Quantum2025 feiert 100 Jahre moderne Quantenmechanik. Unter der Federführung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft findet dazu in den nächsten Monaten eine Vielzahl von Veranstaltungen statt. Prof. Dr. Klaus Richter, Präsident der Fachgesellschaft, im Interview.

Herr Professor Richter, in der Schule haben wir gelernt, dass Mechanik ein grundlegender Bereich der Physik ist, der sich mit den Bewegungen von Körpern und den Kräften befasst, die auf sie wirken. Gehört auch die Quantenmechanik dazu?
Die klassische Mechanik beschreibt die makroskopische Welt um uns herum, von Planetenbahnen bis hin zur Bewegung von Billardkugeln. Sie versagt aber im Mikrokosmos. Die Quantenphysik füllt diese Lücke auf kleinsten Längenskalen und beschreibt das Verhalten und die Wechselwirkung von Molekülen, Atomen und noch kleineren Teilchen, aus denen diese bestehen. Die Gesetze der Quantenmechanik erscheinen uns unzugänglicher, da sie nicht mit unserer Alltagserfahrung übereinstimmen.
Die Quantenmechanik ist ein Teilgebiet der theoretischen Physik. Also alles reine Theorie?
Was als wenig anschauliche Theorie 1925 begann, ist mittlerweile aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Verschiedenste Technologien, die für uns eine Schlüsselrolle spielen, wären ohne Quantenphysik undenkbar. Dazu gehören praktisch die gesamte Mikroelektronik, von Halbleiter-Chips in Handys und Computern bis hin zu Speichermedien, dann der Einsatz von Technik gegen den Klimawandel, von der Photovoltaik als zentraler regenerativer Energiequelle bis hin zu energiesparenden LEDs, und weiterhin Anwendungen der Quantenphysik in der Medizin: von Lasern bei Augenoperationen bis hin zur Kernspintomografie. Aber beispielsweise auch Atomuhren zur hoch präzisen Zeitmessung, auf die wir angewiesen sind. Alle diese Technologien unseres Alltags beruhen auf Quantenphysik. Sie beeinflusst unser aller Leben mannigfach, mit allen Chancen und Risiken.
Waren sich Werner Heisenberg, Max Born und Pascual Jordan, die Begründer der modernen Quantenmechanik, damals, 1925, des großen Potenzials ihrer Arbeit bewusst?
Ja, vor genau 100 Jahren, im Jahr 1925, wurden die grundlegenden Gesetze der Quantenmechanik in Göttingen zum ersten Mal formuliert. Und das, mit einem Paukenschlag, innerhalb kürzester Zeit und bemerkenswerterweise unter Mitwirkung mehrerer junger Physiker wie Heisenberg und Jordan im Alter unter 25 Jahren. Heutzutage wären sie noch Physikstudenten.
Ihre Entdeckungen markieren den Beginn einer Ära, die unsere gesamte Welt verändern sollte. Das war den Physikern damals in dieser Tragweite sicherlich nicht bewusst. Ihnen ging es darum, die damaligen Geheimnisse der Quantenwelt zu entschlüsseln, übrigens eine enorm spannende und in ihrer Dynamik einzigartige Phase in der Geschichte der Naturwissenschaften.
Zuvor gab es bereits quantenphysikalische Theorien. Welchen Beitrag leistete Max Planck zur Entwicklung der Quantenmechanik?
Die Geburtsstunde der Quantenphysik wird Max Planck zugeschrieben, der vor genau 125 Jahren, also im Jahr 1900, in Berlin seine Quantenhypothese aufstellte, welche besagt, dass Energie im Mikroskopischen in gequantelten Portionen auftritt.
Damit konnte er ein wichtiges Strahlungsgesetz in Einklang mit Beobachtungen bringen, eine wahre Meisterleistung!
Ein weiterer bedeutender Wissenschaftler ist Erwin Schrödinger, der mit seinem berühmten Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ bekannt wurde …
Ja, das ist ein weiteres berühmtes Gedankenexperiment, welches Paradoxien der Quantenmechanik aufzeigen soll. So wie sich Qubits wie erwähnt in einer Überlagerung von Zuständen 0 und 1 befinden, so schwebt Schrödingers Katze zwischen den Zuständen „lebend“ und „tot“. Das Paradoxe entsteht dadurch, dass eine Quanten-Eigenschaft eines Mikroobjekts, dem Qubit, auf die Katze, einem Subjekt der makroskopischen Welt um uns herum, übertragen wird.
Was hat sich in den vergangenen 100 Jahren in der Quantenmechanik getan? Hat sich dadurch unser Verständnis der Natur verändert?
