Am 19. April startet in der ARD-Mediathek die neue Staffel von „Am Pass – Geschichten aus der Sterneküche“. Einer der Porträtierten ist Christian Bau im „Victor’s Fine Dining“ auf Schloss Berg. Wir haben die Doku bereits vorab gesehen und mit dem Drei-Sterne-Koch darüber gesprochen.
Der Mann in dunkler Jeans und schwarzem Pullover lehnt sich gemütlich auf einem hellen Sofa zurück. Genüsslich nimmt er einen tiefen Zug aus einer dicken, teuren Zigarre, der Blick schweift ins Leere. Für ihn ist es ein Moment der Ruhe, des Runterkommens, der Entspannung. „Der Eintritt in eine andere Phase“, wie er es selbst beschreibt. Einer Phase, in der er selbst „zu einem anderen Menschen“ wird, wie er sagt. Alles perlt in diesem Moment von ihm ab. Die Hektik und der Stress eines arbeitsreichen Tages in der Küche, das ständige Streben nach Perfektion in einem der besten Restaurants der Republik, ja einer der besten Restaurant-Adressen weltweit.
Der Mann mit der Zigarre ist Christian Bau, mit drei Michelin-Sternen dekorierter Küchenchef und Gastgeber im „Victor’s Fine Dining“ auf „Schloss Berg“ in Perl-Nennig. Die beschriebene Szene ist der Einstieg in die Auftaktfolge der neuen Staffel von „Am Pass – Geschichten aus der Sterneküche.“ In der Produktion im Auftrag des Saarländischen Rundfunks für die ARD-Mediathek, die ab 19. April dort zu sehen sein wird, stehen die Menschen im Mittelpunkt, deren Kreationen die Spitzenküche prägen. Sechs mit Michelin-Sternen ausgezeichnete Köchinnen und Köche wurden für die neue Staffel in den vergangenen Monaten mit der Kamera begleitet, und sie alle geben sehr persönliche Einblicke in ihren Werdegang, kreative Prozesse und ihren Anspruch an die Spitzengastronomie. Einer von ihnen: Christian Bau.
Vor 20 Jahren wurde der Starkoch erstmals vom Restaurantführer Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet – damals mit 34 Jahren als jüngster Koch Deutschlands. Bis heute hat er diese Auszeichnung Jahr für Jahr bestätigt. Wie kaum ein anderer steht der heute 54-Jährige für den Wandel der Hochküche weg von der klassisch französischen Küche und für das Streben, dabei etwas ganz neues, ganz eigenes zu schaffen. In der knapp halbstündigen Dokumentation beschreibt Bau diesen Weg zu seinem ganz eigenen Stil. Einem Stil, für deren Produkte er anfangs von Kollegen teils belächelt wurde, der aber mittlerweile unzählige Köche beeinflusst und seine Küche zu der wohl meistkopierten in Deutschland gemacht hat, wie renommierte Restaurantführer schreiben.
Es sind beeindruckende Bilder wunderschöner Teller, die alle eher etwas von Kunstwerken haben, als von Gerichten, die tatsächlich zum Essen gedacht sind. Vier Tage lang hat das Kamerateam Christian Bau und seine Küchencrew begleitet und ihnen bei der Arbeit über die Schultern geschaut. Herausgekommen ist ein spannender Einblick in eine faszinierende (Küchen-)Welt, die vielen Menschen sonst schon alleine deswegen verborgen bleiben würde, weil sie sich einen Besuch vor Ort kaum leisten können. Oder allenfalls als einmaliges Highlight wie ein besonderer Urlaub, auf den sie hin sparen.
„Du kannst Dich nicht verstellen“
„Für uns war es eigentlich eine ganz normale Arbeitswoche, vielleicht etwas beengter mit den Kameras“, erzählt Christian Bau im Gespräch mit FORUM. „Außer, dass ich, meine Frau und drei, vier andere immer verkabelt waren und über meinem Platz am Pass Kameras in der Lüftung und an Schnüren befestigt waren, die hin- und herschwebten.“ Das sei am Anfang etwas ungewohnt gewesen, aber man habe relativ schnell vergessen, dass diese da waren. „Du kannst dich nicht vier Tage lang verstellen, weil du vielleicht bestrebt bist, dich von einer besonders guten Seite zeigen zu wollen. Das ist vielleicht eine halbe oder eine Stunde so. Aber du bist dann ganz schnell so wie du eben bist“, erklärt der Spitzenkoch. Entsprechend seien auch die Gespräche in der Küche authentisch.
Wie kein anderer steht Christian Bau für eine französisch-japanische Küche, wobei der Schwerpunkt auf einer authentischen japanischen Küche liegt. In der Doku beschreibt er sehr eindrucksvoll, wie fasziniert er bei seinen Besuchen im Land der aufgehenden Sonne vom japanischen Verständnis von Qualität und Frische der Produkte, dem regelrechten Fetischismus für gelebte Qualitätsversessenheit, gewesen sei. Diesem Streben nach stetiger Verbesserung, nach Perfektion. Einer Einstellung, die seine eigene so sehr widerspiegelt. Bau hat dieses japanische Verständnis so verinnerlicht, dass er vor sechs Jahren vom japanischen Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei sogar offiziell zum Ehrenbotschafter für die japanische Küche ernannt wurde – eine Ehre, die noch keinem Deutschen zuvor zuteilwurde und insgesamt erst drei Europäern überhaupt. Selbst gebürtige Japaner, wie etwa der Zwei-Sterne-Koch Kazuyuki Tanaka, der in Reims sein Restaurant „Racine“ betreibt, schwärmen davon, dass es der unvergleichliche Stil von Christian Bau sei, dem sie selbst nacheifern.
Vor zwei Jahren ist Bau in seinem Restaurant noch eine Stufe weitergegangen und konzentriert sich seither in seiner Küche nur noch auf Fisch und Meeresfrüchte. Und obwohl es „nur“ Fisch und Meeresfrüchte sind, stecken beispielweise in seinem Signature-Dish „Japanisches Meer“, einem einzigen Teller, mehr als 80 Handgriffe, bis dieser serviert wird. „Die Teller haben wir mittwochs extra gedreht, an einem zusätzlichen Tag, an dem wir normalerweise nicht am Arbeitsplatz gewesen wären“, erzählt der Spitzenkoch im Gespräch mit uns. „Das wäre sonst im Küchenalltag nicht machbar gewesen. Alleine die Dreharbeiten für unseren Signature-Dish haben drei- bis dreieinhalb Stunden gedauert.“ Die übrigen Szenen aus der Küche aber wurden im normalen Restaurantbetrieb gedreht.
Und diese zeigen, wie konzentriert und gleichzeitig ruhig es in einer Küche zugeht, in der es um nichts weniger als Perfektion geht. Kurze, knappe Ansagen und Kommandos. Kurze, knappe Antworten. Bei konzentrierter Arbeit bleibt nicht viel Spielraum für angeregte Plaudereien. Aber trotz des knappen Tons gibt es stets ein „Bitte“ oder „Danke“. So viel Zeit für Wertschätzung muss sein. Dennoch spiegelt sich die Anspannung in der Küche stets in Baus Gesicht, wenn ihm zum Beispiel eine Kleinigkeit auffällt, die eben nicht zum eigenen Verständnis von Perfektion passt. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, wie es sein muss, wenn diese Anspannung langsam von ihm abfällt, wenn er nach einem solchen Abend auf dem hellen Sofa sitzt, einen tiefen Zug aus einer dicken, teuren Zigarre nimmt und ganz langsam wieder in eine andere Phase tritt und zu einem anderen Menschen wird.