste der reichsten Menschen dieser Erde. Bis zu seinem Tod, so hat er es angekündigt, möchte er 95 Prozent seines Vermögens an die Gates Foundation abgeben, jene Stiftung, die er zusammen mit seiner ersten Ehefrau Melinda gegründet hat und die bis Januar Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hieß. Es ist die größte private Wohltätigkeitsorganisation der Welt und verfolgt die Ziele der Verbesserung der Gesundheitssituation und Bekämpfung von Armut.