Welche Umweltschäden verursachen Zuchtlachs-Industrie und Fischerei? Welche Pestizide kommen in der Landwirtschaft zum Einsatz, und wie können sie sich auf die Umwelt und auf den Menschen auswirken? Annemarie Botzki, Expertin für Tierhaltung und Landwirtschaft bei Foodwatch, hat uns diese Fragen beantwortet.
Frau Botzki, Aquakulturen aus Norwegen machen bei Foodwatch gerade aufgrund von Umweltschäden und Tierleid Schlagzeilen, Sie fordern auch ein Verkaufsverbot von Lachs aus Norwegen. Welche negativen Folgen hat denn die Lachszucht für die Umwelt?

Die Zuchtlachs-Industrie stellt eine erhebliche Bedrohung für die Umwelt und die Wildfischbestände dar. Offene Netzkäfige begünstigen die Verbreitung von Krankheiten und Parasiten wie Lachsläusen, die insbesondere Junglachse (Smolts) dezimieren und somit Wildpopulationen gefährden. Zudem entkommen jährlich Hunderttausende Zuchtlachse, die sich mit Wildlachsen vermischen und so deren genetische Vielfalt schwächen und natürliche Bestände verdrängen. Die Überfischung von Wildfisch zur Herstellung von Fischmehl für Zuchtlachse verstärkt das Problem zusätzlich. Langfristig bedroht diese Entwicklung die ökologische Balance der Meere und die Ernährungssicherheit.
Wie sieht es mit dem Tierleid aus?
Die Zuchtlachs-Industrie verursacht massives Tierleid, da die Fische in überfüllten Netzkäfigen gehalten werden, wo sie unter Stress, Verletzungen und Krankheiten leiden. Infektionen wie virale Seuchen und Parasitenbefall durch Lachsläuse führen zu qualvollen Todesfällen, während hohe Besatzdichten Aggressionen und Verletzungen fördern. In einem Jahr sind allein in Norwegen über 100 Millionen Lachse vor der Schlachtung verendet – viele an Infektionen. Die industrielle Aufzucht ignoriert das Schmerzempfinden der Fische und zwingt sie in ein Leben voller Leiden.
Wenn man unbedingt Lachs essen möchte – worauf sollte man dann bei den Produkten achten?
Die gesamte Lachsproduktion in Norwegen – und leider auch anderer Großproduzenten wie Schottland und Island – hat erhebliche Probleme mit der Tiergesundheit. Für Bio-Lachs gibt es zwar strengere Vorgaben zur Anzahl der Fische pro Käfig. Eine Garantie für gesunde Fische ist das aber nicht. Wildlachse sind hingegen in vielen Regionen bereits überfischt. Einen guten Rat können wir daher leider nicht geben, solange sich die Zustände in der Lachsindustrie nicht verbessern.

Sollte man Fisch aus Aquakulturen generell meiden und nur Wildfang-Produkte kaufen?
Wer Wert auf Tiergesundheit legt und keine Fische mit Parasiten, offenen Wunden oder Infektionen konsumieren möchte, sollte Zuchtlachs kritisch hinterfragen. Die Massenzucht in offenen Netzgehegen fördert Krankheiten, Stress und viele Tiere sterben, was zu enormem Tierleid führt. Doch auch Wildlachs ist keine nachhaltige Alternative – die Bestände sind stark überfischt und können die heutige Nachfrage nicht decken. Lachs war einst ein Luxusgut, ist jedoch zum Massenprodukt geworden, mit gravierenden Folgen für Umwelt und Tierwohl. Die Lösung ist nicht der Wechsel zwischen Wild- und Zuchtlachs, sondern ein genereller bewussterer Konsum: Wir müssen weniger Lachs essen, und die Zustände in der Lachszucht müssen dringend verbessert werden!
Welche Umweltschäden verursacht eigentlich Fischerei?
Die Fischerei verursacht weltweit massive Umweltschäden, die sowohl marine Ökosysteme als auch Fischbestände bedrohen. Ein zentrales Problem ist die Überfischung, die dazu führt, dass viele Bestände – etwa Thunfisch oder Kabeljau – stark dezimiert sind und sich kaum erholen können. Besonders problematisch ist der Beifang, bei dem ungewollte Meerestiere wie Jungfische, Delfine, Schildkröten oder Haie gefangen und oft tot oder verletzt zurück ins Meer geworfen werden. Uns liegen Daten einer Thunfischflotte vor, die allein im Jahr 2022 70 Weißspitzen-Hochseehaie (Carcharhinus longimanus, laut IUCN vom Aussterben bedroht), drei Hammerhaie (Sphyrna lewini, vom Aussterben bedroht), zwei Walhaie (vom Aussterben bedroht), drei Riesenmantas (Manta birostris, vom Aussterben bedroht) sowie 4.486 Seidenhaie (Carcharhinus falciformis, gefährdete Art) gefangen hat. Das gefährdet nicht nur einzelne Arten, sondern auch das gesamte ökologische Gleichgewicht. Ein Beispiel für umweltbelastende Fischerei in Deutschland ist die Krabbenfischerei im Wattenmeer, die in einem Weltnaturerbegebiet stattfindet. Sie zerstört mit schweren Grundschleppnetzen den empfindlichen Meeresboden und hat negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Ähnliche Methoden wie die industrielle Schleppnetzfischerei hinterlassen auf globaler Ebene großflächige Zerstörung auf dem Meeresgrund, reißen Korallenriffe mit sich und gefährden Lebensräume vieler Arten.
Zusätzlich trägt die Fischerei zum Klimawandel bei: Hoher Treibstoffverbrauch für Fangflotten, lange Transportwege durch den globalen Markt und energieintensive Kühlketten machen die Branche zu einer erheblichen CO₂-Quelle. Zudem stehen Fischbestände unter weiterem Druck durch illegale Fischerei, die in vielen Teilen der Welt unreguliert erfolgt und Schutzmaßnahmen untergräbt.

