Drei Fragen
„Beim BSW sind jetzt die Länder gefragt“
Beim BSW ist völlig offen, wer in Zukunft die Partei auf Bundesebene führt. Das wird in Berlin entschieden, sagt die thüringische Landesvorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht, die Finanzministerin des Landes, Katja Wolf.
Frau Wolf, in Ihrer Partei werden Sie mittlerweile als bundesweite Hoffnungsträgerin für die Zukunft des BSW genannt, spüren Sie die neue Verantwortung?
So würde ich das nicht formulieren, aber es ist natürlich klar, dass wir jetzt in Ländern gefragt sind, in denen wir auch Regierungsverantwortung tragen, also in Brandenburg und Thüringen. Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle auch der Landtag in Sachsen, wo wir ebenfalls mit einer starken Fraktion vertreten sind. Das heißt, dass wir uns jetzt natürlich im Besonderen noch mal engagieren müssen, um das BSW über die nächsten vier Jahre zu tragen und unseren Teil zu leisten, um dann doch noch sehr stark in den Bundestag einzuziehen zu können.
Wer wird dann das BSW führen, eventuell Sie oder doch noch Sahra Wagenknecht, die gerade nach der Bundestagswahl keinen glücklichen Eindruck machte?
Das würde ich so nicht sagen. Ich finde, dass Sahra Wagenknecht einen wirklich engagierten Wahlkampf gemacht hat und ich da absolut Respekt habe. Das Auftreten danach ist natürlich davon geprägt, dass eine Enttäuschung sich breitgemacht hat. Natürlich haben wir mit einem Einzug in den Bundestag gerechnet. Um nicht zu vergessen, wir haben mit 4,9 Prozent im ersten Anlauf trotzdem ein sensationelles Ergebnis erzielt. Die Grünen waren bei ihrem ersten Anlauf bei 1,5 Prozent, um mal so eine Relation zu haben. Dabei ist selbstverständlich völlig offen, wer in Zukunft unsere Partei auf Bundesebene führt, das wird in Berlin entschieden.
Aber die Landesverbände in Brandenburg, Sachsen und bei Ihnen in Thüringen werden dabei eine entscheidende Rolle spielen?
Beim BSW sind jetzt die Länder gefragt, wir sind natürlich in der Situation, dass wir weiterhin im Parlament vertreten sind und damit eine funktionierende Arbeitsbasis haben. Das macht es nicht unbedingt immer leichter, weil wir selbstverständlich jetzt auch unsere Verantwortung sehen, den inhaltlichen Part der Partei zu schärfen und sehr eng abzustimmen und natürlich auch den Kontakt in die anderen Bundesländer zu halten, die nicht in den Parlamenten sind. Aber ich bin mir ganz sicher, dass wir das gut meistern werden und damit wirklich das Fundament legen, sehr stark in den Bundestag in spätestens vier Jahren einziehen zu können. Interview: Sven Bargel

Streit um schnelle Brücken-Reparatur
Nach der Totalsperrung einer der wichtigsten Autobahnbrücken im Westen Berlins ist nun ein Streit um einen schnellen Abriss und Neubau des A-100-Tragwerks am Funkturm entbrannt. Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) will sofort mit den Baumaßnahmen beginnen, dazu könnte auf eine EU-weite Ausschreibung des Ersatzbaus verzichtet werden, da es sich um einen innerstädtischen Notfall handelt. Auch das Planfeststellungsverfahren soll erheblich verkürzt werden, da es sich eben nicht um einen Neu-, sondern lediglich um einen Ersatzbau handele. Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus widersprechen, eine Aushebelung des Verfahrens sei nicht statthaft. Unterdessen hat sich die Verkehrssituation für Berliner Berufspendler am Kreuz Funkturm nochmals verschärft. Die A-100-Ringbahnbrücke ist nun auch vollständig für den darunter führenden S-Bahn-Verkehr gesperrt. Bei der Strecke handelt es sich um eine ÖPNV-Verkehrshauptschlagader im Berufsverkehr. Ohne EU-Ausschreibungen und Planverfahren wäre der Abriss laut CDU-Verkehrssenatorin Bonde innerhalb von Wochen möglich und ein Neubau innerhalb von zwei Jahren machbar.
