Traktorenschlosser, Sportlehrer, Diskjockey, Moderator, Sänger: Karl-Heinz Wendorffs berufliche Aktivitäten hätten für drei Leben gereicht. Der frühere TV-Moderator von „Medizin nach Noten“ will jetzt mit 78 Jahren kürzertreten.

Er traf Sportasse wie Kati Witt und Uwe Seeler, aber auch IOC-Chef Juan Antonio Samaranch. Ein Millionenpublikum erreichte Karl-Heinz Wendorff als Moderator der TV-Sendung „Medizin nach Noten“, die Ostdeutsche vorm Fernsehgerät zu Gymnastik nach Popmusik animieren sollte.
„Fragt mich nicht, wie ich das zeitlich gemacht habe. Ich weiß es selbst nicht mehr“, lächelt der Märker, der auch Zieleinkünfte der Friedensfahrt und Skispringen moderierte. Was ihn antrieb, war purer Ehrgeiz: „Ich wollte immer der Beste sein“, betont der einstige Jugendmeister im Diskuswurf im DDR-Bezirk Frankfurt/Oder. Kürzlich feierte Karl-Heinz Wendorff, den Freunde nur Kalle oder Wendy nennen, seinen 78. Geburtstag. Kleine Sportevents will er weiterhin moderieren, seine zweite Karriere als Sänger aber langsam ausklingen lassen.
Hat insgesamt 172 Titel auf den Markt gebracht
„Inzwischen habe ich 172 Titel auf den Markt gebracht. Doch was die Herausgabe neuer CDs anbetrifft, ziehe ich nun einen Schlussstrich. Finanziell habe ich dafür – bildlich gesprochen – ein paar Kleinwagen investiert. Ich bereue es nicht, doch irgendwann muss auch mal Schluss sein“, sagt der einst meistgebuchte Moderator des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) in Berlin. Apropos SEZ: Da ist Karl-Heinz Wendorff gleich beim nächsten Thema. Denn für den Erhalt des früheren Sport- und Freizeittempels in Ostberlin engagiert er sich.
„Hier unterstützte ich im letzten Jahr eine Demo für den SEZ-Erhalt – meine erste Demonstration nach der Wende überhaupt. Natürlich moderierte ich dort Sportübungen nach Musik und war umgeben von jungen Leuten, einfach Klasse“, erinnert sich Kalle Wendorff an die Aktion im vergangenen Sommer. Im SEZ konnten Hobbysportler unter einem Dach schwimmen und eislaufen sowie unter anderem Fußball, Handball, Volleyball und Tischtennis spielen. Cafés und Restaurants luden zum Verweilen ein. Das alles zu niedrigen Preisen. Im SEZ wurde fürs Fernsehen auch „Medizin nach Noten“ aufgezeichnet. Nun drohe der Abriss zugunsten von Wohnungen, sagt der gebürtige Ruhlsdorfer und seufzt.
Wendorff kreiert eigene Meisterschaft in Hula-Hoop

Sich selbst zählt er noch längst nicht zum „alten Eisen“. Dazu passt auch die Aufzählung der zahlreichen Aktivitäten, die er alleine im vergangenen Jahr absolviert hat. Dazu gehören Sportevents wie der Eberswalder Stadtlauf oder die von ihm kreierte erste Barnimer Meisterschaft im Hula-Hoop. Beim Klassentreffen – genau 60 Jahre nach erfolgreichem Abi an der ehemaligen EOS Geschwister Scholl in Bernau – war er natürlich auch. „Seit sieben Jahren moderiere ich außerdem monatlich eine Bingo-Show in Schwedt. In Marzahn präsentiere ich regelmäßig ein Musik-Event mit beliebten Interpreten, darunter Hans-Jürgen Beyer und Gerd Christian. Hiervon gab es bislang 17 Ausgaben. 2025 werden weitere folgen“, sagt Wendorff, Urgestein der ostdeutschen Unterhaltungsszene.
Auf Weltreise gehen oder am Strand auf der faulen Haut liegen, komme gar nicht infrage. „Uns sagen Leute oft: ‚Macht doch mal eine schöne Reise oder geht auf Kreuzfahrt‘. Dann winke ich nur ab“, sagt Wendy. Nur am Pool liegen oder an der Bar sitzen, sei nicht sein Ding. Auf einer Insel oder einem Luxusliner schon gar nicht. Nach ein paar Tagen würde es ihm zu eintönig, sagt der Moderator und Sänger.
Zu Hause ist er seit vielen Jahren auf einem traumhaften Grundstück in Breydin bei Eberswalde, wo er mit seiner Dagmar lebt. Das Anwesen ist so groß, dass er seine Nordic-Walking-Runden von je vier Kilometern läuft, ohne das eigene Terrain verlassen zu müssen. Sport gehöre bis heute zu seinem Lebens-Programm. Vorbilder im eigentlichen Sinne habe er nie gehabt, sagt Wendorff, der ein angenehmer Gesprächspartner ist. Den einzigen Namen, den er in dem Zusammenhang nennt, ist Sportreporter-Legende Heinz Florian Oertel (1927 – 2023). „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich Flori, dem ich als kleiner Bube an unserem alten Rundfunkgerät bei seinen Friedensfahrtkommentaren lauschte, eines Tages Auge in Auge gegenüberstehen und sogar mit ihm zusammenarbeiten würde.“ Unter anderem bestritten beide eine Talkshow im Marzahner Sportmuseum. Beim Friedenslauf 1987 mit über 70.000 Teilnehmern moderierten sie gemeinsam. „Heinz Florian machte es mir da sehr leicht. Er hatte immer ein nettes Wort für mich, und ich konnte viel von ihm lernen.“ Karl-Heinz Wendorff bezeichnet Oertel zudem als einmaliges Sprachgenie, das es in Deutschland so nie wieder geben wird.

