Ein langweiliges Leben hatte Edmund Burg nie. Er war einer der erfolgreichsten saarländischen Sprinter, trainierte Leichtathleten und Tennisspieler und prüfte Fahrschüler. Am 31. März feierte er seinen 90. Geburtstag – doch ans Zur-Ruhe-Kommen denkt er nicht.
Gesammelt hat Edmund Burg in seinem Leben so einiges: „Im ganzen Haus hängen Gemälde oder auch Rosenkränze – die meisten aus dem 18. Jahrhundert“, verrät er. „Viele Rosenkränze aus dem Allgäu, weil wir dort oft Urlaub machen. Ich sammle auch alte Olympia-Bücher.“ Nicht nur die. Über viele Jahre hat Burg insbesondere eines gesammelt: Medaillen, Pokale und Titel. Schon fast bescheiden erzählt der einst erfolgreichste saarländische Sprinter von seinen Erfolgen. 1976 wurde er mit der Staffel Weltmeister der Senioren, lief einen Weltrekord, wurde 46-mal Saarland- und mehrfach Deutscher Meister. „In meinem Schlafzimmer habe ich einen großen Wandschrank mit allen Medaillen und Ehrennadeln“, erzählt er. Besonders gern erinnert er sich an den Pokal, den er 1960 im antiken Stadion in Athen in Empfang nehmen konnte. „Da bin ich die 100 und die 200 Meter gelaufen“, sagt er. „Das Besondere in diesem Stadion ist, dass es nicht rund, sondern u-förmig ist. In einem normalen Stadion läuft man die Kurve noch schön aus, wenn man mit viel Tempo ins Ziel kommt. Dort ging das gar nicht. Da war quasi direkt die Mauer.“ Burg gewann damals nicht nur den 100-Meter-Sprint, sondern auch die 200 Meter.
Leichtathletik als Hobby neben dem Beruf
Mittlerweile ist „Edde“ Burg 90 Jahre alt. „Irgendwann wacht man morgens auf und ist 90“, sagt er. Noch heute ist der charismatische Rentner überaus aktiv, arbeitet gern im Garten und geht gemeinsam mit seiner Frau dem Hobby des Reisens nach. Generell hat Burg viel von der Welt gesehen: „Warschau, Madrid – man ist ja überall gelaufen. Freitags ist man weggeflogen, samstags gelaufen und sonntags wieder zurück. Montags habe ich dann wieder im Auto gesessen und Fahrschüler geprüft“, erzählt er. Denn neben seiner Karriere als Sprinter arbeitete der studierte Diplom-Ingenieur beim TÜV Saarland, nahm dort unter anderem Fahrschulprüfungen ab. „Die Leichtathletik, also quasi mein Hobby, lief alles neben dem Beruf.“
Dabei startete er seine sportliche Laufbahn eigentlich in einer ganz anderen Disziplin: im Handball bei der TV Elversberg. „Ich sollte 1954 eigentlich mit der saarländischen Handballmannschaft auf die Weltmeisterschaft fahren“, erinnert er sich zurück. Doch dieses Angebot sollte der damals 19-Jährige ausschlagen: „Dann hat mein Trainer aber damals gesagt: Edmund, du kannst gut werfen, du kannst gut laufen – ich melde dich für den olympischen Fünfkampf in Völklingen an.“ Die richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn Burg holte sich nicht nur in dem Wettkampf mit den Disziplinen Speerwurf, Diskus, Weitsprung, 200- und 1.500-Metern seinen ersten Landestitel, sondern stellte auch gleich einen saarländischen Rekord auf. Nicht sein letzter Rekord: 1960 lief er in Brüssel den Hallen-Weltrekord von 50 Metern in 5,6 Sekunden. „Das ist ein sehr gutes Gefühl, so ein Rekord“, sagt Burg. „Es bekräftigt einen darin, dass sich das Training gelohnt hat. Aber dieses Talent, das lag uns auch in den Genen.“

Denn nicht nur Edmund sollte aus dem Namen „Burg“ ein regelrechtes Gütesiegel für den saarländischen Sport machen, auch Hans und Adelbert Burg zeigten ihr Können. 1959 gab es dann bei der saarländischen Sprintmeisterschaft einen ganz besonderen Moment für die drei Brüder: Nach Edmund Burg als Sieger vervollständigten Adelbert und Hans das Podest. „Ich kam damals zum Laufen, weil mein älterer Bruder, Hans, auch gelaufen ist. Ich wollte dann genauso gut werden wie mein Bruder – und nachher war ich dann sogar besser“, lacht Burg. Sein jüngerer Bruder, Adelbert, verstarb im Alter von gerade einmal 37 Jahren. Hans – 14 Monate älter als Edmund – lebt noch heute.