Die Quantenmechanik hat uns die atomistische Welt, auf der die Materie und alles um uns herum aufgebaut ist, erst zugänglich gemacht. Es steht daher außer Zweifel: Die Quantentheorie gehört zu den großen fundamentalen Erkenntnissen der Menschheit über die Welt, in der wir leben. Seit den grundlegenden Entdeckungen vor 100 Jahren lassen sich zahllose weitere Durchbrüche in der Quantenphysik benennen, die diese zu dem gemacht haben, was sie heute darstellt. Die meisten Nobelpreise der Physik haben mit Quantenphysik zu tun.
Die Quantenmechanik hat seit ihrer Entstehung auch philosophische Diskussionen ausgelöst, etwa über die Natur der Realität und des Beobachtens. Wie geht die Wissenschaft heute mit diesen Herausforderungen um?
Der Prozess des Beobachtens in der Quantenphysik, auch Messprozess genannt, ist inzwischen wesentlich besser verstanden; auch weil heutzutage häufig echte Experimente die fiktiven Gedankenexperimente von damals ersetzen und damit offene Fragen klären können. Das hat sicherlich Licht ins Dunkel gebracht, aber dennoch gibt es heutzutage spannende Forschung im Grenzbereich zwischen Physik und Erkenntnistheorie.
Welche Themen und Fragestellungen stehen derzeit im Fokus der Forschung zur Quantenmechanik?
Das Kürzel „Quantentechnologie 2.0“ umfasst über die wichtige Grundlagenforschung hinaus neue potentzielle Anwendungen, von der sicheren Übertragung von Daten durch Quanten-Kommunikation über Quanten-Sensoren bis hin zum Quanten-Computing. Derartige Zukunftsquantentechnologien werden unsere Welt voraussichtlich ein weiteres Mal grundlegend verändern. Nur kann das zum Teil noch lange dauern und unser heutiges Vorstellungsvermögen übersteigen.
Quantencomputer waren lange ein theoretisches Konzept. Doch mittlerweile gibt es erste funktionierende Prototypen. Wann erwarten Sie einen Durchbruch, der Quantencomputer zu einer breit einsetzbaren Technologie macht?
Sogenannte Quantencomputer arbeiten mit Qubits, die zusätzlich miteinander verschränkt sind. Quantencomputer könnten daher, zumindest theoretisch, ungleich schneller sein als herkömmliche Computer. Wir stehen aber erst am Anfang einer Entwicklung. Noch gibt es erhebliche technische und physikalische Herausforderungen bei der Konstruktion von leistungsfähigen Quantencomputern, aber diese werden besser. Ich erwarte aber keinen plötzlichen Durchbruch. Ein Blick zurück zeigt, dass die herkömmlichen Computer eine lange Entwicklung durchgemacht haben: von den ersten „Elektronengehirnen“, den ersten elektrischen Computern vor über 70 Jahren, bis hin zum Smartphone heutzutage.
Wie schätzen Sie die Position Deutschlands in der internationalen Quantenforschung ein?

Die Forschung in Deutschland ist Weltspitze in der Grundlagenforschung zur Quantenphysik. Jetzt kommt es darauf an, den Transfer und deren Umsetzung hin zu neuen „Quantentechnologien 2.0“ zu bewerkstelligen. Dazu bedarf es breiter Zusammenarbeit, auch gerade innerhalb Europas.
Welche Rolle das Thema hierzulande spielt, zeigt sich bei Quantum2025, dem Veranstaltungsprogramm, mit dem das 100-jährige Jubiläum der modernen Quantenmechanik gefeiert wird. An welche Zielgruppe wenden sich die Angebote?
Das Motto von Quantum2025 lautet „100 Jahre sind erst der Anfang …“. Es macht deutlich, dass die Quantenmechanik auch in Zukunft eine zentrale Rolle für die Gesellschaft spielen wird. Die Angebote der Deutschen Physikalischen Gesellschaft richten sich an alle Menschen, die neugierig auf das Thema Quantenphysik sind, also Schülerinnen und Schüler, Kunst- und Kulturinteressierte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ganz generell Physikinteressierte.
Alle Veranstaltungen sind zentral zu finden auf der Deutschland-Plattform www.quantum2025.de. Es gibt über das Jahr hinweg viele Angebote in Themenfeldern wie Quanten in der Forschung, Quanten in der Schule, in der Musik, Philosophie, Kunst, Literatur und im Film, Stichwort „Oppenheimer-Film“. Aber auch Bezüge zur Berufswelt, Karriere und Gesellschaft. Weiterhin wird es Formate geben, die insbesondere auch die zukünftigen Quantentechnologien im Auge haben.
Wie sehen Sie die Entwicklung dieses Forschungsbereichs in den nächsten Jahrzehnten?
Wir stehen erst am Anfang – bezeichnenderweise 100 Jahre nach der Formulierung der Quantenmechanik haben die Quantenwissenschaften und die aktuellen Entwicklungen der Quantentechnologien enorm an Dynamik gewonnen. Wir müssen daher die Fantasie aufbringen, das Unerwartete zu erwarten.