Welche Auswirkungen kann dies haben?
Um nur zwei Beispiele zu nennen: Gesunde Fischbestände und marine Ökosysteme sind essenziell für die Biodiversität und die Funktion der Ozeane. Viele Fischarten sind Teil komplexer Nahrungsketten – ihr Rückgang kann ganze Ökosysteme destabilisieren. Die Meere speichern zudem große Mengen CO₂ und produzieren etwa die Hälfte des Sauerstoffs auf der Erde. Intakte Ozeane mit gesunden Fischbeständen spielen eine Schlüsselrolle im globalen Klimasystem.
An Land sind Ackergifte ein großes Thema bei Foodwatch. Welche Mittel kommen in Deutschland zum Einsatz?
Deutschland zählt zu den größten Verbrauchern synthetischer Pestizide in der EU. Jährlich werden zwischen 28.000 und 35.000 Tonnen Wirkstoffe verkauft, wobei Herbizide den größten Anteil ausmachen, gefolgt von Fungiziden und Wachstumsregulatoren. Aktuell sind über 1.000 Pflanzenschutzmittel mit 281 verschiedenen Wirkstoffen zugelassen. Besonders häufig eingesetzt werden die Herbizide Diflufenican, Florasulam und Flufenacet, die auf über 60 Prozent der Weizenanbauflächen genutzt werden. Auch die Fungizide Prothioconazol und Tebuconazol sind weit verbreitet, mit Einsatzraten von über 80 beziehungsweise 60 Prozent der Betriebe (Foodwatch-Report „The Dark Side of Grains“).
Inwiefern können diese bedenklich für die Umwelt sein, und gibt es hierzu Studien?

Es gibt eine Menge Studien zur Gefahr von Pestiziden. Besorgniserregend ist der Einsatz kritischer Wirkstoffe: Diflufenican, Flufenacet, Lambda-Cyhalothrin und Tebuconazol gelten als „candidates for substitution“ aufgrund ihrer umweltschädlichen Eigenschaften. Flufenacet und sein Abbauprodukt Trifluoracetat (TFA) sind besonders problematisch, da sie sich im Grundwasser anreichern und als „forever chemicals“ extrem langlebig und schwer abbaubar sind. Es braucht einen Pestizidausstieg, um Umwelt- und Wasserverschmutzung zu minimieren.
In den vergangenen Wochen wurde viel Obst und Gemüse bei führenden Lebensmitteleinzelhändlern in Deutschland zurückgerufen – zum Beispiel Trauben, Mini-Wassermelonen und Kaki –, da die gesetzlichen Grenzwerte für Rückstände von Insektiziden überschritten wurden. Dies kam oft durch Eigenkontrollen zutage. Werden Obst und Gemüse denn nicht offiziell kontrolliert, bevor sie ihren Weg in die Geschäfte finden?
In Deutschland überwacht das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Zusammenarbeit mit den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer den Gehalt an Pestizidrückständen in Obst und Gemüse. Die Behörden haben eigene Raster und Pläne, wie und wo sie genauer testen – alle Lebensmittel werden dabei natürlich nicht abgedeckt. Allein deswegen sollten toxische Pestizide verboten werden.
Ein besorgniserregendes Problem im internationalen Handel mit Lebensmitteln ist der sogenannte Boomerang-Effekt: In der EU verbotene Pestizide werden weiterhin von europäischen Unternehmen produziert und in andere Länder exportiert. Dort werden diese hochgiftigen Chemikalien in der Landwirtschaft eingesetzt – oft ohne ausreichende Schutzmaßnahmen für Umwelt und Arbeiter. Das Problem: Rückstände dieser Pestizide kehren durch importierte Lebensmittel in die EU zurück und landen letztlich wieder auf unseren Tellern.
Foodwatch setzt sich dafür ein, dass die EU dieses Schlupfloch endlich schließt und eine Null-Toleranz-Politik für Rückstände verbotener Pestizide einführt. Denn wenn eine Substanz hier als zu gefährlich für Mensch und Umwelt eingestuft wurde, sollte sie auch nirgendwo sonst eingesetzt werden – geschweige denn über Importe wieder in den europäischen Lebensmittelkreislauf gelangen.