Nicht nur Bruder Hans sollte ein großes Idol für ihn sein: „Ich habe in Mailand einmal Jesse Owens getroffen“, erzählt er stolz. Der amerikanische Leichtathlet stellte während seiner Karriere eine ganze Reihe Weltrekorde auf, siegte 1936 dann bei den Olympischen Spielen in Deutschland. Mit vier Medaillen war er deren erfolgreichster Athlet. „Das ist bis heute ein Idol für mich“, sagt Burg. Owens sollte nicht seine letzte prominente Begegnung bleiben: In Monaco nahm er eine Siegermedaille von Fürstin Gracia Patricia entgegen, in Prag traf er 1959 mit dem Langstreckenläufer Emil Zátopek und dessen Frau Dana zusammen.
Eine besondere Beziehung hat er zu Handball-Legende Joachim Deckarm. 1966 warf dieser statt Bälle gemeinsam mit Burg Speere beim internationalen Sportfest in Dillingen für den SV Saar 05. „Als er dann zu einem großen Handballer wurde, hat er mir einmal eine signierte, blaue Mütze geschenkt“, erzählt Burg. Nur wenige Monate später ereignete sich der tragische Unfall, unter dessen Folgen Deckarm nach langem Koma noch heute leidet. „Als das passierte, habe ich seine Mütze immer bei mir im Auto mitgeführt“, sagt Burg, sichtlich von seinen Gefühlen übermannt. „Heute liegt sie auch in meinem Schrank und hat bis heute eine große Bedeutung für mich. Ich schaue sie oft an und denke an die alten Zeiten zurück.“ Nicht nur sportlich – Burg trainierte Deckarm für einige Zeit – trafen die beiden Männer aufeinander. Nein, auch in Burgs Hauptjob beim TÜV: Dort war Deckarm einer der rund 100.000 Fahrschüler, deren Prüfung er abnahm.
Erster Deutscher Meister von der Saar
Eng verbunden ist er auch mit seinem Leichtathletik-Kollegen Armin Hary. Mit diesem startete er 1956 – das erste Jahr, in dem das Saarland an einer deutschen Meisterschaft teilnehmen durfte – in Augsburg. „Ich bin damals Deutscher Juniorenmeister geworden, Armin zweiter“, erinnert er sich. „Da haben die sich auch gefragt: Wo kommen die Saarländer her, das sind doch Franzosen? Damals haben sie uns kennengelernt und danach konnten sie uns nicht mehr ignorieren.“
Einen seiner letzten Läufe absolvierte Burg 1978 bei den Senioren-Europa-Meisterschaften im italienischen Viareggio. Auch diese entschied er für sich. An ein Leben ohne Sport war für ihn aber noch lange nicht zu denken: Zwischen 1960 und 1980 war Burg beim SV Saar 05 bereits neben seiner eigenen Sprinter-Karriere als Trainer tätig. Beim Saarländischen Leichtathletik-Bund arbeitete er als Stützpunkttrainer und von 1981 bis 1993 beim Saarländischen Tennisbund als Konditionstrainer. Dort trainierte er unter anderem auch Tennis-Asse wie Claudia Kohde-Kilsch oder Patrick Kühnen. „Ich war dort insbesondere mit der Talentförderung vertraut“, verrät Burg, der bis 2012 selbst das Racket schwang.
Auch mit stolzen 90 ist Edmund Burg noch fit. Für unseren Fotografen posiert er in Startblock-Haltung, läuft sogar kurz an. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Dafür umso mehr die Zufriedenheit. Für diese ist nicht zuletzt auch seine Frau Ingrid verantwortlich: „Wir sind seit 1961 glücklich verheiratet“, sagt er. Gemeinsam haben sie zwei Kinder und zwei Enkel. Schwiegersohn Jörg hält die sportliche Familienehre derweil weiter hoch, trat unter anderem schon beim Iron Man in Hawaii an. Familie ist Burg sehr wichtig. „Zu meinem Geburtstag wünsche ich mir, dass wir gesund bleiben“, sagt er. „Ich wünsche mir, dass meine Frau und ich fit bleiben, dass wir noch oft wandern gehen oder ins Allgäu reisen können.“ Denn auch wenn die Medaillen-Sammlung nicht mehr weiter wachsen wird, die Rosenkranz-Sammlung dafür ganz bestimmt.