Die eigene ungewöhnliche Karriere in Kurzform zu beschreiben, fällt dem Unikum nicht leicht. Obwohl er Landmaschinen- und Traktorenschlosser lernte, sattelte der Brandenburger bald auf Sport- und Geschichtslehrer an der Berufsschule des Berliner Glühlampenwerks Narva um. „1973 eröffnete im Betrieb ein Jugendclub. Ich wurde sein Leiter. So ging es eigentlich los: vom Unterhalter vor Schulklassen zum Unterhalter vor großem Publikum“, sagt der Sportfreak.
Zum Zweitjob als Klub-DJ kamen Moderationen bei Spartakiaden, Winterbahn-Radrennen, beim Friedenslauf – bei dem der damalige Chef des Internationalen Olympischen Komitees Juan Antonio Samaranch 1985 den Startschuss gab – und eine weitere Tätigkeit im Sport- und Erholungszentrum. „Hier war ich seit der Eröffnung 1981 eine Art Haus- und Hofmoderator: von Polar-Disko auf der Eisbahn bis Wellenparty im Schwimmbad. Als die Aufzeichnung der TV-Gymnastik-Reihe ‚Medizin nach Noten‘ ins SEZ verlegt wurde, fragten mich die Fernsehmacher, ob ich die nicht auch moderieren möchte. Natürlich sagte ich zu. Fernsehen war schließlich noch mal eine ganz andere Nummer“, sagt Wendorff. Zu den einzelnen Drehs traf man sich mit Gymnastikgruppen allerdings nicht täglich. „An einem Tag zeichneten wir drei Folgen à zehn Minuten auf“, erinnert sich Karl-Heinz Wendorff, der in „Medizin nach Noten“ von 1985 bis 1990 mehr als 1.000-mal über die Bildschirme flimmerte.
Zum Singen kam er eher zufällig, wie er im Interview berichtet. Bei einer achtwöchigen Schiffstour mit Urlaubern nach Kuba sprang er für einen erkrankten Künstler ein. Mit einem Akkordeon schmetterte er „La Paloma“ und kam so gut an, dass er die Nummer wochenlang wiederholen musste. Auch andere Künstler an Bord zollten Respekt: „Das war für mich die Initialzündung, weil ich sah, wie ich Menschen mit Musik begeistern kann.“ Das tut Carl von Breydin, wie sich Karl-Heinz Wendorff auf der Bühne auch nennt (benannt nach seinem Wohnort Breydin), bis zum heutigen Tag auf ausgewählten Veranstaltungen. Musik bleibe die große Liebe, Sport seine Leidenschaft. Mit seiner Dagmar spielt er jeden Tag 30 Minuten Tischtennis. Übrigens: Mit seiner Dagmar ist er seit fast 50 Jahren verheiratet.
Schrieb zwölfjähriger Sängerin einen Hit

Wendorff galt Kollegen und Zuschauern immer als Disziplin in Person. Über die Stränge geschlagen habe er nie. Auch nicht, als er später als Sänger in Künstlerkreisen verkehrte. Die Nacht zum Tag machen? Nicht mit Karl-Heinz Wendorff. Eskapaden sind zumindest nicht bekannt. „Nächte durchzechen hätte auch gar nicht funktioniert. Am nächsten Morgen hatte ich schließlich den nächsten Auftritt: Vor meiner Unterrichtsklasse in der Berufsschule des Berliner Glühlampenwerks Narva und abends auf Veranstaltungen.“ Jahrelang machte er mehrere Jobs parallel, ein Pensum, das nicht viele geschafft hätten. Hin und wieder sorgt der Entertainer auch noch in Brandenburg und Berlin für Stimmung. Dabei ist Karl-Heinz Wendorff privat ganz anders: „Ich würde mich privat nie in eine Polonaise einreihen, sie aber auf öffentlichen Events immer wieder anzetteln.“ Manchmal erkenne er sich bei Auftritten selbst nicht wieder. Es sei, als wenn jemand einen Schalter umlege. Das war schon beim Fernsehen so, als er unter anderem auch als Außenreporter bei „He, Du“ mit Wolfgang Lippert agierte.
Für bundesweites Aufsehen sorgte Kalle Wendorff, als er 2016 für die Sängerin Sissi den Hit „Paula, mein kleiner Superstar“ schrieb. Das Lied bescherte der damals Zwölfjährigen nicht nur einen ARD-Auftritt in „Immer wieder sonntags“ mit Stefan Mross. Auf Youtube wurde der Song, in dem es um einen ausgebüxten Hund geht, laut Wendorff fast zwei Million mal geklickt.