Was können zu hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln bei Menschen anrichten?
Zu hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln können gesundheitliche Risiken für den Menschen darstellen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Pestizide oft mehrere Wirkstoffe enthalten, und in der landwirtschaftlichen Praxis werden verschiedene Produkte kombiniert und über die gesamte Anbausaison hinweg mehrfach angewendet. Dadurch entsteht ein sogenannter „chemischer Cocktail“, der nicht nur Pestizide, sondern auch andere Schadstoffe wie Schwermetalle, radioaktive Materialien, Weichmacher oder Medikamente enthalten kann.
Die offizielle Risikobewertung von Pestiziden berücksichtigt jedoch oft nicht die gleichzeitige Exposition gegenüber mehreren Chemikalien. Studien haben gezeigt, dass bereits Kinder in Deutschland mit einer Vielzahl von Schadstoffen belastet sind, von denen viele toxikologische Risiken bergen. Die gleichzeitige Aufnahme mehrerer Substanzen kann zu verstärkten gesundheitlichen Auswirkungen führen, selbst wenn die einzelnen Stoffe in geringen Mengen als unbedenklich gelten. Dies kann langfristig zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, darunter hormonelle Störungen, neurologische Schäden oder ein erhöhtes Krebsrisiko.
Angesichts dieser Risiken ist es entscheidend, den Einsatz von Chemikalien, insbesondere Pestiziden, so weit wie möglich zu reduzieren und alternative, nachhaltigere Methoden in der Landwirtschaft zu fördern.
In welchen anderen Bereichen sehen Sie große Probleme/Gefahren für unsere Umwelt?
Die intensive Landwirtschaft mit hohem Chemikalieneinsatz führt nicht nur zu Bodenerosion und der Verschmutzung von Wasserquellen, sondern stellt auch eine ernste Bedrohung für die Artenvielfalt dar. Wie die Europäische Kommission selbst betont, gefährdet dieses Modell langfristig die Ernährungssicherheit. Die Übernutzung chemischer Pestizide trägt zum massiven Rückgang von Insekten, insbesondere Bestäubern wie Bienen und Schmetterlingen, bei. Da etwa 80 Prozent der Kulturpflanzen auf Bestäubung durch Tiere angewiesen sind, könnte dieser Rückgang schwerwiegende Folgen für die Nahrungsmittelproduktion haben.
Wissenschaftler warnen, dass unser Planet sich derzeit in einem sechsten Massenaussterben befindet. In Europa ist bereits jede sechste Bienen-, Schmetterlings- und Schwebfliegenart vom Aussterben bedroht. Zusätzlich wurde ein dramatischer Rückgang der Vogelpopulationen festgestellt – 600 Millionen Vögel sind seit 1980 verschwunden. Da viele Vogelarten eine Schlüsselrolle im Ökosystem spielen, etwa durch die Kontrolle von Schädlingen in der Landwirtschaft, könnte dies zu weiteren Ungleichgewichten führen.

Gesunde Böden sind die Grundlage für die Landwirtschaft und das gesamte Ökosystem. Intensive Bewirtschaftung, Monokulturen und der übermäßige Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden führen jedoch zu einem Rückgang der Bodenqualität. Dies vermindert die Fähigkeit der Böden, Wasser zu speichern und Nährstoffe bereitzustellen, was langfristig die landwirtschaftlichen Erträge bedroht. Die Landwirtschaft ist einer der größten Wassernutzer weltweit. Pestizide und Düngemittel gelangen in Flüsse, Seen und Grundwasser und gefährden dort nicht nur die Trinkwasserversorgung, sondern auch aquatische Ökosysteme. Die Belastung mit Nitraten aus der Landwirtschaft führt in vielen Regionen zu Algenblüten, die ganze Gewässer „ersticken“ und zu toten Zonen führen, in denen kein Leben mehr möglich ist.
Wie können sich diese Probleme auf die menschliche Gesundheit und das menschliche Leben auswirken?
Der massive Verlust der Biodiversität, die Verseuchung von Böden und Gewässern durch Pestizide sowie die Folgen des Klimawandels haben direkte und langfristige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Schadstoffe aus der Landwirtschaft gelangen in unsere Nahrung, unser Trinkwasser und in die Luft, die wir atmen – mit teils unbekannten Wechselwirkungen. Die Belastung durch chemische Rückstände kann das Risiko für Krebs, neurologische Erkrankungen und hormonelle Störungen erhöhen. Gleichzeitig bedroht der Rückgang von Bestäubern unsere Lebensmittelversorgung, während Klimawandel-bedingte Extremwetter zu Ernteausfällen und steigenden Nahrungsmittelpreisen führen. Der Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Gesundheit ist unübersehbar – wer gesunde Menschen will, braucht eine gesunde Natur.