Bayerische Grüne für „Freiheitsdienst“
Zukünftig sollten alle Frauen und Männer in Deutschland sechs Monate einen verpflichtenden Gesellschaftsdienst leisten, sei es als Zivildienst oder bei der Bundeswehr. Der Dienst könnte am Stück oder aufgeteilt im Alter zwischen 18 und 67 Jahren geleistet werden. Dieser Vorschlag stammt von den bayerischen Grünen. Damit würde die Musterung wieder obligatorisch werden, allerdings für Frauen und Männer gleichermaßen, so der Vorschlag. Laut der Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze, und ihrem innenpolitischen Sprecher Florian Siekmann soll dieser Dienst dann „Freiheitsdienst“ heißen. Dazu gehören neben dem Wehrdienst auch Dienst im Bevölkerungsschutz, bei Feuerwehr oder Hilfsorganisationen oder ein anderer Gesellschaftsdienst. Ehrenamtliche Tätigkeiten sollen angerechnet werden. Damit solle die Gesellschaft robuster werden, heißt es.
Kretschmer will Sanktionen lockern
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisiert weiterhin das „kategorische Nein“ Deutschlands und anderer europäischer Länder zu einer Lockerung der geltenden Russland-Sanktionen. „Das ist völlig aus der Zeit gefallen, und passt auch gar nicht zu dem, was die Amerikaner gerade machen“, so der stellvertretende CDU-Vorsitzende. „Wenn man merkt, dass man sich selber mehr schwächt als das Gegenüber, dann muss man darüber nachdenken, ob das alles so richtig ist“, sagte Kretschmer. Russland fordert unter anderem von den westlichen Ländern, die verhängten Strafmaßnahmen zurückzufahren, bevor es über Frieden verhandelt. Dabei verweist CDU-Politiker Kretschmer auf den Umstand, dass die USA längst mit Russland und der Ukraine über eine Waffenruhe verhandeln, dazu gehöre auch eine Rücknahme der Sanktionen. Damit sei für den Ministerpräsidenten auch die Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern „gerade zu Ende“, sagte Kretschmer.
Hausärzte als erste Anlaufstelle

Geht es nach der Bundesärztekammer, sollen zukünftig die Hausarztpraxen aufgewertet werden und verpflichtend die erste Anlaufstelle für Hilfesuchende sein. Die Bundesärztekammer unterstütze daher die schwarz-roten Pläne, den Zugang zu Fachärzten über ein „verbindliches Primärarztsystem“ zu steuern, heißt es seitens der Kammer. „Eine wirklich smarte Patientensteuerung könnte helfen, die knappen ärztlichen Ressourcen viel effizienter zu nutzen und auch die Kosten insgesamt spürbar zu senken“, so Ärztepräsident Klaus Reinhardt. Damit soll der Hausarzt nur im Bedarfsfall an Fachpraxen überweisen. Ärztepräsident Reinhardt mahnt dabei auch zu mehr Selbstdisziplin der Versicherten. „Dass sich jeder auf Kosten der Allgemeinheit aussucht, was ihm am besten passt, das ist weltweit einzigartig, aber nicht fair und definitiv nicht mehr länger leistbar und bezahlbar“, so Reinhardt. Allerdings soll es Ausnahmen geben, zum Beispiel für die Augenheilkunde oder die Gynäkologie. Auch für Patienten mit chronischen Erkrankungen soll eine besondere Lösung erarbeitet werden.

US-Zölle
Zehn Cent pro Download
Als Reaktion auf höhere US-Zölle hat die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock eine Abgabe für Software-Aktualisierungen von Smartphones in Spiel gebracht. „Wenn andere mal so 25 Prozent in den Raum stellen, dann können wir unseren ganzen Instrumentenkasten in den Raum stellen“, sagte die geschäftsführende Außenministerin auf einer Berliner Europa-Konferenz. „Wie oft updaten wir unser iPhone? So zehn Cent darauf – das würde viel Geld für Europa bringen, anderen vielleicht nicht so gut gefallen.“ Baerbock bezog sich auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, ab Anfang April Zusatzzölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Autoimporte zu erheben. Die Ministerin wurde vom „Tagesspiegel“ zitiert. Baerbock wies auf die Möglichkeiten des EU-Gesetzes über digitale Dienste hin: „Wir haben den Digital Services Act (DSA), und der ist kraftvoll“, sagte die Ministerin. Die Maßnahmen des DSA seien „eigentlich in Reaktion auf eine andere große Weltmacht“ geplant worden. Doch sie könnten ebenso auf die US-Digitalwirtschaft angewandt werden.
Gas weiterhin teuer
Die Energiepreise für Verbraucher steigen nur noch moderat – doch gemessen am Niveau vor dem Ukraine-Krieg sind die Preissprünge deutlich. Im zweiten Halbjahr 2024 zahlten private Haushalte in Deutschland im Schnitt 12,28 Cent je Kilowattstunde Erdgas, wie das Statistische Bundesamt errechnete. Das waren 3,5 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2024 und 7,6 Prozent mehr als im zweiten Halbjahr 2023. Gemessen am zweiten Halbjahr 2021, dem Vergleichszeitraum vor dem russischen Angriff auf die Ukraine und der folgenden Energiekrise, lagen die Gaspreise für private Haushalte damit um fast 80 Prozent (79,8 Prozent) höher, so die Statistiker. Weniger drastisch fällt der Vergleich bei Strom aus. Eine Kilowattstunde kostete Verbraucher im zweiten Halbjahr 2024 im Schnitt 41,2 Cent. Das waren 0,4 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2024 und 1,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem Zeitraum vor dem russischen Angriff auf die Ukraine steht ein Plus von gut einem Viertel (plus 25,3 Prozent).
Verbände machen Druck
Noch mitten in den Koalitionsverhandlungen versucht eine Allianz von mehr als 60 Wirtschaftsverbänden den Druck auf Union und SPD für grundlegende wirtschaftsfreundliche Reformen zu erhöhen. In einem Brief zahlreicher Verbände an die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD heißt es laut Pressemeldungen, bisherige Nachrichten aus den Koalitionsverhandlungen ließen befürchten, dass Betriebe ihre Investitionen wie zuletzt ins Ausland verlagerten oder ganz aufhörten und Investoren um Deutschland einen Bogen machten. „Alles, was Wachstum behindert, muss unterlassen werden. Das Tariftreuegesetz, ein Mindestlohn von 15 Euro oder die Mütterrente sind vor diesem Hintergrund abzulehnen“, heißt es in dem Schreiben. Zu den Forderungen gehören eine geringere Unternehmenssteuer und Energiepreise, Bürokratieabbau sowie eine Obergrenze der Sozialabgaben bei 40 Prozent.
Durchwachsene Bilanz für legales Cannabis

Seit etwa einem Jahr sind Cannabis-Produkte in Deutschland zum Teil legalisiert. Demnach dürfen Volljährige 50 Gramm und drei Pflanzen besitzen und 25 Gramm des Rauschmittels in der Öffentlichkeit straflos mit sich führen. „Die neue Regierung sollte sich zügig die Regelungen anschauen und verbessern“, fordert jedoch Alexander Poitz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Teillegalisierung habe laut Poitz zu keiner Arbeitsentlastung seiner Kollegen geführt. „Unschärfen“ im Gesetz haben im Gegenteil die Beamten verunsichert. Auch Mediziner sind nicht überzeugt. Stefan Gutwinski, Psychiatrie-Oberarzt an der Berliner Charité, erlebt „genau den Effekt, den ich befürchtet habe. Viele Patientinnen und Patienten, die sowieso schon betroffen waren, haben in den letzten Monaten eine Zunahme ihres Substanzkonsums angegeben“. Der Mediziner sieht sich durch die Erfahrungen in Kanada bestätigt, wo Cannabis schon länger erlaubt ist. „Die Daten sind eindeutig: Die Zahlen der Psychosen, Vergiftungen und des Konsums vor allem unter Jugendlichen haben zugenommen“, sagte Gutwinski.

Urteil
Empfindlicher Schlag
Die rechtsradikale französische Politikerin Marine Le Pen ist in der Affäre um die mögliche Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß: Vier Jahre Haft und Le Pen darf fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten. Damit dürfte sie bei der Präsidentschaftswahl 2027 nicht kandidieren. Gegen das Urteil kann Le Pen in Berufung gehen, ein Ende dieses Rechtsstreits ist bis 2027 nicht zu erwarten. Bis zum Ende der Wahlperiode kann sie weiter als Abgeordnete im Parlament sitzen, wo sie Fraktionsvorsitzende ist. Zentraler Vorwurf in dem Prozess war, dass Le Pens Partei Rassemblement National Geld für parlamentarische Assistenten vom Europäischen Parlament bekommen hat, die aber teilweise oder ganz für die Partei und nicht in Brüssel gearbeitet hätten. Dies gilt als Veruntreuung. Die Affäre hatte Le Pen und ihre Partei seit Jahren belastet. Laut den Richtern wusste die Partei von diesen illegalen Beschäftigungen und duldete sie. Le Pen bestreitet die Vorwürfe und sieht sich als Opfer eines politischen Prozesses.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Kaum ruft die EU-Kommission zur Krisenvorsorge auf, schreien Kritiker: „Angstmacherei!“ Oder gar: „Kriegstreiberei!“ Was für ein Unsinn.
Es geht doch nur um die Empfehlung an 450 Millionen Europäer, sich gegen Cyberangriffe, Naturkatastrophen oder Pandemien zu wappnen. Ja, in diesen Zeiten auch gegen Krieg. Doch die Bitte der EU, sich Vorräte für 72 Stunden anzulegen, ist keine Kampfpropaganda, sondern gesunder Menschenverstand. Viele Länder sind längst proaktiv. Österreich hat den „AT-Alert“ – Handywarntöne bei Katastrophen. Frankreich rockt den „Plan ORSEC“, der verschiedene Krisenszenarien aufgreift. Schweden sagt in seiner Vorbildbroschüre „Om krisen eller kriget kommer“ (Wenn die Krise oder der Krieg kommt): „Legt Vorräte für ’ne Woche an!“
Auch Deutschland ist nicht unvorbereitet. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) empfiehlt Bürgern zehn Tage autark zu sein – weitgehender als die EU. Die Brüsseler Strategie ist ein verbindender Rahmen. Er soll nationale Pläne harmonisieren, ohne sie zu ersetzen.
Dennoch tun Bedenkenträger so, als sei es eine Zumutung, den Mitbürgern eine Grundvorsorge anzuraten. Aber wer Krisenprävention als Panikmache abtut, hat nichts gelernt. Virus-Pandemien, Stromausfall, Cyberangriffe, Hochwasser – all das kann eintreten. Die Menschen im Ahrtal oder an der Oder wissen das.
In Ausnahmezeiten sind Wasser, haltbare Lebensmittel, Taschenlampe und Medikamente, ja selbst ein batteriebetriebenes Radio, überlebenswichtig. Kurz gesagt: Die EU-Strategie ist ein überfälliger Weckruf für alle Europäer. Vorsorge ist keine Panikmache – sondern kluge Weitsicht.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.